Humboldt mit dem Kantholz


Nein, es waren nicht die Femen *g*

Aber „schöner“ wird der Philosophie-Fall auf der Humboldt-Universität auch nicht mehr. Ich hatte da ein Vögelchen und ich zwitschere mit eigenen Worten mal weiter, was es mir geträllert hat. 😉

Alles fing heute hiermit an. Das, was ich bislang an Hintergrund-Infos rausziehen konnte, war schon einiges, wenn auch zugegebenermaßen nicht alles.

Es geht um Erziehungswissenschaften. Lehrer. Die haben eine ziemlich stramme Studienzeit, wenn sie die Förderung nicht teuer bezahlen wollen. Die Module sind aufeinander aufgebaut. In den Vorlesungen wird das Wissen vermittelt, in Tutorien und Seminaren vertieft und diskutiert UND kritisch hinterfragt.

/edit: Und, unter uns Klosterschwestern – es ist die Humboldt-Universität in Berlin. Da WIRD sowas kritisch hinterfragt. Das ist eine der besten Unis, die wir in DE haben.

Es ging um Erstsemester, die aber – erstaunlicherweise – organisiert waren. Es liegt also der Verdacht nahe, dass dort auch einige Studienwechsler, Neuanfänger und Leute, die vorher eine Berufsausbildung gemacht haben, beteiligt sind.

Die fragliche Vorlesung sollte basistheoretische Fakten vermitteln. Diese stellen die Grundbausteine des weiteren Studiums dar. Ohne die Vorlesung bzw. das Wissen daraus kann man sich mehr oder weniger den Rest des Studiums klemmen oder aber man hat es sehr viel schwerer.

Unter anderem geht es auch um die Erziehungstheorien von Immanuel Kant. Der war ein recht kluger Kopf, aber seine Lehren muss man unbedingt im zeitlichen Kontext des 18. Jahrhunderts sehen *und* kritisch hinterfragen. Vieles von dem, was Kant gesagt hat, gilt auch noch heute, vieles aber auch eben nicht mehr. So zum Beispiel sein doch durchaus patriarchalischer Umgang mit Frauen. Oder aber die Meinung, dass „der Neger“ noch nicht „reif“ für die Selbstverwaltung ist. Das ist sexistisch, es ist rassistisch, aber damals war das eben die herrschende Meinung.

Dennoch hat Kant einige wichtige Theorien formuliert, die auch heute noch gültig sind – teilweise mehr denn je, Stichwort „Erkenntnistheorie„.

Erziehungswissenschaften basieren auch auf dieser Theorie. Und sie zu verstehen, sie anzuwenden und auch ihre Nachteile zu kennen, ist für Erzieher wichtig, dafür brauchts jetzt nicht wirklich Raketentechnik. Der Wandel der moralischen Indikatoren, der es uns ermöglicht, Kants Rassismus zu erkennen, ist auch ein erkenntnistheoretischer. Zumindest, soweit ich das verstanden habe. Kant hat sich also mit seiner Theorie selbst…nicht widerlegt, sondern moralisch ins Abseits gestellt.

Es geht also um Erstsemester. Die 15 Studenten, die Kant nicht lernen wollen, weil sie ihn für sexistisch halten, haben jegliche Erklärungsversuche des vorlesenden Professors konsequent unterbrochen. Das war für sie nicht diskutabel. Nochmal: Es geht um Erstsemester, die vom Stoff soviel Ahnung haben wie eine Kuh vom Fahrrad fahren, die keine Ahnung haben, wo der Professor hinwill, dessen Bausteine erst im Laufe des Studiums an den jeweiligen Platz fallen.

Es wurde innerhalb der Vorlesung versucht, zu diskutieren. Immer und immer wieder mit einer unglaublichen Penetranz. Hinweise, dass man das doch innerhalb der Seminare bzw. Tutorien hinterfragen kann, wurden ignoriert.

Dennoch wurde das natürlich trotzdem in den Seminaren weiter diskutiert. Dort war auch der einzige Platz, weil man sonst den Stoff, den man vermitteln muss, in den Vorlesungen nicht untegebracht bekommt. Und es wurde so breit und ausufernd diskutiert, dass damit im Grunde genommen die gesamte Vorlesung von 15 Studenten, die nicht mal alle an der Vorlesung teilgenommen haben, für die 100 echten Studenten kaputtgemacht wurde. Eskaliert ist das dann, als die Klausur besprochen werden sollte und der studentische Verein, die „Gruppe gegen Intoleranz“, systematisch JEDE Äußerung des Professors mit lautstarkem Applaus unterbunden hatte, ihn auslachte und die gesamte Vorlesung systematisch störte.

Einer der Studenten, der seine Felle (zu Recht) wegschwimmen sah, hat dann die Polizei gerufen, die die Gruppe dann aus dem Hörsaal gewaltfrei entfernte. Das Pamphlet der Referent_Innen ist dann wohl von einem Mitglied dieser Gruppe als Pressemitteilung veröffentlicht worden.

So nebenbei gesagt hat diese Gruppe, um „ein Zeichen zu setzen“, auch noch ein Bild eines Biologie-Professors aus den 30ern entführt.

Und ich dachte immer, Linke seien schlau. Okay, so kann man sich täuschen. Aber das _I passt ja dazu. Korrektur: Linksradikale sind genauso blöd wie Rechtsradikale.

Aber das ganze ist nicht nur schlechtes Benehmen. Da hat eine Gruppe hemmungslos einen Professor gemobbt, hat hemmungslos die Mitstudenten ganz tief in den Dreck geritten und sieht sich jetzt auch noch als Märtyrer einer übergreifenden Staatsmacht.

Was sich hier offenbart, ist Radikalismus, mit dem ich nichts anfangen kann. Es geht in einer Universität darum, Wissen zu erwerben. Dieses Wissen kann man ja durchaus kritisch hinterfragen.

Es geht beim Wissenserwerb nicht nur darum, dass man nur das Wissen erwirbt, was einem genehm ist oder das ins Weltbild passt. Es geht auch nicht darum, dass man als Lernender bestimmt, WELCHES Wissen es wert ist, weitergegeben zu werden. Doch genau das haben diese Studenten hier vor allem in grandioser Unkenntnis des Studienganges getan. Sie werden das Studium voraussichtlich nicht zuende führen können – im ersten Semester nicht nur das eigene Studium versenst, sondern das aller Mitstudenten auch, das kann nicht jeder von sich behaupten.

Wissen ist frei. Es soll an der Universität frei gelehrt werden. Wenn jemandem das Wissen, das dort gelehrt wird, nicht gefällt, steht es ihm frei, die Universität zu wechseln. Aber ein derartiges Verhalten ist unprofessionell, kindisch, dumm und unwissenschaftlich. Und dass sie das an der Humboldt-Universität tun, die nach einem der ganz großen Gelehrten seiner Zeit benannt wurde, ist doppelt unwürdig.

Und dass sich diese Chaotentruppe jetzt noch als Opfer darstellt, die wegen ihres Einsatzes gegen Rassismus gemobbt werden, setzt dem ganzen die Krone auf. Das ist die klassische Täter-/Opfer-Umkehr. Und sorry – in dem Fall fällt hoffentlich niemand darauf rein.

Wie kann es eigentlich sein, dass 15 unreife und kindische Erstsemester da einen ganzen Kurs mobben und die Uni nimmt den Professor vom Lehrplan? Was macht denn bitte das Dekanat da?

Korrektur: Der Kurs ist zuende und deshalb vom Lehrplan runter, was wohl auch eine Schutzmaßnahme seitens des Dekanats darstellt, weil die Studenten auch das Moodle geflutet haben. Die Klausur kann trotzdem geschrieben werden – das hängt vom Professor ab. Ich würde mich an seiner Stelle zumindest weigern, die 15 schreiben zu lassen.

Statt dessen sollte mal ernsthaft über eine Exmatrikulation dieser Chaotentruppe nachgedacht werden. Denn wenn es einen Bereich gibt, wo ich die nicht sehen will, ist das:

Als Lehrer oder Erzieher.

Veröffentlicht am 13. Februar 2014, in Doofes. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 9 Kommentare.

  1. ein anderer Stefan

    Ganz Deiner Meinung. Es gehört geradezu zur Pflicht einer Universität, den aktuellen Stand des jeweiligen Fachs kritisch zu hinterfragen. Kritisches Denken ist das, worum es auf einer Uni gehen sollte – aber dazu muss man sich mit den Inhalten auseinandersetzen und sie nicht pauschal ablehnen.

    Man wird wahrscheinlich bei fast allen Wissenschaftlern der Vergangenheit Aussagen finden, die wir heute nicht mehr akzeptieren – und das wird den Leuten in 50 Jahren mit den heutigen Wissenschaftlern auch so gehen. Und da gehört es zur Analyse eines Themengebietes, die historischen Grundlagen des Faches anzuschauen und zu sehen, inwieweit diese durch darin enthaltene Vorurteile etc. entweder entwertet – also letztlich unwissenschaftlich – sind oder ob die Grundlagen immer noch gültig sind, man das aber von anderen Aussagen (wie bei Kant Rassismus und Sexismus) des Urhebers trennen muss.

    Alles andere ist ungefähr so sinnvoll wie der Mann, der sich die Augen ausstach, damit er keine Sünden mehr sehen musste. Extreme Ideologien sind religiösem Fanatismus da sehr ähnlich, und die Protagonisten sind Argumenten nicht mehr zugänglich. Wenn eine Verfehlung den Rauswurf aus der Uni rechtfertigt, dann doch wohl die Behinderung der Lehre und Forschung. Und das haben diese Knallchargen wohl geschafft.

  2. Zu viele Sachen über die 68er gesehen/gelesen und dabei zuviel nicht/falsch verstanden.

  3. Du schreibst,

    Und ich dachte immer, Linke seien schlau.

    Vermutest du, dass sie „links“ sind? Wenn ja, wieso? Oder hat sich dieses Trüppchen von Kampf-Emanzen selbst so kategorisiert?

    (Natürlich, Vollpfosten gibts in allen Farben, auch unter den Linken, will ich nicht bestreiten.)

    • Die haben sich selbst als „links“ bezeichnet. Und, äh, mit Verlaub, aber wenn du „rechts-konservativ“ bist, studierst du nicht an der Humboldt-Universität – das könnte dien Weltbild nachhaltig erschüttern.

      Ich glaube, das dürfte auch einer der Gründe sein, warum die so hohl drehten. Die Humboldt-Universität ist eher nicht bekannt für ihre konservative Ausrichtung.

      Aber nichtsdestotrotz gilt: Wer Wissen verhindert und das auf die Art, hat an der Universität nichts zu suchen.

  4. ein anderer Stefan

    Links war hier sicher nicht parteipolitisch gemeint, aber das ist denke ich klar. Die Gruppe wird von der einen Studentin als „radikal, dogmatisch“ bezeichnet. Das und die Gesamtbeschreibung hat sicher den Reflex ausgelöst, die Gruppe als links einzuordnen. Gender Studies sind wohl nicht automatisch als links zu betrachten, allerdings sind m.E. Überschneidungen hinsichtlich Inhalt und Form zu beobachten, so dass die Zuordnung zu links(extremen) Gruppierungen naheliegt.

    • Die extremen beider spektren überholen sich (leider) in ihrer Dogmatie und Dummheit… Rechts außen die Linken links und die Linken außen die Rechten rechts…

      Ich habe immer das Problem, einen Kollegen vor der Polemik gegen die Links-autonomen zu bewahren – und gegen die Indoktrination von der rechten Retorik… Nahe der Mitte zu stehen und seinen Verstand zu benutzen ist manchmal schwierig bis scheiße… :

      Mein Mitgefühl gilt vor allem dem Prof und den Studenten, die hier den Scheiß nun auslöffeln müssen…

  5. Dieser Post ist bis gerade ganz an mir vorbei gegangen – wobei ich an Hand des Datums auch weiß, warum.. 😉

    Sollte mal von einem Unimitarbeiter berichtet werden, der nach so was Amok lief – die Chance ist gut, dass das jemand von unserem Lehrstuhl war…

    Ich habe auch den Eindruck, dass diese Gruppe sicher NICHT zu den „klassischen“ Erstsemestern gehört, sondern die Federführenden aus höheren Semestern stammen – zum Beispiel als Studienwechsler.
    Ich wünschte manchmal, unsere Studis würden mehr selbst denken und nicht bulimisches Wissen fordern (ja, ist einfacher), aber so was hat nichts mit konstruktiver Kritik und kritischem, offenen Denken zu tun.
    Boah, ich hoffe nur… *rostige Axt schartiger machend*

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