Ist der Ärger um Glyphosat gerechtfertigt?
Tja. Gute Frage. Ich tendiere derzeit zu „Ja. Aber nicht aus den Gründen, die vorgetragen wurden“.
Aus Gründen. Mal sehen, ob ich gleich auch mit ein paar Mythen aufräumen kann.
2017 war das Jahr, in dem eine Nachricht fast unterging: Insekten sind fast verschwunden. Hat einer von euch in diesem Jahr seine Scheibe mal saubermachen müssen weil die Insekten da so heftig draufgeballert sind? Ich nicht. Nicht ein Fliegevieh ist mir final vor die Windschutzscheibe gerannt. Und das hat veritable und sehr heftige Gründe.
Das Insektensterben ist weltweit zu beobachten und Folge der Monokultur, die wir betreiben. Glyphosat hat hier womöglich einen nicht zu unterschätzenden Anteil daran, weil die Pflanzen, die viele Insekten zum überleben benötigen, durch das Zeug vernichtet werden. Glyphosat ist kein einfacher Unkrautvernichter. Glyphosat ist ein Pflanzenvernichter.
Einzig die Pflanzen, die Monsanto so gezüchtet hat, dass sie gegen Glyphosat resistent sind, sind nicht beeinträchtigt. Das hat einige Nebeneffekte, die nur unzureichend bekannt sind.
Wenn nur die Pflanzen gegen Glyphosat immun sind, die von Monsanto so gezüchtet worden sind, dann macht man sich beim Einsatz des Pflanzenvernichters auch abhängig von Monsanto. Man will ja nicht die eigene Ernte vernichten sondern nur das „Unkraut“ zur Ertragsoptimierung. Nur: Von dem, was man so „Unkraut“ nennt, leben ganze Biosysteme.
Glyphosat vernichtet diese Pflanzen – und das sehr gründlich. Für Insekten bleibt nix mehr. In der Folge verhungern Vögel wie z.b. Schwalben, weil sie kein Futter mehr finden. Geschweige denn Futter für die Aufzucht der Jungen. Bienen sind bereits Thema gewesen – ohne Bienen kein Honig, keine Blumen, nix.
Stück für Stück machen wir uns unsere Welt auf eine Weise kaputt, die wir nicht erwartet haben, auf eine Art, die wir nicht auf dem Schirm hatten. Wen interessiert denn überhaupt, ob Glyphosat „karzinogen“ ist – im Wust der Stoffe, die das bereits sind? Die Strahlung, die vor 100 Jahren quasi nicht existierte, aber dank Kernforschung und -anwendung inzwischen weltweit messbar ist? Ich rede von Plutonium. Natürlich vorkommendes Plutonium ist extrem selten und findet sich, wenn überhaupt, in natürlichen Uranvorkommen.
„Karzinogen“ ist ein Buzzword, dass den Leuten Angst machen soll vor einem Stoff, der unsere Welt nachhaltiger verändert hat, als wir wahrhaben wollen. Aber mit falschen Behauptungen Angst zu machen, funktioniert, wenn überhaupt, nur kurzfristig. Wer so handelt, handelt gegen die Interessen derer, die das Mistzeug loswerden wollen.
Wer Pflanzen zerstört, den Boden für alles, außer patentierte Genpflanzen unfruchtbar macht, begibt sich in gefährliches Terrain. Wenn nur noch Monsanto das Saatgut liefern kann, dass wir essen, dann begeben wir uns in eine Abhängigkeit. Wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert jeden Menschen auf diesem Planeten und jeden Staat.
Im derzeitigen politischen Klima würde ich nicht darauf setzen, dass die „Aufsichtsbehörden“, von Trump bereits gezielt handlungsunfähig gemacht, Monsanto irgendetwas entgegensetzen können, wenn die beschließen, dass, sagen wir, Ecuador kein Saatgut mehr bekommt.
Noch ist es so, dass durchaus andere Saaten angebaut werden können. Doch wie lange noch? Und wie lange, bis die Nahrungskette endgültig kollabiert? Das Verschwinden von Insekten ist in meinen Augen nur der erste sichtbare Beweis dass wir hier mit unserer Existenz nicht nur spielen: Wir vernichten sie sehenden Auges.
Es gibt vieles, was ich zu dem Thema nicht weiß. Doch die Konzentration auf Nebenkriegsschauplätze wie „krebserregend“ oder das bescheuerte „GENFOOD!!!1111!“ verdeckt die Sicht auf die eigentliche Gefahr: Dass Glyphosat alles vernichtet, was nicht resistent ist.
Wann ist genug eigentlich genug? Wann machen die Medien denn mal so einen Shitstorm auf, wie jetzt zu Christian Schmidt? Wann wird denn mal „viral“, dass wir uns mit Glyphosat den Ast absägen, auf dem wir sitzen?
Aber nein, man muss natürlich die nächste Sau durchs Dorf treiben.
Unser Planet funktioniert auch noch weitere 3,5 Mrd. Jahre problemlos ohne uns. In gut 5000 Jahren wäre nicht mal mehr viel von unserer ach so technisierten Welt zu sehen. Die Ozeane werden sich ans Mikroplastik in den Meeren angepasst haben. Die Landtiere an die veränderten Strahlungsbedingungen und den allgegenwärtigen Müll. Chemische Verunreinigungen würden rausgefiltert.
Aber wir? Wir wären weg. Wir können uns an die Welt, die wir schaffen, nicht anpassen. Wir sind, trotz oder gerade wegen des technischen Fortschrittes doch immer noch ein Kind dieser Welt.
Wird vielleicht Zeit, dass wir es endlich einmal zur Kenntnis nehmen.
Veröffentlicht am 30. November 2017, in Allgemein. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 5 Kommentare.
Wenn man bei eienr Sache ein ungutes Gefühl hat, aber nicht weiß, weswegen. Und dann kommt jemand mit ner guten Erklärung und man sagt sich in Gedanken „Na endlich…“
Danke für die Blumen. Wie immer gilt: Ich muss nicht Recht haben. 😉
Interessant wird das doch erst, wenn ich Saatgut auf den Markt bringe, das in zweierlei Hinsicht genetisch verändert ist:
a) Es ist resitent gegen meine „Pflanzenschutzmittel“ und
b) es keimt zu Pflanzen, die zwar fruchten, die Früchte sind aber steril (keimen also nicht mehr).
Dann verkaufe ich kein Saatgut mehr, sondern „Lizenzen“, mit denen ich den Landwirten „erlaube“, mein System (Pflanze und Pflanzenschutz) zu nutzen. Und dann hab‘ ich sie alle in der Abhängigkeit…
Genau das ist das System Monsanto.
Da stimme ich dir voll und ganz zu. Stück für Stück zerstören wir unsere Welt, ohne es zu merken.