Achtung, Sprachpolizei


Manche Diskussionen auf Twitter sind ja echt… *nerv*

Es gibt wirklich nur noch schwarz und weiß. Du bist gut oder böse – oder ein Gutmensch, kommt drauf an, mit wem du grad diskutierst. Btw. „Gutmensch“ beleidigt mich nicht. Warum auch? Was ist schlimm daran, ein guter Mensch zu sein? Wer das als Beleidigung nutzt oder als Versuch, jemanden zu degradieren, ist selbst ein „Bösmensch“ – und er gibt sich dieses Label selber. Selbst schuld.

Darf ein Zigeunerschnitzel Zigeunerschnitzel heißen oder ist das degradierend? Darf man in einem Buch jemanden „Negerkönig“ nennen?

Es gibt in der Welt 1 Mio. Möglichkeiten, beleidigt zu sein. Ich frag mich ja immer, was die Leute erreichen wollen, die „Zigeunerschnitzel“ verbieten oder den „Negerkönig“ aus Pippi Langstrumpf in „Südseekönig“ umbenennen. Plötzlich gibts keinen Rassismus mehr, weil die Begriffe dafür „fehlen“? Hat Orwell uns so wenig gelehrt?

Begriffe sind an sich erstmal *nicht* rassistisch, wohl aber der Kontext. Ich erinnere nur an „man darf ja nicht mehr Neger sagen, also sag ich jetzt „stark Pigmentierter“. Wenn jemand rassistisch ist, wenn jemand Leute degradieren MÖCHTE, wird er das tun. Völlig egal, welche Begriffe er nun dafür nutzt. Mehr noch: Wenn er provozieren möchte, weil er möchte, dass Barrieren fallen, dann WIRD er genau diese „triggernden“ Begriffe nutzen, damit er in der nachfolgenden Taubenschach-Diskussion mal richtig gewinnen kann.

Gewinnen im Sinne von: „Das wird man doch wohl nochmal sagen dürfen“. Diese Diskussion kann man nur gewinnen, wenn man selber noch um einiges skrupelloser ist als diese Herrschaften, was schwierig ist. Am Ende tut man, was die wollen: Man befördert mit der eigenen, augenscheinlich schwächeren Position, die Haltung derjenigen, die man eigentlich bekämpfen will und liefert ihnen weitere Nahrung, das Feuer anzuheizen. Und Leute zum verheizen.

Im Falle von Pippi Langstrumpf hat man z.B. die schwächste aller Möglichkeiten gewählt. Es ist ein Kinderbuch, der „Negerkönig“ hätte eine grandiose Möglichkeit geboten, das Wort in den korrekten Kontext zu setzen, mit einem Vorwort, dass aufzeigt, warum das Wort gewählt wurde und warum es eben rassistisch ist: Weil es rassistisch WAR. Weil die Zeit so war. Weil die Leute „rassistisch“ nicht als Schimpfwort oder schlechte Sache gesehen haben. Weil man genau wußte, dass „der Neger“ den Weißen Leuten unterlegen ist, die alleine durch ihre Hautfarbe eine gottgewollte natürliche Überlegenheit über „den Neger“ besitzen.

Hätte man. Aber man hat sich in grandioser SJW-Manier entschieden, das Wort durch „Südseekönig“ zu ersetzen. Ohne Kontext. Einfach „moderne Übersetzung“. Das ist Geschichtsklitterung und dabei ist noch nie etwas Gutes herausgekommen.

Ich mach mich mal zum Rechten Schweinchen hier: Meine Nichten bekommen von Pippi Langstrumpf die Originalfassung mit dem Negerkönig. Und die kriegen das in den korrekten Kontext gesetzt. Wir REDEN darüber. Die kriegen Bücher nicht einfach nur geliefert. Sondern wir REDEN über den Inhalt. Reflektieren, was hat gefallen, wo liegen evtl. Probleme.

Es ist übrigens erstaunlich, wie wenig Kinder noch von Vorurteilen wissen. „Ich mag den Hussein nicht, weil der immer haut.“ „Ja, aber der hat doch dunkle Haut?“ „Na und? hat der Salman auch, aber der haut nicht. Den mag ich.“ Noch Fragen?

Wir erziehen Kindern diese Vorurteile an und geben sie an die nächste Generation weiter. Wie jetzt bei einem Kinderbuch der Ersatz von Negerkönig in Südseekönig helfen soll, diese Vorurteile zu mindern: Ich weiß es nicht. Oder genauer gesagt: Doch ich weiß es.

Sie tun es nicht.

Und das Zigeunerschnitzel? Tja.

Nach wie vor sind Sinti und Roma massiven Repressionen ausgesetzt. Sie finden keine Arbeit, sie sind in die Armut gedrängt, sie laufen an JEDER Straßenkreuzung vor Wände. Es wird von ihnen erwartet, dass sie sich an Gesetze einer Gesellschaft halten, die sie nicht will, die sie verachtet.

Wen es wundert, dass hier der Familienzusammenhalt und stärker ist als Gesetzestreue, der versteht Menschen nicht. Der Staat kann dich jederzeit im Stich lassen und wird das auch tun. Die Familie ist aber immer für dich da. Also hältst du dich an die Familie.

Das gleiche gilt für Jobs. Wenn jemand eine Arbeit hat, weiß er, dass er sie jederzeit verlieren kann. Wenn auf der Arbeit geklaut wird: Der Zigeuner wars. Feuern. Tschüss.

Die Familie fängt dich dann auf. Wenn die Familie dann Hilfe braucht – z.B. weil irgendwo was getan werden muss, dann geht derjenige hin und tut es, völlig egal, ob er dafür einen Tag auf der Arbeit fehlt. Die ist eh temporär, bei der ersten Gelegenheit fliegt er ja eh. „Der Zigeuner wars“ – völlig egal, welche Gelegenheit.

Und dann regt man sich über ein „Zigeunerschnitzel“ auf, weil das „diskriminierend“ ist?

Sorry Leute, wer hier argumentiert, den kann ich nicht mehr ernst nehmen. Nicht angesichts des massiven Versagens aller, Sinti und Roma entsprechend einzugliedern.

Denn eins lasst euch bitte verdammt noch eins ins Handbuch schreiben. Das gilt auch für die Pennäler von der CSU-Fraktion im Bundestag, und auch für Sie, Herr Seehofer:

Integration ist eine gegenseitige Sache. Integration muss von ALLEN Seiten gewollt sein, wenn sie funktionieren soll. Sie MUSS so gestaltet werden, dass die Leute auch daran glauben, dass sie hier gewollt sind.

Das Gegenteil ist der Fall. Erschwernisse beim Familiennachzug, weil „Überfremdung“. Klar. Wir sind 85 Mio. Leute in Deutschland, da sind 9 Mio. Ausländer ja definitiv ein Problem und sorgen dafür, dass Deutsche demnächst aussterben.

Merkter selber, ja? (P.S.: Ja, es gibt 23% insgesamt mit „Migrationshintergrund“ – hey, schiebt doch noch die Polen aus der Einwanderungswelle in den 1920er Jahren rein, fürs Ruhrgebiet kommt ihr dann auf knapp 80%. ÜBERFREMDUNG!!!)

Veröffentlicht am 4. Mai 2018, in Ärgerliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 4 Kommentare.

  1. Je nachdem, wie weit zurück Du gehen möchtest, habe auch ich, in der Generation meiner Großeltern nämlich, einen Migrationshintergrund.

    Und wenn man das weiterspinnt, ist das „Argument“ Migrationshintergrund einen Scheiß wert.
    Und überhaupt, als es opportun war, wurden Italiener, Spanier, Griechen, Türken nach Deutschland geholt und mit ’nem Mal sind wir überfremdet? Bullshit!

    Diejenigen, die da herumkrakelen, sind die, die fremd sind, die „komisch“ sind, die anders sind. Nämlich zu laut, zu rabiat, zu beknackt, nicht klug!

    Viele von diesen, die herumkrakelen, nennen sich christlich, handeln aber nicht ansatzweise im Sinne der christlichen Lehre, sondern eher im Sinne eine pseudo-christliche Leere.

    Nicht schauen, dass man mehr hat als der Nachbar, sondern ob der Nachbar genug hat, das soll man tun, das wäre christlich, aber das wird vielen schon von kleinauf abgewöhnt.

    Aber Kreuze in Behörden aufhängen wollen…

    Ich kann nicht soviel essen, wie ich kotzen möchte.

  2. Was mit bei der Südseekönig-Geschichte auch immer die Zehennägel hochdreht ist, dass da der (zu Recht) als rassistisch gebrandmarkte Begriff des Negerkönigs angegangen wird, aber beim Südseekönig keiner mit der Wimper zuckt. Die gesamte Kolonialgeschichte Europas mit ihrem umfassenden Rattenschwanz an Problemen interessiert dann wieder nicht. Ist ja kein Negerkönig mehr. Seufz.

    • Das kommt ja noch erschwerend hinzu, ja. Die Kolonialgeschichte fällt völlig hintenrüber und meine Fresse, da sind ein paar richtig üble Geschichten, die man unter den Teppich gekehrt hat. Sind halt „nur“ Afrikaner.
      Die Frankfurter Rundschau hatte nen großartigen Kommentar gerade zu afrikanischen Flüchtlingen hier:

      http://www.fr.de/politik/meinung/kommentare/vereitelte-abschiebung-in-ellwangen-fluechtlinge-haben-zu-kuschen-a-1499051

    • Da stimme ich zu.

      Wobei ich mich frage, ob ein „Negerkönig“ nicht eher in Afrika, als in der Südsee zu verorten wäre.

      Kennt einer von Euch das Lied, wo es immer heißt „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ Ich habe mir als Junge von 6 oder 7 Jahren immer einen schwarz gekleideten Mann vorgestellt, so einen fiesen, der son bisschen müffelt und gemein aussieht. Viel später erst wurde ich gewahr, dass damit druchaus kein Bleichgesicht gemeint war. Solche Lieder haben wir damals™ vor 40 Jahren noch in der Schule gesungen. In Deutschland. West.

      Und wenn man sich dann einige Jahre später, im Gymnasium, vom Deutschlehrer, anhören muss, die Deutschen hätten in ihren Kolonien, die ja auch eigentlich gar keine Kolonien waren, den Eingeborenen ja nur gutes gebracht, weil die waren ja unterentwickelt und haben gelebt wie unsere Vorfahren vor 1000 Jahren und überhaupt ging denen das ja viel besser unter deutscher Aufsicht.

      Und dann die Geschichte mit dem Kongo, insbesondere Kongo Leopoldville/Belgisch Kongo, die wurde selbst im Geschichtsleistungskurs anno 1987 nur angerissen, dabei war das das, was passiert, wenn Leute keine Strafe zu fürchten haben, wenn sie Scheiße bauen, ein Paradebeispiel für das was passiert, wenn Profit maximiert werden soll.

      Ich persönlich bezweifle stark, dass es den Menschen in Afrika heute schlechter ginge, wenn die Europäer sich aus diesem Kontinent rausgehalten hätten.

      Und sicherlich ist das, was Spanier, Portugiesen, Holländer, Engländer, Franzosen, USA usw. in der Welt abgerichtet haben, nicht besser. Wer weiß, vielleicht wäre dies Welt heute friedlicher, was ich angesichts der Ereignisse nicht glaube; aber zumindest wäre sie anders.

      Aber darüber liest man sehr selten etwas in den Medien, wenn überhaupt gibt es unten auf der Seite einen kleinen Verweis auf die Geschichte der im Artikel besprochenen Region, nicht dass der Leser, der vieleicht auch nur die normale Schulbildung besitzt, noch dahinterkäme, warum es im nahen Osten soviel Rabatz gibt oder warum die Chinesen die Japaner nicht sonderlich mögen, um nur zwei Beispiele zu nennen.

      Ganz ehrlich, da lobe ich mir den „Negerkönig“, der zeigt wenigstens die Ansicht der Europäer, zu der Zeit der Entstehung des Buches, auf, was Afrikaner oder Südseebewohner anbelangt. Und ob diese Sicht heute eine andere ist, wage ich zu bezweifeln, nach dem zu urteilen, was momentan so passiert.

      Auch heute hört man allenthalben Begriffe, die ich für nicht gelungen erachte, wie z.B. „Entwicklungsland“ oder „Schwellenland“; Entwicklung, Schwelle wohin? Und warum in diese Richtung und nicht in eine andere? Und wie sehen die Einwohner der betreffenden Länder das Ganze? Wie fühlt man sich, wenn man von sogen. Geberländern drangsaliert wird, man möge doch Märkte öffnen oder ähnliches?

      Und wer sagt, dass der europäische, der „westlicher“ Weg, der richtige ist? Auch hier sind, meiner Meinung nach, mehr als nur geringe Zweifel angebracht.

      PS: Nein, Sozialismus ist auch nicht der richtige Weg – der trägt lediglich eine andere Form des Kapitalismus Huckepack.

warf folgenden Kuchen auf den Teller