Zwischenzeit – nach dem Kalten Krieg


Falls ihr es nicht gemerkt habt: Das wird eine persönliche Zusammenfassung, wie ich den Kalten Krieg und das, was darauf folgte, erlebt habe 😉

Gorbi und Raissa. Hier wurden sie gefeiert, doch im eigenen Land verflucht. Viele haben nicht eingesehen, warum man den eisernen Vorhang niederreißen sollte. Glasnost und Perestroika – das waren keine Vokabeln, die in einem Russland, dass von der Zarenherrschaft über die Bolschewiken über Stalin zur KPdSU eigentlich nur Diktaturen kannte.
Hinzu kommt, dass gewisse Verträge innerhalb des russischen Reiches mehr Macht und Selbstbestimmung zugestanden. In Moskau gab es nicht wenige, die dann einen Zerfall befürchteten. Wir wir heute wissen, hatten sie Recht damit. Es kam zum Augustputsch und mit viel viel Glück wurde dieser niedergeschlagen, auch, weil die Bevölkerung auf die Straße ging, die merkte, dass sie mehr Freiheiten hatte als noch unter Andropow.

Doch Gorbatschow war geschwächt. Das russische Reich zerfiel mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit und die Schuld wurde alleine Gorbatschows „schwacher“ Führung zugeschrieben. Sämtliche anderen Gründe wurden völlig ausgeblendet, doch es half nichts: Die Sowjetunion hatte aufgehört, zu existieren.

Und hier?

Die DDR wankte, aber sie fiel nicht. Plötzlich flüchteten sich Menschen in Massen in die ungarische Botschaft. Die Menschen gingen auf die Straße: „WIR sind das Volk.“ Ich war 20, wohnte noch zu Hause, ging noch zur Schule. Und die Welt wurde mit einem Schlag spannend.

Die Situation in der DDR wurde brenzlig. Honecker wollte sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Schießbefehl? Ja? Nein? Vielleicht? Möglich. Wahrscheinlich. Nein.

Die Polizisten auf der Straße wurden unruhig. Immer mehr Menschen flohen. Die westdeutsche Botschaft in Ungarn war völlig überfordert mit den Menschen, die sie plötzlich überrannten und nur noch weg wollten aus Honeckers DDR und weg von der Stasi. Die Menschen hatten genug. Genug von der Bevormundung. Genug von Schlangestehen für Bananen und Orangen. Ja, das war in Teilen tatsächlich so trivial.

Ich saß wie festgeklebt vor dem Fernseher. Mein Land veränderte sich. Doch wo ging es hin? Würden die russischen Panzer den Aufstand wieder niederschlagen, wie 1956 in Prag?

Es zeigte sich schnell: Würden sie nicht. Die Panzer blieben in den Kasernen und der Schießbefehl blieb entweder aus oder wurde nicht befolgt. Es gab noch einen tränenreiche Rede des Stasi-Leiters, dass er doch alle Menschen lieben würde: Die endgültige Bankrotterklärung der Regierung Honecker.

Die Grenze fiel. Die Schlagbäume hoben sich zum ersten mal seit den 50er Jahren. Die Berliner Mauer wurde von den „Mauerspechten“ niedergerissen. Menschen versuchten, die Mauer zu überklettern – und wurden von der anderen Seite hochgehoben.

Berlin? Für mich unerreichbar. Ich weinte. Vor Freude, weil, wie ich damals glaubte, jetzt alles besser würde. Weil die Mauer weg war, die so viele in Angst und Schrecken versetzte. Die so viele Menschenleben gefordert hatte. Endlich war sie weg.

Am 9. November 1989 verkündete Günter Schabowski, einen Tag zu früh, die Aufhebung aller Reisebeschränkungen aus der DDR.

Es wurde noch einmal eng. Das Zentralkomitte wollte seine Macht behalten. Am Checkpoint Charlie marschierten Polizisten auf. Doch es wird schnell klar: Das war es. Die DDR, Honecker – war am Ende.

Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, die Stimmung jener Zeit wiederzugeben. Die Euphorie, die tiefe Freude, dass eine Diktatur endlich zu einem guten Ende gebracht wurde. Dass die bolschewistische Diktatur im Osten gewaltlos zu Ende ging. Denn JEDEM, der das miterlebt hatte, war eigentlich klar, dass das ganze jederzeit auch nach hinten hätte losgehen können. Dass dann Hunderte und Tausende Tote zu beklagen gewesen wären. Von denen, die in den Folterkellern der Stasi verschwunden wären, mal ganz abgesehen.

Diese Wochen vom Anfang der Revolution bis zu ihrem unblutigem Ende – das war eine emotionale Achterbahn mit ständigem, ängstlichen Blick in Richtung Ostberlin: Was würde Honecker tun?

Und dann: Er tut nichts. Er geht. Einfach so. Hans Modrow übernahm. Die Erleichterung, gemischt mit Hoffnung – es war fast, als wäre ein ganzes Volk mit einem Mal betrunken. Es schien alles möglich.

Am 1.7.1990 galt die D-Mark auch in der DDR. Wechselkurs 1:1 – ein Wahnsinn angesichts der Wirtschaftslage in der DDR, aber von Helmut Kohl durchgesetzt, um die Wiedervereinigung durchzusetzen. Kohl wollte Geschichte schreiben, doch die Protagonisten im Hintergrund waren andere: Hans-Dietrich Genscher, Mikhail Gorbatschow und Henry Kissinger für die Amerikaner. Die Briten hatten wenig zu melden – Margaret Thatcher hatte Alpträume bei dem Gedanken daran, dass Deutschland ihrer Meinung bald wieder „Großdeutschland“ sei. Und auch Paris war eher zurückhaltend, was die Wiedervereinigung anging.

Beide wurden mit Versprechungen via Brüssel beruhigt. Thatcher bekam weiterhin den großzügigen „Briten-Rabatt“, was Miterrand bekam, weiß ich aktuell nicht, es dürften auch einige Taler gewesen sein.

Deutschland war wiedervereinigt.

Und erwachte schnell mit einem gewaltigen Kater.

 

 

Veröffentlicht am 8. November 2014, in Nachdenkliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Ein Kommentar.

  1. Bei der ganzen Themenkulisse die die Medien jetzt abspielen kommen auch in der Familie wieder Erinnerungen hoch.
    ich war ja zum Mauerfall erst 6, da kann ich mich nur grob dran erinnern das irgendwann noch der 40te Jahrestag der DDR im Staatsfernsehen lief und wir irgendwann mal in den „goldenen Westen“ rübergefahren sind.
    Als Grundschüler kriegt man natürlich nicht allzuviel mit, man kennt ja nichts anderes. (Zum Glück kein Pionier geworden)

    Aber zu dem was ich eigentlich schreiben wollte:
    Die Führung der DDR und damit auch die Stasi hatten wohl auch schon etwas länger vorm Mauerfall mitbekommen, das es Zeit war seine Fischchen ins Trockene zu bringen.

    Mein Vater war zu der Zeit für den Fuhrpark eines Bäckerei-Betriebs zuständig und schon vorm Mauerfall wurden eben Laster des Fuhrparks abgestellt um „Papiere“ ins nahe gelegene Zementwerk zu transportieren.

    Dementsprechend gab es dann auf Nachfrage auch keine von der Stasi angelegten Akten über ihn, die sind ja alle in der Zementproduktion aufgegangen.
    Und Akten gab es garantiert.

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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