March 4 our lives


Was hier dramatisch klingen würde, ist in den USA eine treffende Zustandsbeschreibung. „March 4 our lives“ ist eine Protestbewegung, die sich gegen unkontrollierten Waffenverkäufe und vor allem dagegen richtet, auch noch die Schulmaus bis an die Zähne zu bewaffnen.

Die USA waren demokratisch tot. Die Leute abgestoßen von einer Politik, die sich in immer wiederkehrenden Ritualen in ihren Festungen häuslich eingerichtet und -gebunkert hat.

Es gab Demokraten und es gab Republikaner. Die Positionen waren unvereinbar (und sind lustigerweise vertauscht, was heute die Demokraten sind waren in früheren Zeiten die Republikaner und umgekehrt) und festzementiert.

Rassimus war unter der Decke gehalten – man konnte sich in dem warmen Bewußtsein wiegen, dass alles in Ordnung ist.

Und dann kam Trump.

Was ich beobachten kann, ist, dass selbst diejenigen politisiert werden, die Politik zum kotzen finden. Es gehen Leute auf die Straße, von denen man das nie geglaubt hätte. Um für Rechte zu protestieren, von denen sie glaubten, es wären ihre.

Offensichtlich hat Trump dem Frosch das Wasser zu schnell hochgedreht – das „babysteps“-Programm der TeaParty, die USA in eine Theokratie umzuwandeln, zu sehr aufgedreht. Die Leute werden wach. Möglicherweise, es besteht eine klitzekleine Möglichkeit, dass das rechtzeitig geschehen ist.

March 4 our lives – das ist eine Protestbewegung, die versucht, die Politik dahin zubringen, wo sie eigentlich hingehört: In die Hände derjenigen, die davon betroffen sind.

Eine Majorität in den USA will stärkere Waffenkontrollen. Die NRA, die schätzungsweise 100% der Abgeordneten in beiden Häusern in der Tasche hat, will das nicht.

Die NRA ist zudem nicht gerade dafür bekannt, dass sie Skrupel hat. Und sie hat bis an die Zähne bewaffnete Anhänger, die inzwischen nicht davor zurückschrecken, Teenagern Morddrohungen zu schicken.

Das wirft ein ziemlich grelles Licht auf die zweite große Debatte dort: Terrorismus und wie er definiert wird. Genauso wie hier wird dort Terrorismus ausschließlich über Hautfarbe und ethnische Zugehörigkeit definiert.

Ein weißer Junge, der reihenweise Paketbomben an Schwarze schickt? Das ist der einsame Wolf, den man *unmöglich* vorher fangen kann, weil er so versteckt ist. Dass der eine ziemlich solide Vergangenheit als „White Supremacist“ hat, ist an der Stelle dann unerheblich. Möchtest du noch eine Waffe? Zum Selbstschutz selbstverständlich.

Ein Muslim ist ein Terrorist. Egal, was er getan hat. Muslime sind alles Terroristen und stecken mit ISIS unter einer Decke. 72 Jungfrauen, wissenschon.

Darum ist übrigens auch der Begriff vom Terrorismus so gefährlich: Er ist in erster Linie ein Meinungsverbrechen und dient dazu, bequem nach Belieben racial profiling zu betreiben. Hüben wie drüben.

Auch hier werden die Stimmen lauter, die mehr Waffenfreiheit zum „Selbstschutz“ fordern. Weil Muslime. Weil Vergewaltigungen. Wie das zusammenhängt, erschließt sich mir nicht. Aber da ist vielleicht das Gatestone-Institut klüger. Die haben ja immerhin jetzt einen Vorsitzenden als Trumpschen Berater.

Wir haben hier allerdings einen gesellschaftlichen Vertrag. Wir verzichten auf irgendwelche Waffendinger, weil brauchmer nicht. Wir haben ne Polizei, die uns schützen soll, dafür haben sie recht weitreichende Befugnisse und können die auch durchaus nutzen.

Wir haben das Gewaltmonopol dem Staat übertragen. Im Gegenzug dazu bekommen wir bestimmte Rechte, an die der Staat nicht rühren sollte.

Nicht erst seit Seehofer wird konstant versucht, diese Balance zugunsten des Staates zu verschieben. Sei es die Terrorismusgesetzgebung, sei es das bescheuerte Hatespeech-Gesetz, das mehr Probleme schafft anstatt sie zu lösen. Kommt davon, wenn man als Laie #Neuland betritt. Ob Herr Maas wohl weiß, was ein Hashtag ist?

Oder sei es die Gängelung der Leute durch HartzIV und Grundsicherung mit dem stolzen Hinweis: „Gibt keine Armut“. Oder mit dem immer noch obsoleten Privatpatientenbonus für gewisse Leute, Beamte eingeschlossen. Warum zum Henker gehen Termine nicht nach Dringlichkeit sondern nach Versicherung? Das ist Bullshit. So sterben Leute.

Achsoja. FDP. Da war ja was. Möge C’tulhu bewahren, dass ein Herr Lindner plötzlich in die gleiche Versicherung einzahlt wie ein gewöhnlicher Arbeitnehmer. Dafür isser nicht Politiker geworden. „Wenn wir eine Bürgerversicherung haben, würde sich die Leistung gravierend verschlechtern“ – ja, neee is klar. Erklärt mir doch mal, wie es schlechter werden soll, wenn wir nur noch EINEN Topf haben, aus dem alles bezahlt wird statt diesem hochkomplizierten System, was wir jetzt haben?

Achsoja, tut sie nicht. Sie erklärt nur – typisch in Zeiten der, ich nenne es mal „Behauptungspolitik“ – es wird eine steile These in den Raum gestellt, jegliche Belege dafür bleibt man aber schuldig. Dazu passt auch das Bullshit-Bingo hier, was viel erzählt aber nix sagt.

Überhaupt, Bullshit-Bingo. Was ist das überhaupt? Ein Heimatminister? Ist das ein Minister, den wir heim schicken können? Würde ich gut finden. Seehofersche Schuhplatteleien braucht doch kein Mensch. Seehofer braucht kein Mensch. Wir brauchen keine Bajuwarisierung Deutschlands. Wir sind hier ganz gut bedient, danke.

Es wird ja auch immer deutsche Leitkultur gefordert (ist das evtl. ein Tippfehler und man meint Leidkultur? Man weiß es nicht).

Leitkultur sollte die Kultur sein, die den Rest Deutschlands „leitet“ – ich kann mir gut vorstellen, dass Seehofer und Söder dabei durchaus Bayern im Sinn haben. Die haben jetzt die schleswigsche Kultur, die Eifelkultur (okaaaay, ich WEISS es ja), die Ruhrgebietskultur nicht wirklich im Sinn. Hinzu kommt halt ein Häuflein rund um Saarbrügge, dann noch Frangge, die mit Bayern jetzt auch nicht soviel anfangen können. Was ist mit den Sachsen – DIE Leitkultur zum derzeitigen Zeitpunkt will ich ganz sicher nüschte.

Deutschland ist und war ein Flickenteppich von Kulturen und Traditionen, die man nicht vereinheitlichen kann. Kommt doch mal nem Flensburger mit Düsseldorfer Karneval. Wir SIND bereits multikulturell von Haus aus – es ist nur die Frage, wie man jetzt noch weitere reingepfropft bekommt.

Ich denke bei sowas immer etwas in größeren Rahmen. Es war einmal vor langer Zeit, da kamen aus dem Osten merkwürdige Menschen. Man verstand ihre Sprache nicht. Man verstand ihre Gebräuche nicht – die waren so seltsam. Und das waren alles tiefreligiöse Menschen, Angehörige einer Religion, die nicht dort beheimatet war, wo sie auftauchten.

Es waren Katholiken. Polnische Katholiken, die Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland, insbesondere ins damals eher protestantische Ruhrgebiet einwanderten. Sie waren ausgestoßene in der Gesellschaft, „Fremde“, die man nicht kennen wollte.

Was blieb sind Namen wie Waschmaschinowski und Pannschüppenschewski, die im Ruhrgebiet halt noch sehr weit verbreitet sind. Polnischen Ursprungs aber die Leute hier lange „integriert“. Mehr oder weniger, wenn man sich das Ruhrdeutsch mal so anhört. Hat mit Deutsch nicht immer was zu tun, woll? Wenn ihr euch fragt, natürlich war bei der Songauswahl KEINERLEI versteckte Absicht beteiligt. Ist ja niemals der Fall.

So, und die USA?

Es ist herzerwärmend, zu sehen, wie die junge Generation (zu der ich nu mal nicht gehöre, allen Illusionen zum Trotz) die Politik versucht, an sich zu ziehen. Wie Millionen auf die Straße gehen, um gegen eine Politik zu protestieren, die tötet. In einem sehr direkten Sinn.

Aber nicht nur die junge Generation. Diese Frau hier nötigt mir einen Höllenrespekt ab.

Und meine Generation? Die hats verkackt. Wir wussten es besser, aber wir sind ja eher damit beschäftigt, fiese Sachen in der Luft (chemtrails) oder in Medikamenten (Impfungen) zu finden. Wir sind damit beschäftigt, auf jeden Scharlatan reinzufallen, egal ob er Zuckerberg oder David „Avocado“ Wolfe heißt. Und wir sind damit beschäftigt, allen den Mund zu verbieten, die uns was erzählen, was wir nicht hören wollen.

Natürlich ist das eine Verallgemeinerung. Wir sind ja nicht alle so.

Aber viel zu viele.

In diesem Sinne

Schönen Restsonntag. Und jault nicht rum wegen Jetlag. Die Sommerzeit gibts seit über 100 Jahren. Irgendwann wirds langweilig.

 

 

 

Veröffentlicht am 25. März 2018, in Nachdenkliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.

warf folgenden Kuchen auf den Teller