Der Doktor weiß es besser


Wer hier länger mitliest, weiß, dass eins meiner Themen die ungerechtfertigte rumschnitzerei an Kindergenitalien ist. Und dass es mir hupe ist, ob es Jungs oder Mädchen sind. Messer gehören da nicht hin. Zu keiner Zeit.

Was aber über all dem ein wenig untergeht, ist die Tatsache, dass „Geschlechtsangleichende“ Operationen bei Säuglingen im Alter zwischen 5 und 6 Monaten an manchen Krankenhäusern durchaus normal sind. Klitoris zu groß? Kein Problem, das ist ein Intersex-Kind, wir machen eine Klitorisreduktion und dann sieht sie völlig normal aus. Ein paar Hormone machen den Rest.

Was aber zum Beispiel nicht gesagt wird, ist, dass auch Vaginalplastiken in dem Alter eingesetzt werden. Und dass die Klitorisreduktion zu massiven Empfindungseinbußen bis hin zu völliger Unfähigkeit, beim Sex noch Spaß zu empfinden, führt. Das ist dann in etwa so taub wie beim beschnittenen Mann (jaha, ich weiß, es gibt hier Männer, die sehen das nicht so).

Problematisch ist dabei aber nicht nur das rumschnitzen an den Babygenitalien an sich, sondern durchaus auch noch die „Folgeuntersuchungen“ die eher an eine Art medizinischer Vergewaltigung erinnern: Im Alter von 3 Monaten wird der Säugling in Vollnarkose gelegt und dann vaginal untersucht.

Nach erfolgter Operation wird im Alter von 6 Jahren das Kind erneut in Vollnarkose gelegt und ein Penetrationstest der Vagina durchgeführt.

Medizinisch gerechtfertigt ist davon nichts. Das sind reine kosmetische Operationen an Genitalien, die nach Ansicht des Chirurgen nicht „normgerecht“ sind. Die Penetrationstests sollten den Vergewaltigungstatbestand bzw. den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs minderjähriger erfüllen.

Tatsächlich ist es in Deutschland aber so, dass nicht nur diese Tests sondern auch die Operationen tatsächlich die einzigen FGM-Techniken sind, die an Mädchen erlaubt sind.

Nochmal: Es finden gerade in dem genannten Krankenhaus routinemäßige Untersuchungen auf die „Norm“ der Babygenitalien gerade geborener Säuglinge statt. Die Eltern der Mädchen, die das Unglück haben, keine „normierten“ Genitalien zu haben, werden mit Fear-Mongering (das übliche: „wird in der Schule ausgelacht“, „kann schwerwiegende medizinische Folgen haben“…. die gesamte Palette der Jungenbeschneidungsargumente) in die Zustimmung zur Klitoridektomie getrieben, möglicherweise mit Vaginalplastik, wenn die zu groß geratene Vagina eher ein zu klein geratener Penis ist.

Dass es in Deutschland jetzt möglich ist, offiziell das Geschlecht blank zu lassen, wenn es nicht eindeutig bestimmbar ist, ficht die Ärzte gerade in dieser Klinik nicht an. Sie operieren – und machen sich zudem über die Opfer ihrer Operationstechniken lustig.

Wie weit gerade das im Bericht genannte Krankenhaus hinter dem aktuellen medizinischen Stand liegt, sieht man ziemlich gut, wenn man sieht, dass die nach einer Operationsmethode von 1983 operieren, die in mehr als einer Hinsicht inzwischen überholt ist.

FGM, MGM, Zwangsoperationen an Intersex-Säuglingen (oder was immer man für Intersex hält, wer legt eigentlich das „Normgeschlecht“ fest?) – all das sind Ausdruck einer Chirurgie, die auf Teufel komm raus der Natur ins Handwerk pfuschen will, einfach, weil sie es kann und weil Säuglinge nicht in der Lage sind, sich gegen diese Übergriffe zu wehren.

Könnten wir bitte alle mal aufhören, Kinder zurechtzuschnitzen? Könnten wir bitte alle mal aufhören, zu glauben, dass nur operierte Genitalien „schöner“ sind? Oder das Genitalien in irgendeine Schablone passen müssen, um „funktionsfähig“ oder „geschlechtsbezogen“ zu sein?

Könnten wir bitte jetzt mal eine Generation heranwachsen lassen, die NICHT durch Traumatisierungen gehen musste, weil irgendwer meinte, er hätte das Recht dazu, das dem Kind anzutun?

Danke.

Veröffentlicht am 14. Januar 2014, in Wütendes. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 15 Kommentare.

  1. Wieso regst du dich darüber auf?
    Das passt doch perfekt zu dem, was den Kindern später im Kindergarten, der Schule, der Universität und im Fernsehen begebracht wird: Immer schon anpassen, nicht aufmucken und „normgerecht“ sein.
    SARKASMUSOFF

  2. An sich sollten doch auch angleichende Ops verboten sein oder? Ich meine mich zu errinnern das „Schönheits“-operationen bei minderjährigen verboten worden sind und darunter könnte man die angleichenden Ops vielleicht zählen.

    Wahrscheinlich seh ich das mal wieder viel zu einfach.

    Zumal viele der Intersex/Herms Menschen auch gut über die Runden kommen und ggf. nur Hormone nehmen um das Gleichgewicht zu wahren bzw. sich auch später selbst für ihr Wunschgeschlecht entscheiden könnten.

    • Nein, diese Operationen sind nicht verboten, wenn die Eltern zustimmen. Und gerade die Klinik ist wohl bekannt dafür, dass sie die Eltern da gezielt einschüchtert, wenn die Genitalien nicht so sind, wie sie sie als „Norm“ festgelegt haben.

      Und ja, nicht operierte Intersexmenschen kommen sehr gut zurecht. Man muss da nicht zwingend rumoperieren.

  3. ein anderer Stefan

    Ich halte es für sehr gut möglich, dass Kinder und Jugendliche, die körperlich von der mediengeprägten „Norm“ des Aussehens abweichen, gehänselt werden – das erleben Dicke, Brillenträger, Kleine tagtäglich. Es reicht ja mitunter schon, nicht schön oder etwas tolpatschig zu sein. Und? Wird an denen auch rumgebastelt, damit sie eine Norm erfüllen? Eher nicht. Überhaupt, wenn es um das Aussehen im Genitalbereich geht – ich erinnere mich daran, dass man den höchstens mal bei der Umkleide im Schwimmunterricht gesehen hat. Ausgerechnet da auf ein „normales“ Aussehen abzustellen, ist geradezu bizarr, als ob die Kinder und Jugendlichen jeden Tag nackt durch die Schule liefen.
    Jegliche nicht notwendige OP, zumal bei Kindern, hat zu unterbleiben. Das ist nur eine brutale Form der Herrschaftsausübung, mit der fehlgeleitete Mediziner ihre Allmacht und ihr vermeintliches Recht, über das Leben anderer Menschen zu bestimmen, demonstrieren. So ganz weit weg von NS-Rassentheorien ist das leider nicht, wenn ich einem Menschen operativ eine bestimmte Aussehensnorm aufzwinge.

    • Das sehe ich ähnlich. Selbst das AGR, um das es in dem Krankenhaus wohl auch geht, muss nicht operativ mit einer Neovagina beseitigt werden. Vor allem nicht im Säuglingsalter. Inzidenz ist mit einem Fall unter 5000 Geburten jetzt auch nicht SO hoch.

      http://de.wikipedia.org/wiki/Adrenogenitales_Syndrom

      Hormongaben reichen hier und sind auch medizinisch indiziert. Die Neovagina ist ein echt fieser Eingriff, bei dem das „Grübchen“ eine Woche lang mit einem Steckgliedphantom gedehnt wird und wo man dann bis zur völligen Abheilung einen Phantompenis tragen muss.
      http://de.wikipedia.org/wiki/Neovagina

      Sinn und Zweck ist ausschließlich die Ermöglichung des Geschlechtsverkehrs – Fortpflanzung kannste damit nicht betreiben. Und DAS muss man Säuglingen doch echt nicht zumuten?

      Zumal ich es mir schwierig vorstelle, bei Säuglingen eine dauerhafte Betäubung via Rückenmarksanästhesie zu erreichen. Das ist wieder das klassische „die sind so klein, die brüllen zwar, aber erinnern sich dann später nicht mehr dran“-Haltung die ich zutiefst verabscheue.

      Mit dem gleichen Gedankengang könnte man doch eine Vergewaltigung unter K.-O.-Tropfen legalisieren – schließlich erinnert sich das Opfer an nix. Kein Schaden entstanden, hm?

  4. Also das ist ja nun mal wirklich widerlich.

    Ein paar Eltern werden so eine Geburt auch wie einen Einkauf behandeln, „Ich will das perfekte Baby und nach 2 Reparaturversuchen gehts an den Hersteller zurück“.

    • Pech nur, dass der Hersteller dann doch die eigene Adresse ist 😛
      Aber letzten Endes hab ich durchaus den Eindruck, der Trend geht dahin, wenn ich höre, dass Eltern behinderter Kinder angefeindet werden, wie sie sich „sowas nur antun“ konnten. Oder dem Kind. Erst vor Kurzem passiert und ich dachte, ich hör nicht richtig.

      • ein anderer Stefan

        Wundert mich nicht, dass solche Ansagen kommen – „dank“ unserer Medizin werden solche „Fehler“ ja immer früher und immer präziser bestimmt. Damit wächst in manchen Köpfen die Vorstellung vom perfekten Kind, und davon, dass Kinder mit „Fehlern“ gleich gar nicht erst ausgetragen werden – Euthanasie durch sozialen Druck, denn wer will schon ein Kind in der Gesellschaft haben, dass nur kostet und nichts einbringt, und die Eltern womöglich davon abhält, selber produktiver zu sein. Wir kommen schon noch dahin, dass Kinder nach Wunsch gezüchtet werden. Dann wird man auch endlich diese lästigen Abweichungen wie Homosexualität und nicht eindeutige Geschlechter los. Und wenn wir erst die „Flucht ins 21. Jahrhundert“ umsetzen, müssen wir uns auch um die Renten keine Sorgen mehr machen.

        • Wenn es so weiter geht, dann sind wir sogar noch einen Schritt weiter, als die Herrschaften es im „dritten Reich“ je waren: sogenanntes lebensunwertes Leben auszurotten, hier schon vor der Geburt (sind wir gar schon dort angelangt?)

          Mal abgesehen davon, dass auch körperlich oder geistig behinderte Menschen (oder wie immer da auch der Neusprech-Politisch-Korrekte-Ausdruck lautet) ein erfülltes Leben haben können (mal ehrlich: Wie viele Leute kennt ihr, die eines haben oder wieviele, die keines haben? ;)), sorgen sie dafür, dass viele Menschen Arbeit haben, z.B. in Behindertenwerkstätten u.ä.

          Aber ich stelle nicht nur an dieser Stelle, in dieser Sache fest, dass es Konzernen und Regierungen nicht mehr um Menschen geht, sondern nur noch um Profit, um kurzfristigen, maximalen Profit, koste es was es wolle. Und alle, die es sich leisten können, machen, von der derzeitigen Medienlandschaft geprägt, gar indoktriniert, mit.

          • ein anderer Stefan

            Zu Joyntsofts letztem Absatz:
            http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/swr/13012013-story-im-ersten-geld-regiert-die-welt-100.html
            Sehenswert! Da wird einem schwindlig, wenn man mal so hört, um was für Summen es da geht und wie die Netzwerke funktionieren. Auch die Auswirkungen noch im letzten Dorf sind anschaulich illustriert.

          • Intersexualität ist erstmal kein Fehler da sie ein „Normales“ Leben ermöglicht.

            *rant on*

            erstens:

            Einen Schwangerschaftsabbruch jetzt mit Euthanasie gleichzusetzen … find ich immer wieder toll.
            Der relativ undifferenzierte Zellhaufen wird gleichgesetzt mit dem Gefühls und Leidensfähigen Menschen.
            Deswegen existiert doch auch die Fristenlösung, wenn es mehr als ein Zellhaufen ist ist die Abtreibung nur unter wenigsten Umständen möglich.

            Weiterhin muss man sehen das legale Abtreibung mehr Leben rettet als „vernichtet“ (ebenso wie gute Aufklärung und (kostenlose!) Verhütung). Eine Frau die Abtreiben will/muss warum auch immer wird das tun. Abtreibungen Illigal zu machen führt nur dazu das unsichere Methoden verwendet werden – Engelsmacherinnen sind keine ausgebildeten Ärzte. Das hat zur Folge das viele Frauen an diesen Methoden schaden nehmen oder gar Sterben. Ein durch unsachgemäße Abtreibung vernarbter Uterus wird auch keine Kinder mehr tragen können auch wenn sich die Frau später für Kinder entscheidet (siehe Teen-Schwangerschaten). Zum anderen erspart es viel Leid. Wem nützt es wenn Mutter und Kind auf der Straße verhungern z.b. weil die Mutter keine Arbeit wegen des Kindes findet? Die ganzen „Abtreibungen sind Mord“ Nasen sind immer ganz doll am rumschreien aber wenn es darum geht Müttern zu Helfen z.B. mit Geld, viel besserer Sozialer Sicherung etc. dann höre ich oft nur das Tumbleweed vorbeirollen. Wir leben leider nicht im Utopia mit gutem BGE sowie Krippen, Kita und Hortplätzen für jedes Kind.

            Zweitens:

            Was ist eigentlich schlimm daran das wenn Fehler die das Leben schwer beeinträchtigen im Mutterleib korrigiert werden, via Gentherapie, Medikamenten oder Operation? Als Elternteil würde ich mich um das Wohlergehen meines Kindes sorgen. Allergien, Missbildungen, Krankheiten könnten, Forschung und Willen vorausgesetzt, alle behandelt werden ohne das jemanden geschadet wird.

            Es mag zwar Bescheuert klingen aber eine Geschlechtsanpassung oder Krankheitsbehandlung noch im Mutterleib via Gentherapie (Wenn es möglich wäre) würde genau nichts ändern für die Person die geboren wird.
            Im Grunde sind wären es zwei verschiedene Menschen (der „natürliche“ und der „Behandelte“), aber jeder dieser Menschen hätte das gleiche Recht zu existieren und keinem wäre ein absehbarer (folge) Schaden entstanden.

            Es ist natürlich ein frage der Ethik und Ansichten (auch der ELTERN) wo Grenzen gezogen werden müssen.

            Ich zum Bleistift wäre froh wenn ich und mein Freund irgendwann mal Kinder haben könnten gerade auch wenn das kleine Intersexuell wird.

            Das müsste sogar ein Designer Baby sein da wir beide Männlich sind. *schulterzucks*. An sich ist mir auch egal ob jetzt das nächste Paar ihrem Kind doch lieber Blonde Haare und eine Katzenschwanz gibt oder ein anderes die Gene für einen Sportler bekommt. Wichtig ist doch das sie als Familie glücklich sind. Alles andere sind mehr oder Weniger Gesellschaftliche Probleme die separat Adressiert gehören.
            Zum Beispiel warum sollte man nicht die Intelligenz des Kindes erhöhen wenn es heute eh Gang und gebe ist Leistungsförderende Mittel (z.B. Ritalin) zu schlucken?

            2.5tens

            Das Kinder mit geistigen Behinderungen glücklich und erfüllend sein können bestreitet Niemand.
            Das ist ein reines Nicht-argument. Es steht keiner mit dem Gewehr am Bett und erschießt diese Kinder.
            Die Eltern dieser bereits existierenden Kinder können und dürfen glücklich sein! (Ich freue mich über jede Familie die gut mit der Behinderung umgeht und die den Nachwuchs als Segen empfindet.)

            Der Nazivergleich ist auch Schwachsinn. Hier handelt sich es um ZWANG durch Dritte.

            Wenn werdende Eltern das Risiko oder/und den Aufwand scheuen (ein eventuell behindertes) Kind zu haben ist allein deren Entscheidung. Sträflich wird es erst wenn sie gezwungen werden diese Entscheidung in die eine oder andere Richtung zu lenken. Was die Eltern statt Polemik und Bullshitbingo brauchen ist Bildung und das Ethische Rüstzeug um zu entscheiden ob sie ein (Behindertes) Kind in die Welt setzen wollen trotz der Risiken und Einschränkungen für sie und das Kind.
            Da mag dann auch das „Behinderte sind auch Glücklich“ Argument einen Sinn haben. Als bevormundendes Totschalgargument ist es aber herzlich Sinnfrei.

            *rant off*

    • Jepp. Vor allem der Kontext ist verstörend – das wird als positiv dargestellt, als etwas, worauf das Kind sich unbändig freut. Weil gibt Geschenke und so.

      Und nicht als etwas, was einen Eingriff in die Unversehrtheit des Körpers darstellt.

      Gebührengelder bei der Arbeit….

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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