Impfgegner, Pegida und Sichtweisen
Sinngemäße Zitate (sorry, krieg ich nicht mehr wortwörtlich hin und bei Facebook was suchen ist..äh…doof):
„Du meinst, das wäre richtig. Die glauben das aber auch. Und so sind beide Seiten amüsiert über die Dummheit des jeweils anderen“ und gelöst ist nichts (Addition von mir).
„Was tust du, wenn die Impfflicht eingeführt wird und in 20 Jahren stellt sich heraus, dass es möglicherweise gravierende Nebeneffekte gibt, die man heute noch nicht kannte bzw. die Verbindung übersehen hat. Sagst du dann „Sorry“? Reicht das?“
Viel Stoff. Ganz bin ich noch nicht damit durch, aber momentan hab ich so eine Art Zirkelschluß: A ist B, weil C gleich A ist. Äh? *g*
Also zum vorsortieren gibts mal einen Artikel, auch in der Hoffnung, dass ich da beim Schreiben was sortiert bekomme. Und was zum Henker hat das jetzt mit Pegida zu tun?
Ne Menge.
Es gab immer einen Bodensatz an Menschen, die einerseits Wissenschaftsfeindlich waren und andererseits zu feige, sich den Veränderungen einer Gesellschaft zu stellen. Oder zu unflexibel.
Gesellschaftliche Veränderungen leben von Reibungen, extrem gesagt zwischen den Bremsern und den Rasern, denen es nicht schnell genug gehen kann. Die Raser preschen vor mit neuen Ideen, die nicht immer durchdacht sein müssen. Die Bremser verlangsamen das Tempo, um gesellschaftlichen Diskurs zu ermöglichen.
Das funktioniert mal besser und mal weniger gut. Mal gewinnen die Bremser und verhindern notwendige Änderungen (wie zum Beispiel die Gleichstellung von Paaren ungeachtet des Geschlechts) und mal gewinnen die Raser (Atomkraft als Energiequelle nutzen ohne die Konsequenzen genau zu kennen. Erst allmählich geht den Leuten auf, was für eine Katastrophe das ist).
Die Politik hat die Aufgabe, sich das anzugucken und dann – unter dem eigenen persönlichen Hintergrund – die notwendigen gesellschaftlichen Änderungen in Regeln zu gießen. So wurde der § 175 StGB abgeschafft, weil die Gesellschaft dafür keine Gründe mehr sah. Unter dem durchaus lautstarken Grummeln konservativer Politiker.
Eins ist aber notwendig für die Legitimation, diese Regeln erlassen zu können: Glaubwürdigkeit. Und hier hapert es zunehmend, und das hat zumindest meinem Empfinden nach mehrere Ursachen.
Einerseits die Presse selbst. Ich will hier nicht mit Lügenpresse kommen, das ist bescheuert, zumal der Vorwurf oft von Bildzeitungslesern kommt, ein Blatt, dass mehr als einmal der Lüge überführt wurde.
Dennoch haben viele Medien ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Zahl der unsauber recherchierten Artikel mag nicht wachsen, aber dank Bildblog und anderer Wächter fällt es auf, wenn sie es tun. Früher (TM) kam man mit einem gefälschten Artikel noch davon, heutzutage eher weniger. Und getreu dem Motto „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“ ist einmal aufgebautes Vertrauen sehr schnell verspielt.
Politik, ein weites Feld. Pauschal Korruption zu unterstellen und dass sie uns verkaufen wollen, wird den meisten nicht gerecht. Ich mache Unterschiede zwischen einem Volker Bouffier und einem Christian Ströbele, zwischen Roland Koch und Gregor Gysi.
Doch auch hier: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Wahlversprechen sind Wahlversprechen. Und wenn man sich hinterher auf feingliedrige Deutungen herausredet, dass man ja nur falsch verstanden wurde *obwohl* man bewußt einen anderen Eindruck erzielen wollte, nämlich den, den man dann auch erzielt *hat*, der wandert haarscharf auf der falschen Seite der Lüge.
Wenn also die Kanzlerin sagt, dass es mit ihr keine Maut geben wird und schon im Faktencheck DIESE Deutung kommt:
Das schätzt die Redaktion im Ergebnis anders ein: Die Kanzlerin hatte sich zwar oft generell gegen eine Maut positioniert. Gefragt nach der konkreten Haltung zum Seehofer-Modell hatte sie aber oft laviert, um die Unterschiede im Wahlkampf möglichst zu verwischen. Im Duell wurde sie gezwungen, dazu direkt Stellung zu nehmen. Insofern war dieser Moment schon eine Präzisierung und mehr als die Wiederholung einer doch bekannten Position. #ZDFcheck zieht deshalb das Fazit: stimmt teilweise.
Dann ist die Glaubwürdigkeit bei solchen taktischen Manövern leider das, was als erstes auf der Strecke bleibt.
Es ist ja nicht nur Angela Merkel. Es sind ja spätestens seit der Kohl-Ära alle Politiker. Nur nichts sagen, was gegen einen verwendet werden kann. Nichts sagen, was einen festlegen kann. Angela Merkel hat das zur Meisterschaft gebracht, aber die Grundhaltung ist nicht erst seit gestern, dass man als Politiker nicht bei einer Aussage festgelegt werden will.
Wenn man bedenkt, wie sehr Willy Brandt nach seinem inzwischen historischen Kniefall mit Dreck beworfen wurde – kanns noch einer verdenken? Der Shitstorm ist keine neue Erfindung – er ist nur schneller und zerstörerischer geworden.
Die Pegida-Organisatoren haben genau das gerochen und sich in einem momentanen Ausbruch alle Unzufriedenen geschnappt um ihre eigene Agenda wieder gesellschaftsfähig zu machen. Ich sags nicht gerne, aber in der Retrospektive war Sigmar Gabriel der einzige, der richtig reagiert hat: Die Organisatoren links liegen lassen, weil das Idioten sind und dafür mit den Leuten reden. Warum sie so sind, welche Ängste sie haben und wieso ausgerechnet in einer Stadt, wo es kaum Ausländer gibt, die Ausländer-raus-rufe so laut sind.
Sigmar Gabriel war tatsächlich einer der wenigen, die gesehen haben, was die Leute umtreibt: Diffuse Ängste, eine zunehmende Politikerverdrossenheit, weil Politiker, die, die unser Land führen sollen, so führungslos und -schwach wirken, dass man auch Angst bekommen kann. Hand aufs Herz: Wem fällt auf Anhieb ein CDU-Politiker in Berlin ein, der heraussticht?
Statt dessen: NSU-Skandal mit so offensichtlichen Vertuschungen, dass man sich schämt für diese Chaotentruppe. Ein NSU-Ausschußvorsitzender, der zugegeben hat, kinderpornographisches Material auf Dienstrechner heruntergeladen zu haben – damit das Verfahren gegen eine Geldbuße eingestellt wird. Parteifreunde, die die Ermittlungen aktiv hinterlaufen haben indem sie den Beschuldigten gewarnt haben (der Fakt ist wohl nicht mehr zu leugnen).
Ein neuer Ausschuß der genau das aufklären soll, doch die CDU-Mitglieder in dem Ausschuß interessiert nur, wie man am besten mit Dreck werfen kann, die SPD-Mitglieder kümmern sich nur darum, Schaden von der eigenen Partei abzuwenden.
*rumms*
DENEN soll man noch was glauben? DENEN soll man glauben, dass sie uns vertreten und nicht sich selbst? Das ist doch der Anspruch, den die Politik immer noch hat: Sie ist Vertreterin des Volkes. Doch wessen Volkes? Immer weniger Menschen fühlen sich von dieser Politik, diesen Politikern noch vertreten. Und da liegt imho der Hauptgrund.
Sekundiert wird das von den Medien, die gefühlt entweder überkritisch oder übergläubig sind. Die Pressekonferenzen in Berlin geraten zur Staffage, richtige Fragen werden nur noch vereinzelt gestellt, keiner will seine kostbaren „Insiderzugänge“ riskieren und manche merken nicht mal, dass sie damit ihre Glaubwürdigkeit verspielen, weil sie so zu Hofberichterstattern verkommen.
TTIP, CETA und Co.: „Frei“handelsabkommen, die darauf abzielen, die freie Ressource Wasser zu privatisieren. Laut dem CEO von Nestlé plädiert dieser dafür, dass jeder Mensch pro Tag 25 Liter Wasser erhält – kostenfrei. Alles andere muss er bezahlen. Am besten an Nestlé. Bereits jetzt gibt es in Afrika Gebiete, wo die Menschen nur noch Flaschenwasser erhalten – die sauberen Quellen sind in der Hand des Getränkeriesen und der hat den Daumen drauf.
Die Verhandlungen zu all diesen Abkommen finden unter absoluter Vertraulichkeit statt. Die Akten sind Hochsicherheitsmaterial. Es geht bei diesen Abkommen um Regelungen die uns alle direkt betreffen – die geheimen Verhandlungen bieten breiten Raum für Vermutungen und die ungehinderte Verbreitung von Angst. Mit Geheimverhandlungen wie sie hier stattfinden, baut man kein Vertrauen bei den Menschen auf – man zerstört es.
Und das, was aus den Verhandlungen trotz aller Maßnahmen heraussickert, zeigt, dass man zu Recht Angst hat.
All das hat die Glaubwürdigkeit von „großen“ Medien und Politik auf ein Minimum reduziert.
Und wo das Vertrauen in die große Politik zerstört ist, herrscht breiter Raum für Rattenfänger.
Und an der Stelle ist es egal, WER der Rattenfänger ist, egal ob es ein Tolzin ist, der Impfungen verteufelt und eine Schweinekohle macht, indem er die Pharmaindustrie beschuldigt, eine Schweinekohle zu machen. Es ist egal, ob es Pegida ist, die den Leuten nach dem Mund reden um auf der Welle zu schwimmen.
Tolzin redet so, dass die Leute ihn verstehen. Selbst Menschen, die durchs Bildungsraster gefallen sind. Als Impfgegner fühlen sie sich zum erstenmal ernst genommen.
Denn Bildung ist seit Jahren nur noch ein Lippenbekenntnis. „Wir müssen mehr für die Bildung tun“ wird gesagt – und die Bildungsausgaben gekürzt.
Die Bildungsverlierer, die Haupt- und Förderschüler, die seit den 80ern durch dieses Schulsystem geschleust wurden und kaum genug Lesen und Schreiben können um den Alltag zu bewältigen, sind jetzt in der Elterngeneration. Die Kinder, die nach der Anlauttabelle „Schreiben“ gelernt haben (Dieser „Schreib erstmal wie du sprichst, das „richtige“ Schreiben kommt später“- Unfug, der für die heutige furchtbare Rechtschreibung so vieler verantwortlich ist) sind heute die Eltern, deren Kinder dieselbe Unbildung in der Schule erhalten.
Und diese Eltern treffen nun völlig unvorbereitet auf der Universität Youtube auf das Video „Wir impfen nicht“ – einem furchtbaren Konglomerat aus Unwahrheiten, Unterstellungen und gezielter Desinformation, die aber an der Oberfläche logisch klingt.
Diese Menschen treffen auf Pegida-Organisatoren, die „ihre Sprache sprechen“. Die sie verstehen. Die Unverstandenen dieser Republik, die nicht gelernt haben, sich adäquat auszudrücken: Sie versammeln sich bei Pegida und bei den Impfgegnern.
Und ich glaube, darum ist die Frage auch nicht: „Was würdest du tun, wenn in 20 Jahren…“ – sondern:
Wie holen wir Leute zurück ins Boot, bei denen die Mischung aus Angst, Unbildung und Vorurteilen so explosiv geworden ist, dass sie lieber ausgewiesenen Betrügern wie Andrew Wakefield glauben als dem Robert-Koch-Institut? Lieber ominösen Videos auf Youtube als Fakten, basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen?
Die Frage ist: Wie bekommen wir die verlorene Glaubwürdigkeit zurück?
Und DIE Frage kann ich nicht beantworten, denn jede mögliche Antwort die ich hätte, würde nicht nur einen grundlegenden Systemwandel beinhalten, sondern auch eine Rückkehr zur humanistischen Bildung sowie die Aufhebung des dreigliedrigen Schulsystems.
Und bei aller Liebe: Da sehe ich noch nicht mal ansatzweise eine Chance für.
Meinungen? Gerne auch kontrovers?
Veröffentlicht am 2. März 2015, in Nachdenkliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 26 Kommentare.
Ach, da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll…
Humanismus ist ein schönes Stichwort. Etwas vereinfachend könnte es uns weiterhelfen, wenn bei allen Entscheidungen, egal wo und von wem, wieder der Mensch in den Mittelpunkt gerückt würde. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – wenn dieser Satz wirklich so gelten würde und bei allen Entscheidungen tatsächlich das Leitprinzip wäre, wäre schon viel gewonnen.
Derzeit steht aber meines Erachtens nicht der Mensch im Mittelpunkt, sondern der Profit oder einfacher das Geld. Der Tanz ums Goldene Kalb wird immer irrer, oftmals so wild, dass jeder versucht, näher heranzukommen und dabei den nächsten wegstößt oder niederschlägt, der dabei im Weg steht. Im Fachdeutsch nennt sich das dann „neoliberal“. Den Menschen wird von klein auf beigebracht, dass jeder auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und nur Egoismus zählt – daraus entsteht dann Pegida fast schon zwangsläufig. Und weil man es gewöhnt ist, von allen Seiten mit Aussagen bombardiert zu werden, die einem bestimmten Zweck dienen, mißtraut man irgendwann allen „offiziellen“ Aussagen und gibt sich wirren Verschwörungstheorien hin. Snowden hat dann wiederum gezeigt, dass die schlimmsten VTs mitunter noch zu harmlos gedacht sind. Und wieder ist die Politik nicht willens, etwas für die Menschen zu tun – aus „Staatsraison“ wird die Sache nicht nur nicht verfolgt, sondern die Untersuchung noch behindert. TTIP, Ukraine, um nur mal zwei aktuelle Stichworte zu nehmen, zeigen das gleiche Schema: den offziellen Verlautbaren ist nicht zu trauen, weil sie tatsächlich falsch, unvollständig oder irreführend sind, oftmals von den Medien sekundiert. Die Menschen sind aber trotz aller Versuche, sie einzuwickeln, immer noch wach genug, um den Mist zu riechen, den man ihnen als Braten unterjubeln will. Und wenn das wieder und wieder passiert, ist das Mißtrauen irgendwann schier unüberwindlich. Und bei „alternativloser“ Politik oder einer „marktkonformen Demokratie“ spüren die Menschen halt doch, dass man sie auf deutsch gesagt verarscht, und wenden sich frustriert ab. Die Wahlbeteiligungen der letzten Jahre zeigen es ja überdeutlich.
Wie gesagt: Wenn die Politik den Menschen in den Mittelpunkt stellte, und die Medien sich auf ihr Handwerk besännen und wirklich berichteten und nicht Meinung machten, dann könnte sich was ändern. Wenn dazu dann noch eine Bildungspolitik käme, die den Namen verdiente, könnte sich wirklich was ändern.
Hmmm. Ich steige aus, wenn unser Schulsystem als dreigliedrig bezeichnet wird.
Gymnasien, Waldorfschulen, Gesamtschulen, Realschulen, Hauptschule, Sonderschulen für Lernbehinderte, Schulen für Körperbehinderte, egal wie man die bewertet, in der Realität sind es mehr als drei. Und die kann man von mir aus auch alle beibehalten.
Nur Unterricht, in dem Kinder nach der Anlauttabelle „Schreiben lernen“, der sollte verboten werden…
Wer ist dafür verantwortlich, und was, ab von der Tatsache, dass ein scheinbar dümmeres Volk leichter zu regieren sei, versprach man sich davon?
Förderschulen gibts zumindest in NRW nicht mehr – Inklusion läßt grüßen, die Kinder gehen jetzt alle auf die Regelschule.
Anlauttabelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Anlauttabelle
http://de.wikipedia.org/wiki/Schriftspracherwerb
Waldorfschulen sind Teil des dreigliedrigen Schulsystems, je nach dem Abschluss, den sie bieten, Gesamtschulen ebenfalls, sie haben lediglich die drei Schulformen Haupt-, Realschule sowie Gymnasium in einer Schule zusammengefasst.
Das dreigliedrige Schulsystem ist ein System zum Differenzeren. Nicht zum Integrieren. Es ist unfair, nur nach unten hin durchlässig und sollte dringend abgeschafft werden.
Ähm nö, Gesamtschulen sind nicht zwingend Teil des dreigliedirgen Schulsystems. Die additiven Gesamtschueln wohl, die sind aber eigentlich wirklich nur drei Schuelen unter einem Dach.
Die integrierten Gesamtschulen, von denen leider nicht mehr viele übrig geblieben sind, sind schon anders. Zwar wird ab einer bestimmten Klassenstufe auch in zunehmend mehr Fächern nach Leistungsfähigkeit in verschiedenen Kursniveaus differenziert, das System ist aber horizontal erheblich durchlässiger als die drei Schulformen nebeneinander. Bis zum Ende der Sekundarstufe 2 (Klasse 10) ist ein Wechsel zwischen den Niveaus eigentlich wirklich problemlso möglich, vor allem können in verschiedenen Fächern Kurse verscheidenen Niveaus besucht werden. Dass dies auch praktisch funktioniert, haben wir bei uns selbst erlebt. Erst ab Übergang in die Oberstufe führen alle Wege zum Abitur.
Leider wurde auch in Hessen versucht diesen Schultyp wegzuschrumpfen, zu verwässern und irgendwie los zu werden, was gottseidank nicht ganz geklappt hat.
Und leider hat trotz landesweit einheitlichem Abitur das Abitur an einer integrierten Gesamtschule immer noch einen Haut Gout des zweitklassigen.
Das nenn ich ja mal ne 180 Grad Wende. Vor ein paar Wochen waren, in diesem Blog, die Leute die auf Pegida Demos gehen alles brauner Dreck und nun sind sie die Unverstandenen/Ungebildeten/Dummen. Erst beschimpfen und dann bemitleiden. Ob denen das besser gefällt wenn jemand aus seinem Kämmerlein ihnen allen mindere Schulbildung und Dummheit unterstellt?
Öhm… zum Einen: Wenn ich das richtig gelesen habe, hat Tantchen weder das eine noch das andere pauschal unterstellt. Zum anderen: Pegida ist nunmal 1a Dünger für alle Bewegungen, die sich um „deutsche Standards“ sorgen und „kümmern“. Dass in dieser Bewegung von durchaus intelligenten Menschen mit Parolen, die bereits seit annähernd 100 Jahren immer mal wieder bei uns auftauchen, versucht wird, sich eine Machtbasis zur Durchsetzung ihrer durchaus als menschenverachtend zu bezeichnenden Ziele zu schaffen, macht mir, wie hoffentlich vielen anderen auch, Sorgen.
Abkanzeln, wegsperren oder ignorieren sind da aber nicht die richtigen Mittel, um dem entgegen zu wirken. Pegida muss im Rahmen eines offen geführten Dialogs über die Sorgen und Ängste der Anhänger die Basis löchrig gemacht werden, sodass irgendwann nur noch das tiefbraune Gerüst, auf dem diese Bewegung aufgebaut wurde, für alle sichtbar stehen bleibt.
Falsch. Such den Artikel Nervgida. Einfach ein paar Tage zurück. Ich sag nur 180 Grad.
Falls du es nicht findest Zitat:
Isset nicht hübsch wie plötzlich alle meinen, man müsse die Pegidioten “zurückholen” und “da abholen” wo sie wären.
Nö. Muss man nicht. Mit diesen Leuten redet man nicht, man macht das, was bundesweit die Anti-Pegida-Bewegung macht: Ausgrenzen, auslachen, ausbooten. Aber ganz sicher nicht ernstnehmen, indem man “Gesprächsbereitschaft signalisiert” mit Aufhetzern, die von “Lügenpresse” schwadronieren und in Leipzig sogar anfangen, Journalisten gezielt zu jagen und zu verfolgen.
*seufz*
Pegida-Initiatoren ≠ Pegida-Anhänger
Dass Tante Jay im ersten Artikel ganz allgemein Pegidioten geschrieben hat, kann man vielleicht unglücklich nennen. Oder sich darin verrennen und eventuelle spätere Richtigstellungen (wie hier im Text oben) als „RetCon“, Rechtfertigung oder (Ver-)Fälschung bezeichnen, weil’s so halt besser in das eigene Meinungsbild passt.
Von daher: Es ist durchaus sinnvoll, den Versuch zu unternehmen, den (momentanen) Pegida-Anhängern zuzuhören und zu schauen, ob, und wenn ja, wie ihnen bei ihren Problemen geholfen werden kann. Die Initiatoren und alle, die sich solchen Gesprächsversuchen verschließen, sind dann ein anderes Thema.
Hmm, wenn ich das richtig gelesen habe, meint das Tantchen ja auch nicht die braune Basis, die erst genommen werden soll, nicht die „Köpfe“ der Pegida Bewegung, sondern die kleinen Leutchen müssen mal aufgeklärt und abgeholt werden. Den Braunen Dreck, den sollte man ausgrenzen, ignorieren oder wegsperren.
Zitat: „Die Organisatoren links liegen lassen, weil das Idioten sind und dafür mit den Leuten reden.“
Die Dresdner Pegida ist mittlerweile eindeutig dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Aus dem Dunstkreis heraus kamen in den Sozialen Medien zu der Flüchtlingsaktion auf dem Theaterplatz am Wochenende so Ansagen wie „Ich habe Knüppel hier, wer macht mit?“ „Benzin in die Wasserwerfer und dann anzünden“, „Weiße Kapuzen aufsetzen und mal richtig aufmischen“, alles mit eindeutigem Bezug auf die Flüchtlinge. Es reicht ja schon, dass Bachmann und Konsorten da reden, die sind sowas von rechts. Aber mit etwas Glück muss der Bachmann demnächst in den Bau, er hat da eine Bewährungsstrafe im Zusammenhang mit Unterhaltspflichtverletzung am Hals und steht wegen einer neuen Pflichtverletzung bald vor Gericht.
Das Schlimme ist ja, dass immer noch jeden Montag 5000 Nasen da hinlaufen und applaudieren und grölen.
wie sagte Einstein zu Soldaten: „Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; er hat sein großes Gehirn nur aus einem Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. “ Das trifft auf die Pegiden so ähnlich zu.
Wo isn mein Kommentar hin? O.o
Egal, Steffko? So markiert besser?
ich geh nu Bett. Nacht.
Warum sollte das meine Meinung bezüglich einer klassischen Wendehalswende ändern. Das Zitat stammt von deinem Artikel. Von dir geschrieben.
Nein? Erklärs mal.
Erklärung fehlt weiterhin, wieso das eine „Wendehalswende“ sein sollte?
Irgendwie finde ich Schulterschlüsse wie zB zwischen Impfgegnern und rechten Bewegungen wie Pegida et al. nichts Neues.
Denn sich die Realität so zurechtzulügen, wie man sie aufgrund der eigenen Ideologie gerne hätte, gehörte schon immer gerne zu den Merkmalen totalitärer Ideologien.
Unter dem NS-Regime (Anm.: wer jetzt „Godwin!“ schreit, hat nichts verstanden) gab es zB die Deutsche Physik, in der Relativitätstheorie und Quantenmechanik abgelehnt wurden, weil diese „jüdisch“ waren und daher falsch zu sein hatten. Heinrich Himmler ließ „erforschen“, ob die Homöopathie von der SS im Sanitätsdienst eingesetzt werden könne (ob zB Blei D100 gegen Kopfschüsse hilft, ist aus nachvollziehbaren Gründen nicht überliefert), und die diversen als „Forschung“ verkauften Greueltaten in den KZ sind ja hinlänglich bekannt.
Und unter Stalin wurde Blödsinn wie der Lyssenkoismus verzapft und verschiedene Wissenschaften als „bourgeoise Pseudowissenschaften“ unterdrückt.
Totalitäres und wissenschaftliches Denken sind eben einfach unvereinbar. Ich denke, das ist einer der Gründe, warum zB gerade in rechten Kreisen esoterisches Gedankengut gut ankommt – es ist eben praktisch, wenn man sich seine Realität so zurechtbasteln kann, wie man sie gerne hätte.
USA, Syphilis-Forschung an Schwarzen. Passt da auch gut rein.
@Syphilis-Forschung:
Nicht ganz. Die Tuskeegee-Studie war menschenverachtend, ethnisch verwerflich und schlicht und ergreifend ekelhaft, das steht außer Frage.
Ein kleiner Unterschied besteht allerdings zu Impfgegnern und anderen Esoterik-/Pseudowissenschaftsgläubigen meines Wissens nach doch. Und zwar darin, dass bei der Tuskeegee-Studie objektiv und neutral betrachtet zumindest die Methodik paßte und diese daher zumindest Ergebnisse lieferte, die auch verwertbar waren.
Und um es noch einmal zu betonen: dass sie ethisch und moralisch unter aller Sau und durch nichts zu rechtfertigen war, steht außer Frage. Die Studie ist jedenfalls ein klares Beispiel, dass der Zweck eben nicht die Mittel heiligt.
Im Gegensatz dazu genügten die erwähnten „Experimente“ und „Forschungen“ sowohl im Dritten Reich als auch in der Sowjetunion unter Stalin nicht einmal ansatzweise wissenschaftlichen Grundsätzen. Das waren alles nichts anderes als von vorherein zum Scheitern verurteilte Versuche, Tatsachen an das Wunschdenken der jeweiligen Ideologie anzupassen.
Im Grunde also das gleiche, wenn sich heute zB Impfgegner auf die Studie von Andrew Wakefield zur MMR-Impfung und Autismus beziehen, die zwar auch bereits 2010 von The Lancet wegen ihrer Mängel zurückgezogen wurde, was aber Impfgegner nicht daran hindert, damit weiterhin fleißig hausieren zu gehen (und sie bei Bedarf auch zB mit Verschwörungstherorien von „Big Pharma“ et al. zu verteidigen).
Oder diverse „Studien“ und „Untersuchungen“ zu negativen Auswirkungen der Strahlung von Mobilfunkmasten (die manchmal sogar Unterhaltungswert bekommen, wenn signifikante Steigerungen von Erkrankungen in der Umgebung von Masten nachgewiesen werden, die noch gar nicht eingeschaltet oder sogar noch nicht einmal gebaut wurden).
Und, und, und – solche Beispiele von „ich mach mir die Welt, widde-widde-wie sie mir gefällt“ gibts ja genug.
Ceterum censeo:
Neben ethischen und moralischen Aspekten kommt beim ganzen pseudowissenschaftlichen und esoterischen Krempel von Pegidajüngern et al. eben noch etwas dazu: Dass es schlicht und einfach realitätsferner Unsinn ist, der rein auf einem magischen und/oder Wunschdenken beruht (und das unter Umständen auch teilweise schon an der Grenze zum Pathologischen liegen kann oder diese überschreitet).
Und sorry, ich hab den Eindruck, meine ADHS machts mir momentan grad wieder mal schwer, meine Aussagen kurz und prägnant zu formulieren und auf den Punkt zu bringen.
Nothing for ungood – ich arbeit grade dran, sie wieder einzufangen und an die Leine zu legen. 😉
Bei den ganzen zweifelhaften „Experimenten“ im Dritten Reich und unter Stalin sollte man aber auch nicht die Japanischen Greuel vergessen, z.B. die sogenannte Unit 731.
Die waren nicht nur unwissenschafftliche „Versuche“, sondern einfach auch nur Schund, damit die jeweiligen Mengeles und Ausführenden mal was zum Foltern hatten und ihre Gespinste und Ambitionen ausleben konnten.
Wenn ich mich recht entsinne, gab es da auch gar nichts was irgendwie verwertbar war, zumindest die Achsen-Sachen.
Anyway bei den Ami-Impfgegner brodelt es auch mal wieder durch mit Autism-Day (oder -One), wo mal wieder die olle McCarthy hetzt und auch „Politiker“ wie Robert Kennedy Jr. (yo, diese Kennedys) dann Impfen auch gleich mit Nazis gleichzieht und Co.
@Einheit 731: Stimmt, das Beispiel hatte ich ganz vergessen.
Und ad „einfach auch nur Schund, damit die jeweiligen Mengeles und Ausführenden mal was zum Foltern hatten[…]“: Wie es die österreichische Ärztin und Juristin Ella Lingens (die selbst Auschwitz und Dachau als Häftling erlebt hat) ausdrückte: „Die Zivilisation ist nur eine ganz dünne Decke“.
Ich bin der Meinung, prinzipiell schlummert in jedem Menschen eine Bestie à la Mengele und Konsorten, die ohne moralische und/oder ethische Schranken zu allem bereit ist.
Deswegen darf man auch sich selbst eben auch niemals sicher fühlen, dass man zu „den Guten“ gehört. (Hmmm… dazu gehört man eigentlich nur, wenn man selbstkritisch bleibt und eigene Ansichten immer wieder überprüft und hinterfragt.)
PS@Tantchen: Die gmx.org-Adresse, die ich hier immer wieder verwendet habe, gibts seit ein paar Monaten nicht mehr (die, die ich bei diesem Kommentar verwendet hab, ist aktuell).
Hab ich vertüddelt und erst jetzt bemerkt. Sorry, my bad.
Macht nix, schalt ich dich halt wieder frei. Kein Ding 🙂
Es gab mal einen Film im Religionsunterricht. Ich wußte nicht, was das für ein Film war. Gezeigt wurden Menschen, die die Aufgabe hatten, einen Knopf zu drücken, wenn der Mensch auf der anderen Seite eine falsche Antwort gab, was steigende Stromstöße auslöste. Ich war 17 und in mir wuchs der Horror.
Die Jungs machten Witze, wurden aber stiller. Und ich fühlte mich angewidert. Die Leute auf der anderen Seite flehten und bettelten darum, rausgelassen zu werden. Der Knopf wurde dennoch gedrückt.
Ich habs nicht ausgehalten – ich bin rausgegangen. Mit einem angewiderten und wütenden Blick in Richtung Lehrer: „Was soll der kack?“.
Nach mir sind noch weitere rausgegangen, 5 Mädchen, ein Junge. Wir haben gemeinsam auf das Filmende gewartet.
HEUTE kenne ich den Film. Das Milgram-Experiment. Damals wusste ich nichts darüber, ich war nur zutiefst abgestoßen und wollte nicht daran teilhaben. Um ehrlich zu sein, ich wollte nur noch weg von den Schreien. Ich glaube bis heute nicht, das ich fähig gewesen wäre, den Knopf zu drücken, egal wie sehr der „Studienleiter“ mich angebrüllt hätte. DIE Schreie – die hätte ich nicht auslösen wollen.
Ich sag das nicht, um mich selbst zu loben. Denn ich hab auch die andere Seite gesehen: Leute, die wußten: Isn Film. Is nich echt. Und die über die Schreie witzelten. Und ja, die zivilisatorische Decke ist verdammt dünn.
Das Gespräch nach Abschluss des Films war zumindest interessant.
@Mailadresse: Schanke dön. 🙂
Ad Film: Da fällt mir ein Klassiker ein, der auch sehr gut zum Thema paßt: „Die Welle“, nach dem Buch von Morton Rhue (allerdings gefällt mir insgesamt das Original von 1981 etwas besser als das Remake von 2008. Obwohl ich Jürgen Vogel in der Rolle des Lehrers auch ganz gut finde).
Alleine die Schlußszene ist DER absolute Hammer: Dr. Ross kündigt seinen Schülern erst eine Rede des großen Anführers ihrer Bewegung an, knallt ihnen dann Filmaufnahmen von Adolf Hitler aus dem Dritten Reich vor den Latz und führt ihnen damit seine darauffolgende Aussage „ihr wärt alle gute Nazis geworden“. Und alle Schüler stehen baff da und kapieren, was da eigentlich gelaufen ist.
Das triffts so dermaßen gut auf den Punkt, besser kann ichs mir nicht vorstellen.
Was das Milgram-Experiment betrifft: am erschreckendsten finde ich da, dass von den (tatsächlichen) Versuchspersonen anscheinend niemand prinzipiell gesagt: „sorry, das geht gar nicht, da mach ich nicht mit“ (zumindest hab ich den Eindruck von den Beschreibungen, die ich kenne).
Ich sehe mich selbst gerne als jemanden, der den Versuchsleitern sogar dann gesagt hätte, wohin sie sich ihre Anweisungen bis zum Anschlag stecken können, wenn die Stromquelle „nur“ eine fast leere 1,5-Volt-Batterie gewesen wäre. Allerdings hab ich auch diese fiese Stimme im Hinterkopf, die mir sagt, dass ich ziemlich sicher auch brav „meine Pflicht erfüllt“ hätte, wenn jemand nur die richtigen Knöpfe bei mir gedrückt hätte.
Das macht mir einerseits durchaus ein wenig Angst; aber andererseits beruhigt es mich auch, genau diese Angst zu empfinden.
Ich weiß wirklich nicht, wie ich in der jeweiligen Situation handeln würde. Vor allem dann nicht, wenn gewisse Knöppe gedrückt würden.
Aber ich weiß ziemlich genau, dass ich irgendwann den Schlußstrich ziehen würde.
Wie weit? Das hinge wohl von der Situation ab.
Zum Thema „Pflichterfüllung“ sei Euch mal die Deutschstunde von Siegfried Lenz ans Herz gelegt.
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