Ein langes Leben
Hans-Dietrich Genscher war der am längsten amtierende Außenminister Deutschlands. Von 1972 bis 1992 war er fast ununterbrochen Außenminister – eine Karriere, die ihresgleichen sucht.
Er hat Deutschland geprägt. Er hat das Bild Deutschlands in der Außenpolitik geprägt.
Natürlich nicht unumstritten – das kann ein Politiker nicht sein. Wenn man das nicht aushält, muss man den Job lassen. Er hat es ausgehalten. Unter Willy Brand, Helmut Schmidt und Helmut Kohl.
Er hat gesehen, wie die Mauer aufgebaut wurde – und wie sie fiel. 89 Jahre sind eine lange Zeit. Und sein letzter Coup, die Begnadigung Chodorkowskijs, war durch und durch die Handschrift des alten Fuchses. Ein letztes „ich kanns noch“.
Man mag zu ihm gestanden haben, wie man will, trotzdem bleibt am Ende nur eins: Danke, Hans-Dietrich. Für ein langes Leben, für die Opfer – und für die Bescheidenheit, von denen sich die heutigen Politiker oftmals eine Scheibe abschneiden können.
Den eins konnte man nie von ihm sagen: Dass er den Kopf in den Wolken hatte. Realist durch und durch, dabei bodenständig und halt bürgerlich.
Danke und machs jut. Hast dir deine Ruhe redlich verdient.
Veröffentlicht am 1. April 2016, in Nachdenkliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 3 Kommentare.
Ich habe in den 80ern einige Jahre einige hundert Meter entfernt von seinem relativ bescheidenen Reihenhaus in Wachtberg Pech bei Bonn gewohnt. Trotz seines doch erheblichen Gefährdungsstatus haben Genschers nach meiner Einschätzung immer versucht, soviel Normalität wie möglich für sich und ihre Nachbarschaft zu behalten. Am Eingang an der Straße stand ein Wachhäuschen mit Bewaffneten besetzt, am Garteneingang hinter dem Haus am daran vorbeiführenden Weg auch. Alles wurde aber betont unspektakulär gehalten, und man konnte Genschers, natürlich auch mit Personenschutz, durchaus an einem Wochenende beim Spaziergang durch die Felder begegnen.
Unspektakulär aber wirksam werde ich ihn in Erinnerung behalten, vermutlich derjenige Außenminister, der in seiner Amtszeit am meisten bewirkt hat und obwohl ich nicht gerade ein Fan der Partei bin, mir der sympathischste Freidemokrat von allen.
@ Karl: Danke für die Einsichten. Genscher war sicher einer der wichtigsten deutschen Politiker der letzten 40,50 Jahre. Er war wohl in der Tat auf dem Teppich geblieben. Bei seinem Auftritt in Prag kriege ich heute noch Gänsehaut, was aber nur zum Teil an ihm liegt…
Das einzige, was ich ihm aus einer naiven Sicht eines (damals) Kindes heraus bis heute übel nehme, ist der Bruch mit der SPD. Das habe ich als damals 12jähriger schlicht als Verrat empfunden.
Was FDP-Politiker angeht, so ist mir Gerhard Baum auch sehr sympathisch geworden, allerdings erst nach seiner Politikerkarriere. Bei Baum habe ich das Gefühl, dass ihm Bürgerrechte genuin am Herzen liegen.
Nach Westerwelles Tod habe ich einen Nachruf von Gysi gelesen, der ein anderes, persönlicheres Bild von Westerwelle zeichnete – das fand ich sehr beeindruckend. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gregor-gysi-zum-tod-von-guido-westerwelle-persoenlicher-nachruf-a-1083172.html
Mitunter wundere ich mich über die Diskrepanz des Personals der FDP zu deren Politik.
Die Menschen aus Ex-Jugoslawien, die ich so kenne, haben eine ganz klare Meinung zu „Genschman“. Kroaten und Moslems pro, Serben contra. Liegt an seiner Rolle im heraufziehenden Bürgerkrieg.