Ausländer raus


Es wird ja immer gerne Wahlkampf auf dem Rücken der Schwächsten gemacht. Die Faustregel lautet: Je weniger Inhalte eine Partei hat, umso härter die Schläge gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft. Das hat in der Tat manchmal etwas von Pausenhof-Bullying.

Doch wir reden über Menschen. Menschen mit Träumen, Hoffnungen und vor allem mit dem Wunsch, zu leben.

Abschiebung bedroht gerade das letztere zu häufig. Es ist wieder mo(r)dern geworden, Menschen abzuschieben. Gnadenlos. Wir berufen uns auf Gesetze und vergessen, dass diese Gesetze gemacht wurden, um uns die Gewissensentscheidung zu erleichtern. „Ich würd das arme Schwein ja hierlassen, aber ich muss mich ans Gesetz halten“ ist eine Aussage, die ich nur zu gut kenne.

Die „Gründe“ gegen Ausländer zu sein, sind vielfältig und werden immer bei Bedarf und völlig ohne valide Belege vorgebracht: Sie nehmen „uns“ die Arbeitsplätze weg, sie sind faule Schweine, die nicht arbeiten wollen. Asylbewerber wollen bei uns nur Sozialhilfe bekommen, arbeiten wollen die nicht. Ausländer bringen ihre Kultur mit und überfremden uns.

Stolz wird von „rassisch befreiten Gebieten“ in den neuen Bundesländern gesprochen, den Orten, wo man alles, was „ausländisch“ ist, weggeekelt bzw. buchstäblich weggeprügelt hat.

Und dann kommen einem zwei Fälle vor Augen, die zeigen, was notwendig ist, damit jemand aus seinem Heimatland flieht und Asyl in einem anderen Land sucht. Und wie bigott und wie zwiegesichtig die gesamte Gesetzgebung ist.

Da ist eine junge Frau aus Uganda. Das afrikanische Land ist eins der Länder, die auf der Homophobie-Liste ganz oben stehen. Ganz weit oben. Noch vor Russland. Schwule und Lesben sind hier ihres Lebens nicht mehr sicher. Und so ist die Geschichte dieser jungen Frau auch glaubwürdig.

Sie wurde von ihrer Mutter mit ihrer Freundin erwischt. Die Freundin flog aus dem Haus, ihr Vater sperrte sie ein und versuchte, ihr die Homosexualität auszutreiben, indem er sie verprügelte. Sie floh, kehrte zur Universität zurück und erhielt irgendwann die Nachricht: „Ich habe einen Mann für dich. Komm her, du wirst verheiratet.“ Der Mann wusste nicht, dass sie lesbisch ist, hilfreiche Dorfbewohner halfen jedoch aus und haben ihm das erzählt. Die Folgen für sie waren gravierend: Schläge und Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung.

Hinzu kam die Dorfgemeinschaft: Sie setzte „Meetings“ an, wo gemeinsam gebetet wurde und Homosexualität verdammt.Sie stand im Mittelpunkt. Sie hat sich allem unterworfen, doch es wurde immer schlimmer. Irgendwann wurde sie in diesen Meetings beschuldigt, die Mädchen auf den „falschen Weg“ zu bringen und die Dorfgemeinschaft verprügelte sie. Mal wieder.

Ihr blieb nur: Flucht oder Tod. Denn es war klar, dass die Dörfler sie früher oder später töten würden. Weil sie lesbisch ist. Aus keinem anderen Grund. Ihre Tochter, die sie geboren hatte, musste sie zurücklassen. Sie floh nach England.

Dort droht ihr jetzt die Abschiebung im Schnellverfahren. Begründung? Sie hat sich nicht in „Schwulenbars“ herumgetrieben, daher ist sie nicht lesbisch. Vorgeschobener Asylgrund. Abschiebung.

Sie hält dagegen, dass sie durch die Ereignisse traumatisiert sei. Und dass ihr nicht nach feiern zumute war. Die Geschichte wurde von den LGBT-Aktivisten in Uganda, die selbst mit einem Bein am Strang stehen, bestätigt.

Das ficht die Abschiebungsbehörde nicht an – Abschiebung ist Samstag. 😦

Sie wird die Abschiebung nicht überleben.

Auch aus Deutschland kommt eine entsprechende Petition. Eine Integrationsbeauftragte in Berlin. Sie macht ihren Job, wird von der Stadt Berlin dafür bezahlt. Sie ist unbequem. Und ihr Gehalt ernährt sie zwar, aber es reicht nicht, um ihr eine dauerhafte Aufenthatlsgenehmigung zu ermöglichen. Das liegt auch daran, weil die Stadt Berlin diese Stelle gepflegt unterfinanziert. Und bin ich jetzt die einzige, die sich fragt, wieso die Frau nicht bei der Stadt Berlin angestellt ist, sondern Berlin das offenbar privatisiert hat? WTF??!?

Die Frau spricht vier Sprachen, sie ist hochgebildet und im Grunde genommen doch genau das, was wir hier in Deutschland suchen. Doch sie kann nicht bleiben. Sie verdient zu wenig für ihre Ausbildung, sie ist für den Job überqualifiziert, zudem verneint die Behörde ein öffentliches Interesse an ihrer Weiterbeschäftigung.

Es gibt in Berlin-Treptow, dem Bezirk, wo sie hauptsächlich tätig ist, also kein öffentliches Interesse an der Beschäftigung eines Integrationslotsen? Einem Bezirk, wo Rechte sich gerade gemütlich breit machen?

Leute, ihr glaubt es nicht, gerade ist an meinem Fenster ein Schwein vorbeigeflogen. Deutschland – ein Land, dass Akademiker *ausweist* weil sie zu gebildet sind.

Zwei Fälle von vielen. Was wir zu leicht vergessen: Hinter jedem abgeschobenen Asylbewerber steht ein Mensch. Ein Mensch, der in eine Situation abgeschoben wird, die ihn leicht das Leben kosten kann – und wahrscheinlich auch wird. Gerade Asylsuchende haben valide Gründe, warum sie denn geflohen sind.

Doch auch die sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ – ein widerlicher Begriff. Denn die Leute fliehen ja nicht aus dem bequemen Mittelstand und denken sich: „Och, in Deutschland kriege ich Sozialhilfe ohne Arbeit, gehen wir mal lieber da hin“. So funktioniert das nun mal nicht. „Wirtschaftsflüchtlinge“ sind in den meisten Fällen Menschen, die vor dem Verhungern geflohen sind, denen es in ihrer Heimat nahezu unmöglich ist, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen.

Viel Schaden richtet auch die europäische Vorstellung von Entwicklungshilfe an.

„Gebt einem Mann einen Fisch und ihr ernährt ihn für einen Tag. Gebt ihm eine Angel und lehrt ihn zu fischen, und ihr ernährt ihn sein Leben lang“ sollte eigentlich der Grundsatz sein. Ist es aber zu häufig nicht.

Entwicklungshilfe ist eine Finanzierung von Projekten, die es Dorfgemeinschaften ermöglichen, ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Dazu gehören auch Infrastrukturprojekte wie z.b. eine Wasserversorgung.

Der Verkauf von Altkleidern auf den Märkten in Afrika, oder das Füttern der Menschen in den Flüchtlingslagern erfüllt das nicht.

Die Führung von Stellvertreter- bzw. Rohstoffkriegen übrigens auch nicht.

Veröffentlicht am 22. Mai 2014, in Allgemein. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 5 Kommentare.

  1. In Zeiten wie diesen, da unsere Regierungen gegen sämtliche, von ihnen selbst beschlossene, Gesetze, insbesondere aber gegen das Grundgesetz oder Landesverfasungen, verstoßen, muss man sich nicht wundern, wenn auch der gemeine Bürger da mit macht oder zumindest mitschreit.

  2. Es ist echt zum …. weinen

    Ich glaube, „wir“ sind gar nicht vor ca. 100000 Jahren aus Afrika ausgewandert. Wir wurden wegen sozialer Inkompetenz rausgeworfen.

    Entweder sind dann doch ein Paar davon da geblieben oder die Missionierungen und Kolonialisierung hatte schlimmere Konsequenzen, als ich dachte sowieso schon dachte.

    Nu muss ich nur noch sehe, wie ich die Petitionen unterschreibe. Danke für den Hinweis.

  3. Manchmal widert mein Land mich einfach nur noch an.

  4. ein anderer Stefan

    Die Kapitulation der Behörden vor den Neonazis und der „segensreichen“ Austeritätspolitik kann man hier live beobachten.

    Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – selbst bei Behörden. Der politische Wille ist offenbar nicht vorhanden.

  1. Pingback: Schwuler, Transe, Queer – wat denn nu‽ | lebenswort

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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