Der Kalte Krieg


Historisch nicht korrekt, ein paar Jahreszahlen gucke ich nach – mein persönlicher Rückblick auf den kalten Krieg.

Als der zweite Weltkrieg zuende ging, wurde er der Krieg genannt, der alle anderen Kriege beendete. Zu abscheulich die Greuel, zu verheerend die Zerstörungen. Zu hoch der Verlust an Menschenleben. Egal wo man hinsah, zu Siegern oder Besiegten: Keiner war moralisch einwandfrei aus diesem Krieg herausgekommen.

Es waren Kulturgüter zerstört worden, die nie wiederherzustellen waren. Viele alte Häuser, die hunderte von Jahren standen, wurden in den Feuerstürmen der Brandbomben zerstört. Mindestens zwei Generationen waren traumatisiert. Die Kinder hatten ihre eigenen Päckchen zu tragen.

Dieser Krieg ließ keinen ungezeichnet. Er drückte allem seinen Stempel auf.

Was der Krieg jedoch nicht löste, war die diametral entgegengesetzte Lebenseinstellung des „Westens“ und des Warschauer Pakts. Kapitalismus gegen Sozialismus. Eisenhower gegen Stalin.

Die Köpfe gingen, die Spannungen verschärften sich. Es standen zwei Blöcke gegeneinander. Beide zu hochgerüstet, um in einem direkten Schlagabtausch gewinnen zu können. Es kam der Koreakrieg, der als Stellvertreterkrieg gelten musste. Es kam der Vietnamkrieg, der ein Stellvertreterkrieg WAR.

Die Stimmung zwischen den Führern beider Blöcke war eisig. Beide trauten einander nicht. Ausgesprochener Hass wird nicht dabei gewesen sein, aber jeder glaubte vom anderen, dass er Territorien gewinnen wollte. Misstrauen und Gier gaben sich die Waage. Ein heißer Krieg mit direkten Kampfhandlungen konnte es nicht werden. Beiden Seiten war klar, dass dieser Weg in die endgültige Zerstörung münden würde.

Und diesem Punkt war unsere Welt zweimal sehr nah.

Einmal, als die Amerikaner in Kuba landeten und dann, als die russischen Detektoren das Aufsteigen amerikanischer Nukelarraketen anzeigten. Ein Mann hatte den Finger am roten Knopf – und drückte ihn nicht. Er rettete uns alle.

Die 70er Jahre kamen. Ich war ein Kind, 1969 geboren. Wir hatten auf einmal Telefon. Und wir konnten tatsächlich mit den Verwandten in der DDR sprechen. Telefon. OOOOH…spannend. Ich liebte das Klingeln und rannte wie der Wind dahin, gespannt wie ein Flitzebogen, wer denn da jetzt wohl dran ist. Oma? Opa? Tante?

Eine Begebenheit habe ich nicht vergessen. Wir hatten mit einem Onkel in der DDR („Zone“) telefoniert. Ich durfte zum Abschied auch mit dem Onkel sprechen. Vage war mir bewußt, dass das Leben in der DDR nicht so ist wie hier. Dass es eine Stasi gab, die alles überwachte. Und vor der man aufpassen musste. Warum, verstand ich nicht. Mit sechs versteht man sowas noch nicht wirklich.

Zum Abschied sagte ich noch in den Hörer: „Und schöne Grüße an die Stasi.“ Meine Mutter legte schnell auf, doch das ging durch die Leitung. Hat die Stasi das Gespräch mitgehört? Möglich. Passiert ist nie etwas. Repressalien hatte mein Onkel zwar gefürchtet, aber sie kamen nie. Ich denke, auch die Stasi wußte, dass es ein Kind war, dass dort sprach und nachplapperte, was es von den Erwachsenen gehört hatte.

Die 70er Jahre gingen, die 80er kamen, ich wurde ein Teenager. Einer, der auf der Sonnenseite des Kalten Krieges aufgewachsen ist. Meine Cousins „drüben“ erging es zum Teil sehr anders. Zwischen Schule, FdJ und Kaderschmiede gab es nicht viel Freiheit. Der „Osten“ wurde beherrscht von „dem Russen“ und wir im Westen waren frei. „Der Russe“ war immer der, der unsere Freiheit bedrohte, wenn er denn mal kommen würde.

Ich liebte Filme wie „Mad Max“. Damals war Mel Gibson noch cool. Die Endzeitfilme von damals gaben eigentlich sehr gut die Stimmung wieder: Wir hatten dieses konstante Wissen im Hinterkopf, dass wir alle viel mehr Atomraketen besaßen, als gut für uns war. Dass ein falscher Schritt das Ende dessen bedeuten konnte – und würde – was wir kannten und liebten.

The Day After, Wenn der Wind weht – herzzerreißende, eindringliche Filme, die mich nachhaltig geprägt haben. Ich war damals leicht zu beeindrucken (gut, bin ich heute zum Teil auch noch) und gerade diese beiden Filme sind mir wochenlang nicht aus dem Kopf gegangen.

Die allgegenwärtige Bedrohung des Atomkrieges fand damals auch Eingang in die Popkultur. Ein bisschen war das schon wie eine Art Endzeitstimmung. Es war uns allen irgendwie immer bewußt, dass der „Große Knall“ jederzeit erfolgen kann – wann immer einem der Verantwortlichen die Nerven genügend flatterten. Aber das hieß nicht, dass man auf Spaß verzichten sollte.

Die 80er waren nicht nur das Jahrzehnt der schlechten Frisuren, Schulterpolstern, Trenchcoats und schlechtem Kleidergeschmack – sie waren auch ein Jahrzehnt des Spaßes. Den Spaß den ein zum Tode verurteilter möglicherweise hat, wenn man ihn auf die Piste läßt. Gut, der Vergleich war mies. Hab aber grad keinen anderen.

Und dann, der kalte Krieg wurde womöglich noch kälter. Die Blöcke wirkten wie einzementiert. Man hatte nicht das Gefühl, dass sich je etwas ändern würde.

Und dann kam Gorbi.

Mikhail Sergejewitsch Gorbatschow. Und alles veränderte sich.

Ein Mann brachte in kurzer Zeit fertig, was 30 Jahre Kalter Krieg nicht vermochten. Er streckte die Hand aus, verkündete Perestroika und wandelte tatsächlich die Welt.

Wenn wir einen Titanen aus der Zeit suchten: Es war Gorbatschow. Der Mann hatte eine Geduld, um die ich ihn nur beneiden konnte. Die erste Reaktion von Reagan und Margaret Thatcher war ablehnend. Zu sehr verhaftet in ihren Gedankenwelten konnten sie sich nicht vorstellen, dass etwas anständiges aus Russland kam.

Und doch – Gorbatschow überzeugte. Er warb: Im eigenen Land, wo ihm die eigenen Leute nicht mehr folgen wollten genauso wie im Ausland, wo man ihm nicht traute.

Er schaffte es. Zusammen mit Hans-Dietrich Genscher, der die Möglichkeit erkannte, durchbrachen die beiden Blöcke ihre eisige Erstarrung.

Die Helden dieser Zeit sind nicht Thatcher, Kohl oder Reagan. Sondern Gorbatschow und Genscher.

Diese Zeit war auch die der größten Gefahr. Gorbatschow – für mich war der Mann damals so seltsam. Und bedrohlich. Denn auch wenn permanent die Atomkriegsgefahr im Hinterkopf schwebte, war diese doch abstrakt genug, um die Welt, die man kannte, wertzuschätzen.

Und auf einmal war da eine völlig neue Welt. Aufregend. Und beängstigend. Es war plötzlich nicht mehr „Der Russe“ gegen „uns“. Auf einmal gab es keine Gegner mehr. Frieden war in greifbarer Nähe. Wirklicher Frieden, der mehr war als die Abwesenheit vom Krieg.

Für eine kurze Weile sah es wirklich so aus, als wäre alles gut. Und würde alles gut.

Veröffentlicht am 7. November 2014, in Nachdenkliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 6 Kommentare.

  1. Also im Nachhinein betrachtet sind die Leute die in Polen die Werft gestreikt haben(Streik im Warschauer Pakt war nicht so ein Luschenkram mit Lohnfortzahlung usw. wie heute),
    die wahren Helden. Es wurde der Kriegszustand aufgerufen und die Hardliner im Ostblock saßen noch fest im Sattel. Sie öffneten den Menschen im Ostblock den Sinn dafür, daß wenn alle zusammenstehen, der Sozialismus doch angreifbar war. Gorbi hat einfach nur gesehen dass sein Weltreich am Ende war.

  2. Vorneweg:
    ich bin nun 3, ich interessiere mich generell ein wenig „hobbymäßig“ für Geschichte.
    Persöhnlich habe ich dementsprechend vom kalten Krieg nicht so viel mitbekommen.
    Villeicht auch gerade deswegen, und weil es zumindest bei uns wenig im Schulunterricht behandelt wurde, finde ich es sehr interressant und spannend mich damit etwas auseinanderzusetzen.
    Was ich irgendwie nicht empfehlen kann sind diese ganzen Dokus drüber in Guide Knoop und N24 Style

    „Wenn der Wind weht“ kannte ich noch garnicht, habe ich mir gestern Abend in so eine art „schnelldurchlauf“ angeschaut.

    Ich habe vorher die im Wikipediaartikel verlinkten „Lernmaterialien“ von „http://de.wikipedia.org/wiki/Protect_and_Survive“ angeschaut, hier: (https://www.youtube.com/watch?v=m6U9T3R3EQg) gibt auch den kompletten Lehrfilm.
    Das hat meiner meinung nach dafür gesorgt, das man bereits vor dem Film in eine gewisse Grundstimmung kommt, und kann auch einige Anspielungen des Films sehr gut nachvollziehen.

    Ich finde noch immer die Vorstellung, das wir Menschen uns nur durch den Druck auf ein paar Knöpfen innerhalb von weniger als einer Stunde größenteils selbst auslöschen können, sehr bedrückend.
    Auch die tatsache das wir überhaupt dieses Vernichtungpotential entwickelt haben (und noch immer weiter entwickeln) wirft kein gutes Licht auf die Menschheit als solche. Zumal gerade momentan der Zeiger vermutlich sich wieder ein bisschen mehr richtung „12“ verschoben hat.

    • Soso mit drei schon in der Schule und Rechtschreib und Grammatik fast fehlerfrei. Dazu kommt ein so frühes Geschichtsinteresse. Ich freu mich ein Genie kennengelernt zu haben (wenn auch nur virtuell)

  3. Asche auf mein haupt, da hab ich wohl eine 0 bei der 30 vergessen 😉

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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