Cry Freedom


2013 war auch das Jahr der Proteste und Rebellionen. Ägypten, Türkei, Syrien, Iran, Kuba – viele dieser Proteste schafften es gar nicht erst in die offiziellen Medien oder wenn, dann nur als Seitennote.

Die Lücke, die die Mainstream-Medien hier hinterlassen haben, wurde von den Social Media-Plattformen, allen voran Twitter und Facebook, gefüllt.

Und hier ist Licht und Schatten.

Diese Plattformen geben den Protesten häufig ein Gesicht. Sie ermöglichen die Organisation von Protesten und die Durchführung. Sie ermöglichen es, dass Bilder der Proteste hochgeladen werden und machen Menschenrechtsverletzungen transparent.

Doch auch genau hier liegt das Hauptproblem. Der Filter „Mainstream-Medien“ fehlt. Und das ist nicht immer gut so. Denn die „Bürgerrechts-Reporter“ haben meist eine Agenda, die sie durchführen wollen. Und oft ist es so, dass die ungeschulten Leute vor Ort nicht wissen, was sie weitergeben.

So wurde zum Beispiel ein Foto einer am Boden liegenden jungen Frau während der Gezi-Park-Proteste als tot bezeichnet. Es stellte sich hinterher heraus, dass sie überlebt hatte.

Gerade die Gezi-Park-Proteste waren eine Fundgrube an Falschmeldungen. Ein Bild geisterte durch die Landschaft, dass einen Mann mit tiefen Wunden am Rücken zeigte. Angeblich war ein Polizeifahrzeug über seinen Rücken gefahren. Es waren tiefe Wunden, ja – aber keine Prellungswunden. Ich konnte das Foto hinterher bis zu einem Angelforum aus 2008 zurückverfolgen, dort zeigte es einen Mann nach einem Hai-Angriff, und danach sahen die Wunden auch eher aus. Ehrlich: Wenn ein Kettenfahrzeug über deinen Brustkorb fährt, liegst du nicht mehr im Krankenhaus sondern auf dem Friedhof.

Ein drittes Beispiel waren die Agent-Orange-Vorwürfe, die plötzlich aufkamen (ja, und auf die auch ich kurzzeitig reingefallen bin, bevor Karl mal das Chemielehrbuch ausgepackt hat *g*). Angeblich sollte die Polizei Agent Orange versprühen statt „nur“ Tränengas. Doch hier stellte sich hinterher heraus, dass es lediglich eingefärbtes Tränengas war, dass den Polizeikräften zeigen sollte, wo sie ihre Leute besser nicht ohne Schutzanzug hinschicken. Das Gas war orange eingefärbt, daher plötzlich die Agent Orange-Panik.

Zivilisten vor Ort lassen sich von diesen Informationen hinwegtragen. Das tun Journalisten auch, doch die arbeiten meist nicht alleine. Ja, es gibt die „freiberuflichen“ Kriegsberichterstatter, doch gerade die großen Sendeanstalten und Verlagshäuser haben da nicht nur die freiberuflichen Infos, sondern sie haben ein Team dort, dass die Infos filtern und bewerten kann. Und sie sind nicht persönlich involviert, was ebenso ein großes Plus ist.

Aber dennoch geben diese Bilder, wenn man sie sieht, einen anderen Kontext ab. Sie sind eindringlich, sie zeigen ungefiltert, was in den Gebieten, die wir so oft euphemistisch als „Krisengebiete“ bezeichnen, wirklich abgeht. Was die Menschen dort wirklich durchmachen. Nur deshalb hat Deutschland sich doch überhaupt bequemt, 8.000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Weil das Leid der Menschen dort nicht länger geleugnet werden konnte.

Aber wann immer man die Bilder sieht, muss man sich immer vergegenwärtigen: Bilder können täuschen. Bilder können lügen. Die Bildaussagen passen nicht immer zur Wahrheit. Es gibt Bilder von den Protesten auf dem Taksim-Platz in Kairo. Die sind mit Weitwinkel aufgenommen, weil man die Menschenmenge nicht mehr auf das Bild bekommen hat.

Kurze Zeit später wurden irgendwo amerikanische Flaggen verbrannt, die Empörung war groß: Es waren Gruppen von Menschen, die sich da um die US-Flagge versammelten und sie verbrannten. Doch: Es war eine Nahaufnahme der Gruppe. Wenn man gezählt hat, waren vielleicht 20 Männer da zu sehen. Der Taksim-Platz, das waren Hunderttausende Männer, Frauen und Kinder. Das Verbrennen der US-Flagge sind kleine Gruppen.

Doch die Bildaussage war bei beiden dasselbe: Massenproteste. Ja, hier ging es um Profifotos. Die Fotografen wussten genau, welche Effekte sie wie erzielen können.

Also hinterfragt das Bildmaterial. Regt euch nicht sofort auf. Schafft euch Antennen an für die Stories, wo das Drama künstlich aufgeblasen wird. Die Belohnung: Ein doch sehr anderer Blick auf die Nachrichten. Und ein sehr viel spannenderer.

Wie ich auf den Artikel gekommen bin? Durch dieses Video. Es hat eine deutliche Agenda. Und ich bin nicht mit allen Darstellungen einverstanden. Aber die Bilder sind beeindruckend. Sie zeigen das Beste und das Niedrigste im Menschen. Und sie machen die Proteste begreifbar. Für uns, die wir doch eigentlich in sehr komfortablen Umständen leben.

 

Veröffentlicht am 20. Januar 2014, in Mediales. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.

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