Spaß für den ganzen Tag


Ich prokrastiniere. Ich gebe es zu. Aber dieser Derailing-Artikel ist, von dem Schnitzer mit der Beschneidung mal abgesehen, eine echte Fundgrube. Echt jetzt.

Beispiele gefällig?

Das Derailing der Alice Schwarzer zum Beispiel wird mit der groben Kelle aufgezeigt:

Ich glaube nicht, dass du so marginalisiert bist, wie du behauptest.

Diese Taktik ist verwandt mit “Deine Erfahrung ist nicht repräsentativ”, ist aber die viel schmerzhaftere und damit effektivere Waffe.

Wenn die Marginalisierte Person™ im Gespräch Aufwind bekommt und anfängt, andere von ihrer Position zu überzeugen oder gar ein paar Privilegierte Personen® dazu bringt, sich zu entschuldigen oder ihre “Fehler” einzugestehen, ist es Zeit, diese Bombe platzen zu lassen: Stell ihren marginalisierten™ Status in Frage. …

Es ist auch toll, diese Taktik zu benutzen, wenn Sex Worker behaupten, Sexarbeit könne eine positive und bestärkende Wahl sein oder, dass das Problem nicht die Arbeit sei, sondern das damit verbundene Stigma. Dann musst du unbedingt sagen, dass diese Person offensichtlich sehr Privilegiert® ist, weil „echte“ Sex Worker immer degradiert werden, ihre Jobs hassen und sie dazu gezwungen werden

Wumm. Alice Schwarzer versenkt. Und zwar Titanic-like, Kollision mit Eisberg seitwärts. Tanker abgesoffen.

Welche Erkenntnisse habe ich also gewonnen?

Ich diskutiere weiter. Aber dieser Artikel sensibilisiert für bestimmte Diskussionsarten, die ich auch schon genutzt habe, manchmal bewußt, einfach, weil ich es kann. Meistens unbewußt, weil es ein probates Mittel ist, eine Diskussion zu gewinnen.

Das geht mit Derailing so verdammt schnell und sehr leicht, weil man so jedes Argument verdrehen, Verantwortung weg- und dem Diskussionspartner zuschieben kann.

Gerade wenn man in den Bereichen Sozialpolitik, Asylpolitik, Überwachung diskutiert, trifft man innerhalb von sekundenschnelle auf diese Derailingtaktiken, die oft mit „gesundem Menschenverstand“ verbrämt werden. Nimmt man die Argumente auseinander und läßt nicht zu, dass der andere sich so leicht aus der Verantwortung stiehlt, reagieren die Leute sauer und dann knallts.

Einer, der das Anti-Derailing verdammt gut beherrscht, ist zum Beispiel Torsten Dewi. Der hat mich schon ein paar mal richtig übel auf dem falschen Fuß erwischt. Hat auch Vorteile – konnte ich meine Positionen mal hinterfragen. Muss mir ja nicht immer gefallen *g*

Zoonpolitikon ist der zweite der das sehr gut kann.

Wenn die Leute das wissen, von dieser Art Argumente, die ja eigentlich keine sind, absehen und dir notfalls auch mal sagen: „Äh, watt?“ – dann kommen da wirklich gute Sachen bei rum. Man muss den anderen nur respektieren, seine Ansichten aber nicht zwingend teilen.

Es gibt viele Leute, die mit mir nicht einer Meinung sind – solange sie vernünftig diskutieren und nicht versuchen, mich in eine Ecke zu schieben, ist das alles in Ordnung. Notfalls einigt man sich auf die alte Formel: „Es ist alles gesagt, sind wir uns einig, das wir uns uneinig sind?“

Allerdings kann das Derailing-Argument auch sehr schnell zu einem Killerargument werden. Denn nicht immer ist sehr klar, wer marginalisiert und wer privilegiert ist. Und nicht jeder Marginalisierte ist es in jedem Aspekt seines Lebens – es mag Aspekte geben, wo er zu den Privilegierten gehört.

Und hier wird es schwierig mit der Abgrenzung. Wenn ein Schwarzer über Rassismus diskutiert, ist er marginalisiert. Ein schwarzer Universitätsprofessor aber, der über Armut diskutiert, ist das nicht mehr, kann aber über entsprechende Erfahrungen verfügen, die ich niemals machen konnte.

Wie immer gilt: Es gibt keine Schablonen, denn Menschen sind keine Abziehbilder. Es gibt keine rote Schnur an der man sich entlanghangeln muss. Eine Diskussion ist immer ein Meinungsaustausch. Und eine Diskussion steht und fällt mit der Qualität der Diskutanten und dem Respekt, den sie füreinander empfinden. Das Bildungsniveau halte ich an der Stelle fürnicht unwichtig, aber wirklich eher zweitrangig.

Sind diese Rahmenbedingungen nicht gegeben, kann eine Diskussion nichts werden. Dann hat man die typische Heise-Foren-Diskussion, wo jeder auf jeden einprügelt und alle sich gegenseitig der Dummheit bezichtigen und der Dritte hingeht und „nä nä nä ihr Derailer“ ruft.

Als Kindergarten statt Diskussion.

Übrigens hab ich ne neue Deutung für AfD gefunden: Alte Naive fürs Derailen. Denn guckt euch mal den Artikel sorgfältig durch – das ist eigentlich das Parteiprogramm der AfD 😀

Veröffentlicht am 8. Dezember 2013, in Nachdenkliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.

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