Rape Culture


Rape Culture ist ursprünglich ein Kampfbegriff aus der Feministinnen-Szene und bezeichnet Gesellschaften, in denen sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder weitgehend toleriert oder geduldet wird.

Ich hätte mir nie träumen lassen, dass es in irgendeiner Gesellschaft normal sein soll, dass Vergewaltigungen nicht nur an der Tagesordnung sind, sondern auch noch nicht geahndet werden. Bis ich die Nachrichten über diese arme junge Frau in Indien las. Und die Kette der Meldungen seitdem nicht mehr abreißt.

Es betrifft ja nicht nur „offizielle“ Vergewaltigungen. Es gibt viele Länder, die Vergewaltigung in der Ehe nicht als Straftatbestand ansehen, weil es schließlich die Pflicht der Ehefrau ist, ihrem Mann zu gehorchen. Und wenn der Sex will, hat sie gefügig zu sein.

Eine besonders widerliche Spielart der Vergewaltigung ist die sogeannte „Kurzzeit-Ehe“ – die nichts weiter ist als Prostitution unter dem Deckmantel einer sogenannten „Ehe“. Der Bräutigam bezahlt das Brautgeld für die Braut, heiratet zeitlich befristet für einen Monat, verfährt mit der Ehefrau nach Belieben und nach einem Monat endet die Ehe. Einfach so. Keine Scheidung, nichts, es war eben eine Ehe auf Zeit.

Und wieder ist Indien das Land, das in den Fokus gerät. Eltern verkaufen ihre Töchter an wohlhabende Geschäftsleute, weil sie die Kosten für die Eheschließung nicht mehr bezahlen können.

Es ist Tradition in Indien, dass der Brautvater der Braut eine Mitgift mitgibt. Und die Hochzeit ausrichtet. Da man einen Ruf im Dorf/Stadtviertel zu verlieren hat, verschulden sich viele Väter furchtbar. Wer nur Töchter und keine Söhne hat, gilt dort in der Tat als verflucht, denn das kann problemlos den finanziellen Ruin nach sich ziehen. Eine, vielleicht zwei Hochzeiten kann man ausrichten. Die dritte auf keinen Fall mehr, es sei denn, man hat einen Sohn und bekommt für diesen die Mitgift seiner Braut. Das ganze schaukelt sich auch auf, wenn einer eine grandiose Hochzeit hatte, dann kann der Nachbar nicht weniger tun, sonst verliert er an Ansehen.

Und so sind in der Not viele Familien nicht auf die Idee gekommen, diese Traditionen über den Haufen zu werfen und einfach mal mit dem Mist aufzuhören, nein, sie suchen ihr Heil im Gelderwerb. Und sie verkaufen ihre Töchter in Kurzzeitehen. Machen die Töchter nicht mit, wird das für sie sehr gefährlich. Das Mädchen, von dem in dem Artikel die Rede ist, darf ihren Eltern nicht mehr begegnen, es wäre ihr Todesurteil.

Und um die Schizophrenie des Ganzen nochmal deutlich zu machen:

Eltern zwingen ihre Töchter, gegen Geld mit Männern zu schlafen. Und wenn die nicht machen, was die Eltern verlangen, sind die Töchter diejenige, die Schande über die Familie bringen. Schlafen sie mit den Männern, verlieren sie an Wert – sie waren verheiratet, sie sind keine Jungfrau mehr, das mindert ihren „Wert“ auf dem Heiratsmarkt. Und die Berichte von Frauen, die von der Familie des Ehemannes versklavt werden, verbrannt, mit Säure übergossen und Mordanschlägen ausgesetzt sind, sind Legion.

Am Ende steht eine junge Frau, die von allen verraten und verkauft wird. Von den Eltern, von der Familie, von allen, die sie eigentlich unterstützen sollten.

Dies betrifft in Indien vorranging die armen Bevölkerungsschichten und die dörflichen Strukturen. In den Städten reißen die Demonstrationen nicht mehr ab, es sind die Studenten, die protestieren, die gebildete Mittelschicht.

Motto: Lehrt nicht euren Töchtern, wie sie sich verbergen können, lehrt euren Söhnen, sich zu benehmen und Frauen zu respektieren.

Für ein fünfjähriges Mädchen ist diese Erkenntnis leider zu spät gekommen.

Veröffentlicht am 22. April 2013, in Allgemein. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 14 Kommentare.

  1. Tradition: So lange sie hilft beim erinnern und keinen schaden anrichtet, sollte sie bestehen bleiben. richtet sie schaden an, muß sie über bord.

    Nur tantchen – wie können wir als „wessis“ diese frauen unterstützen? dieses echo in der weltpresse ändert zumindest derzeit das problem auch nicht und wird mit sicherheit von der nächsten durchs dorf getriebenen sau verdrängt werden. Wie können wir diesen ländern helfen, ohne arogant wieder über alle kulturbesonderheiten drüber zu trampeln?

    Ja, die praxis ist menschenverachtend (schutzbefohlene werden ungeschützt zurückgelassen).
    Ja, es geht nicht an, daß (teils. minderjährige) gegen ihren willen zum sex gezwungen werden.

    Wie ändern?

    • Indem wir HIER anfangen und endlich dafür sorgen, dass Ehrenmorde und Zwangsheiraten in keinem Gesellschaftsteil akzeptiert werden.

      Und dass bei „Ehren“morden automatisch Strafverschärfung eintritt.

      • Tantchen, ich kann das Wort Ehrenmord nicht mehr hören oder lesen: was um alles in der Welt hat Mord mit Ehre zu tun? (vor Allem unter diesen Umständen)
        Der Begriff Ehre ist ohnehin schon im Strassenstaub gelandet, jetzt kipp‘ ihn nicht auch noch mit Fäkalien zu.

  2. kleiner_Geist

    Thema Tradition: Während meines Elektrotechnikstudiums habe ich mich mit ein paar Leuten aus der philosophischen Ecke öfter unterhalten. Wir sind zu einer neuen Definition des Themas Tradition gekommen:

    „Tradition ist das Festhalten an überholtem aus Gründen der Bequemlichkeit.“

    Wenn jetzt jemand behauptet, nicht alle Traditionen sind schlecht, dann kann ich nur antworten, dass sinnvolle traditionelle Handlungsweisen nie damit begründet werden, dass sie Tradition sind, sondern damit, dass sie sinnvoll sind. Die Berufung auf die Tradition ist immer eine Kapitulation vor der Vernunft.

    • „Das haben wir schon immer so gemacht.“
      „Das dauert so doch viel länger.“
      „Dafür hab‘ ich jetzt keine Zeit!“

      Diese Sätze sind ein Abriss dessen, was ich so gehört habe, wenn ich mal ’nen Verbsserungsvorschlag machte oder auf menschenunwürdige Praktiken hinwies.

      PS: Arbeite in einem Seniorenheim…

    • ..darf ich das zitieren?

    • Kann ich so nicht vollumfänglich unterschreiben.
      Manche Traditionen sind auch für Gesellschaftsbildung gut – beispielsweise Geburtstage. Geburtstage sind eigentlich äusserst ineffizient, und trotzdem feiern wir sie, um einander Respekt zu zeigen und einen schönen Tag zu geniessen.

      • Lochkartenstanzer

        > Geburtstage sind eigentlich äusserst ineffizient, und trotzdem feiern wir sie, um einander Respekt zu zeigen und einen schönen Tag zu geniessen.

        damit sind sie doch sinnvoll. man trifft freudne wieder, die man vielelciht lange nciht gesehen hatte. Failie kommt wieder zursammen. Gesellschaftlieh Kontakte werden gepflegt. Also sind sie Sinnvoll. 🙂

        • Da magst du Recht haben – andererseits braucht man dafür ja theoretisch keinen Anlass. Mein Kindheitsfreund, der ein paar Kilometer weiter entfernt wohnt und mit dem ich nun schon 5-6 Jahre lang keinen Kontakt hatte, kann ich auch so anrufen, dafür muss niemand Geburtstag haben.

          P.S.: Das nächste Mal würd ich das Schnapsglas vor dem Kommentieren stehen lassen. 😉

          • Nein, der Lochkartenstanzer hat ja recht.

            Sobald eine Tradition sinnvoll ist, begründet man sie mit dem eigentlichen Grund. Und Geburtstage sind ein solcher Grund, auch wenn man ihn theoretisch nicht „braucht“ sind Geburtstage aber auch immer wieder ein Anlaß, eingeschlafene Kontakte aufleben zu lassen.

            „Mensch, ich hab gesehen, du hast Geburtstag, wir haben uns so lang nicht mehr gehört – alles Gute und wie gehts dir eigentlich?“ Zack, Kontakt wieder da.

            Man würde Geburtstage nie mit „haben wir schon immer so gemacht“ begründen.

            Andere Traditionen hingegen, die nachweislich schädlich sind, werden *nur* mit Tradition begründet. Siehe alle, aber auch alle religiösen Traditionen, egal welche Tradition.

            Hier heißt es in der Tat „wir machen das, weil das Tradition und weil wir das immer schon gemacht haben.“ Und dann wird meist noch hinterhergeschoben, dass man ja schließlich Gottes Befehl folgt.

            Der übrigens angesichts der vielen, sich widersprechenden Befehle einen ziemlich schrägen Humor haben muss.

            Traditionen, die im besten Fall sinnfrei sind und im schlimmsten Fall schädlich werden mit Tradition begründet. Traditionen, die ihren Sinn haben, egal wie weit hergeholt er sein mag, werden IMMER sachlich begründet.

            • Ich glaube, ein grosser Teil der Eltern feiert Geburtstag, Weihnachten und Ostern auch nur, „weil wir das schon immer so gemacht haben“, und würden ihrem Geldbeutel zuliebe solche Feiertage lieber ganz ausfallen lassen. Viele Eltern denken gar nicht erst an die schönen Erinnerungen, die ihre Kinder später haben werden, sondern sehen das Loch im Konto als das kleinere Übel als schreiende, flennende und ungehorsame Kinder.

              Missversteh mich hier nicht, ich stimme dem kleinen_Geist in seiner Schlussfolgerung grösstenteils zu. Aber wie bei jeder Regel sehe ich auch da Ausnahmen. Auch wenn diese Ausnahmen Definitionssache sind.
              In Punkto Religion und der blutigen, makaberen Vogelscheuche, die von „Ehre“ übrig ist, gebe ich dir, dem Lochkartenstanzer und kleiner_Geist vollumfänglich Recht.

              • Hm, von den Eltern kenn ich eigentlich keine. Im Gegenteil, viele sind enthusiastischer als die Kids, wenns um die Feiertage (außer Geburtstag) geht. *g*

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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