Über die Remonstrationspflicht
Eine Sache die mir mit dem ehemaligen Generalbundesanwalt gegen den Strich geht, ist das Ding mit der Remonstrationspflicht – und wie sie ausgeübt werden sollte. Das musste erstmal bissi wachsen bei mir. Aber irgendwann stand ich wirklich da und hab mir mit der flachen Hand vor die Stirn gekloppt.
Range hat ja behauptet, dass der Bundesjustizminister mit der Anweisung, das Gutachten zu stoppen, in die Unabhängigkeit der Justiz eingegriffen hätte.
Unabhängig davon, dass die Generalbundesanwaltschaft eine vom Justizministerium abhängige Behörde ist und der Generalbundesanwalt deshalb weisungsgebunden war:
Wenn er wirklich dieser Auffassung gewesen wäre, wäre das ein Fall für die Remonstrationspflicht des Beamten gewesen. Range war in seiner Eigenschaft als Generalbundesanwalt Beamter. Für ihn galt das Beamtenrecht.
Die übrigens nicht per Pressekonferenz ausgeübt wird.
Beamte dürfen rechtswidrigen Anweisungen nicht Folge leisten. Sie müssen (!) hier remonstrieren, also sich schriftlich auf die Hammelbeine stellen und dem Anweisenden sagen, dass seine Anweisung gegen geltendes Recht verstößt.
Beharrt der Anweisende dann auf seiner Anweisung UND ist er Weisungsbefugt, ist der Remonstrierende von rechtlichen Konsequenzen befreit. Aber nur dann.
Ich hatte auf meiner Arbeit einmal einen derartigen Fall, den ich tatsächlich so eskalieren lassen musste. Rechtswidrige Anweisung. Schriftlicher Vermerk an Chef: „Geht nicht. Kommen wir in Teufels Küche.“
Chef schreibt drunter: „Egal, trotzdem machen“. Ich guck mir den Fall an, seh, was da für Konsequenzen drin sind und schreibe Chef zurück: „Such dir wen anderes, das ist rechtswidrig, das mach ich nur, wenn ich eine ausdrückliche, schriftliche Anweisung bekomme, wo in aller Deutlichkeit drinsteht, dass du über die Rechtswidrigkeit informiert wurdest und ich das trotzdem ganz genau so machen soll.“
Thema erledigt. Das hat er sich dann doch nicht getraut. Vermerke im Giftschrank abgelegt.
Das wäre die Vorgehensweise gewesen, wäre Range von der Rechtswidrigkeit wirklich überzeugt gewesen. In seiner Position dürfte er die einschlägigen Paragrafen des Beamtenrechts nicht nur kennen, sondern auch herbeten können, zudem müsste er recht genau wissen, dass er eben NICHT Leiter einer unabhängigen Behörde ist.
Also zielte sein dramatisches Auftreten rund um die Unabhängigkeit der Justiz alleine darauf, seinen Chef zu beschädigen. Und um sich selbst reinzuwaschen. Denn Ranges Bilanz ist alles andere als gut.
– Snowden-Dokumente „reichten nicht aus“ für den Anfangsverdacht, dass die USA in Deutschland spionieren. Ermittlungen: Keine.
– Netzpolitik veröffentlicht subwichtige Organisationspläne einer Geheimdienstbehörde: „Landesverrat“.
Es hätte Range gut angestanden, hätte er mal kurz verlauten lassen, wie sehr denn das Justizministerium im Abhörfall gebremst und im Netzpolitik-Fall geschoben hätte.
Weil man dann nämlich den Richtigen erwischt hätte. So bleibt ein sehr fader und bitterer Beigeschmack.
Bäh.
Veröffentlicht am 16. August 2015, in Ärgerliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 6 Kommentare.
Range hätte formal nur remonstrieren können, wenn er den Nachweis für die Anweisung hätte erbringen können, was aber nicht der Fall gewesen sein dürfte, weil es bieher die Regel war, dass Weisungen des Justizministers an den Generalbundesanwalt NIE schriftlich gegeben wurden sondern in der Regel Staatssekretätere telefonisch im Rahmen einer „Dienstbesprechung“ eine „Prüfbitte“, „Empfehlung“ oder „Vereinbarung“ übermittelten, worüber der jeweilige Generalbundesanwalt eine Handakte anlegte, die automatisch zum Dienstgeheimnis wurde und somit nicht preisgegeben werden durfte. Um zu Remonstreiren hätte andererseits eine schriftliche Weisung vorliegen müssen, was vermutlich aber nicht der Fall gewesen ist. Der Justizminister selbst hat sich rausgewunden, indem er betonte, dass es sich eben nicht um eine formale schriftliche Weisung gehandelt habe.
Range hat zweifellos ein Tabu gebrochen, er hat sich aber mit seinem Vorwurf des Eingriffs in die Unabhängikeit der Justiz nur auf Sachverhalte bezogen, die mehr oder weniger bereits öffentlich waren. Insoweit wird man ihm nicht wegen Verrats von Dienstgeheimnissen am Zeug flicken können. Dass das, wogegen sich seine Kritik wandte, illegal gewesen sei, hat er auch nicht explizit behauptet, insofern wäre er auch nicht zur Remonstration verpflichtet gewesen.
Dass man ihn nach diesem Tabubruch in den einstweiligen Ruhestand versetzen musste, war natürlich klar, er wird auch kaum etwas anderes erwartet haben.
Range war vermutlich nicht der glückhaftigste Generalbundesanwalt, formal grob falsch hat er sich in dem Fall allerdings nicht verhalten.
Letztlich hat er aber mit seinem Tabubruch eine wichtige Diskussion angestoßen, nämlich die um das Konstrukt Generalbundesanwalt als politischem Beamten. Dieses gehört abgeschaft.
Anweisungen werden schriftlich, mündlich oder in anderer Form erteilt. Die Remonstrationspflicht erstreckt sich eben nicht nur auf schriftliche Anweisungen.
Aber die Schriftlichkeit wird nachgeholt, wenn man nach einer mündlichen Anweisung sagt: „Nö, mach ich nich“
Die Unabhängigkeit der Justiz wäre sowieso so ein Thema. Meines Wissens sind alle Staatsanwälte weisungsgebunden vom jeweiligen Justizministerium. Und beim Bundesverfassungsgericht frage ich mich manchmal, wie weit es mit der Unabhängigkeit der Richter wirklich her ist, wenn diese ihre Stelle u.a. dem richtigen Parteibuch verdanken. Zudem sind die obersten Dienstherren der Richter ja auch die Justizminister, die sich zwar hüten werden, da irgendeinen Einfluss ausüben zu wollen – aber Wohlverhalten wird mit Beförderungen belohnt, so funktioniert ein Beamtenapparat nun mal. Querulanten werden sicher keine Karriere machen.
Staatsanwälte gehören, IIRC, zur Executive und sind somit defintiv weisungsgebunden!
Unabhängig und „nur dem Gesetze unterworfen“ sind Richter (und nur sie) -> § 97 abs. 1 GG. Staatsanwälte sind nach § 146 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) an die Anweisungen ihrer Vorgesetzten gebunden. Rechte, Pflichten und Ausnahmen regelt § 63 BBG (Bundesbeamtengesetz) und dies ist in Hinsicht auf Remonstration eindeutig.
Was der Mann da gemacht hat, ist in meinen Augen höchst fragwürdig (um nicht zu sagen lächerlich). Einerseits klar Stellung beziehen was die Rechtsauffassung (Verrat von Staatsgeheimnissen) betrifft, andererseits ohne „Gegenwehr“ einknicken, wenn der Vorgesetzte diese (warum auch immer) nicht teilt und das dann als „unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz“ zu bezeichnen (welche rechtlich nun mal nicht gegeben ist). Fail Herr Range, mal wieder.
Der BGH-Richter Thomas Fischer sieht das ganz genauso. Er schreibt:
„Wenn der Generalbundesanwalt eine nach seiner Ansicht rechtswidrige und fachlich falsche „Weisung“ erhielt, deren Befolgung ihn gar in die Gefahr der Strafbarkeit bringen konnte: Wann und wie hat er von seinem Recht und seiner Pflicht zur Remonstration Gebrauch gemacht?
Ein weisungsabhängiger Beamter ist gemäß Paragraf 63 Absatz 2 Bundesbeamtengesetz verpflichtet, Anweisungen seines Vorgesetzten auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Wenn er diese für nicht gegeben hält, muss (!) er (möglichst förmlich) eine Gegenvorstellung erheben. Erst wenn die oberste Dienstbehörde auf ihrer Weisung besteht, muss der Beamte sie ausführen, es sei denn, die Ausführung wäre eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Der Beamte muss also seine Rechtsansicht deutlich machen. Auf sein Verlangen müssen (!) die Anordnung und die Bestätigung der Anordnung schriftlich verfasst werden (Paragraf 63 Abs. 2 Satz 3 Bundesbeamtengesetz).
Wie ist der Generalbundesanwalt dieser Pflicht nachgekommen? Und wenn nicht: Warum nicht? Nachträgliche Pressekonferenzen und Wichtig-wichtig-Verlautbarungen zählen nicht zum Repertoire der Remonstration.“
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-08/pressefreiheit-netzpolitik-fischer-im-recht/komplettansicht