Gesetzestreue


Zwei Aussagen, die mir heute bei Twitter an der Timeline vorbeiliefen.

An Gesetze hält man sich nicht, weil es gute Gesetze sind, sondern weil es Gesetze sind (alles andere wäre total witzlos).

Der einzige legitime Grund, sich an Gesetze nicht zu halten, ist, dass sie im Widerspruch zu anderen, höheren Gesetzen stehen.

Antje Schrupp, eine an sich sehr kluge Frau, hat sie geäußert. Doch bei allem Respekt: Dem kann ich nicht zustimmen.

Ja, es gibt Regeln, an die sich jeder halten muss, soll eine Gesellschaft funktionieren. Hält man sich nicht an diese Regeln, dann bekommt man die entsprechenden Konsequenzen zu spüren.

Doch Gesetze sind für den Menschen da – nicht umgekehrt.

Das heißt auch, dass der so viel zitierte mündige Bürger eigentlich mit jeder Minute entscheidet, ob er einem Gesetz folgen soll oder nicht.

Bei manchen Gesetzen ist das leicht. Sehr leicht. „Du sollst nicht stehlen“ ist – juristisch ausformuliert, ein Teil des StGB. „Du sollst nicht töten“ ein anderer.

Bei „du sollst nicht Ehebrechen“ kommt der erste schon ins Schwitzen. Verkehrsregeln? Äh. Ja. 😉

Doch was ist mit Gesetzen, die diskriminierend sind? Mit Gesetzen, die Bevölkerungsgruppen ausschließen, weil sie nicht so sind, wie des Gesetzgebers Norm?

Nach Antje Schrupp (so ich sie richtig verstanden habe) müsste ich meine moralischen Bedenken hier über den Haufen werfen und dem Gesetz blindlings folgen – weil es ja ein Gesetz ist.

Also der Obrigkeit hörig sein.

Es gibt ein praktisches Beispiel aus Südafrika, dass die andere Seite zeigt. Johnny Clegg, Musiker und Universitätsprofessor, hat die Gesetze zur Apartheid als diskriminierend empfunden und sich – ungeachtet der Konsequenzen – als Weißer auf die Seite der Afrikaner geschlagen. Ohne Wenn und Aber. Und diese Konsequenzen gab es.

Ein weiteres Beispiel für jemanden, der Gesetze nicht befolgte, weil er sie als „schlechte“ Gesetze, als Unrecht empfand?

Mahatma Gandhi, Steven Biko und Martin Luther King, jr.

Eine lebendige, eine mündige Demokratie braucht Bürger, die die Gesetze hinterfragen. Die sie in Frage stellen und die, in dem Fall, dass man zu dem Schluß kommt, dass das Gesetz Unrecht ist, diese Gesetze nicht befolgen. In voller Kenntnis der etwaigen Konsequenzen.

Das nennt man dann zivilen Ungehorsam.

Mit dem zweiten Tweet hat sie wenigstens die Kurve bekommen. Denn „höhere“ Gesetze sind in der Tat moralischer Natur.

Aber es gibt keine Instanz außer der eigenen, die entscheiden kann, welches Gesetz jetzt unter dieser Regel fällt oder nicht.

Und DAS nennt man dann Rückgrat.

Veröffentlicht am 19. November 2013, in Nachdenkliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 8 Kommentare.

  1. Kaum ein Rechtsgelehrter kann alle Gesetze kennen.
    Und dazu gibts ja noch die beliebten Geheimgesetze.

    Als höheres Gesetz muss wohl auch der gesunde Menschenverstand gelten.
    Es gibt zwar kein Gesetz das mir verbietet auf dem Küchentisch ein Häufchen zu machen, aber machen sollte man es wohl trotzdem nicht.

  2. ein anderer Stefan

    Gesetze spiegeln im Idealfall die Moralvorstellungen der jeweiligen Gesellschaft wieder, in handhabbare Pakete heruntergebrochen. Die Gesellschaft wandelt sich fortwährend, weswegen auch die Gesetze immer wieder uberprüft und angepasst werden müssen. Höhere Moralvorstellungen sind schwierig, weil Moral keineswegs so universell einheitlich ist, wie man denkt. Menschenrechte sind da ein ganz guter Kompaß, da sie weithin als universell gelten.

    Das hilft alles nichts, wenn die Machthaber sich entschließen, Gesetze und Grundrechte mit Füßen zu treten – sei es, dass Ehebrecherinnen gesteinigt werden, sei es, dass Feinde mit ferngesteuerten Killermaschinen getötet werden. Dann sind alle Gesetze Makulatur.

  3. Etwas ist nicht recht, weil es Gesetz ist, sondern es muss Gesetz sein, weil es recht ist.
    Charles de Montesquieu

  4. In den USA gibts jede Menge seltsamer Gesetze. Unsereiner mag sich drüber wundern, weil man hierzulande dazu neigt, veraltete oder unsinnige Gesetze abzuschaffen. Die Amerikaner lassen sie oftmals wie sie sind, ignorieren sie aber einfach. Auch die Juristen.

    • Das hängt bei den Amis wohl auch mit der Common Law Rechtssprechung zusammen, das geht ja bis in graue Vorzeit zurück und die Präzedenzfälle gehören auch mit dazu.

      Und natürlich das „pandering to the voters“ also Gesetze werden nicht unbedingt gemacht weil sie nötig sind sondern um seine und die Interessen der Wähler und Bevölkerung zu fördern.
      Spenden vom lokalen Whiskey-Brenner? => Gesetz für Strafzölle auf fremden Whiskey

  5. Ich verstehe die Antje Schrupp hier so, dass sie mit den höheren Gesetzen eben genau solche eigenen Moralvorstellungen meint.

  6. § 1 – Lebe so, dass Du niemanden gefährdest, schädigst, behinderst (v.a. im Straßenverkehr) .
    § 2 – Beim Übertritt anderer Gesetze (z.B. STVO): lass Dich nicht erwischen 😉

    Das sind meine 2 Gesetze. An die halte ich mich.

Hinterlasse eine Antwort zu Dave B Antwort abbrechen