Miranda’s rights


„Sie haben das Recht zu schweigen.
Alles was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.
Sie haben das Recht, zu jeder Vernehmung einen Verteidiger hinzuzuziehen.
Wenn Sie sich keinen Verteidiger leisten können, wird Ihnen einer gestellt.“
„Haben Sie die Rechte verstanden, die ich Ihnen soeben vorgelesen habe?“

Die Miranda rights kennt in Deutschland jeder Serienfan. Wenn der Verdächtige verhaftet wird, werden ihm seine Rechte vorgelesen. Hintergrund ist dieses Urteil.

Carlos Miranda ist der Lebenspartner von Glenn Greenwald, dem Journalisten, der die Leaks von Edward Snowden publik gemacht hat. Und der die brilliante Salamitaktik verfolgt, die die Geheimdienste dieser Welt nicht zur Ruhe kommen läßt. Immer, wenn man zugeben musste: Ja, die Unterlagen sind korrekt, aber jetzt haben wir alles aufgeklärt, kam der nächste Kracher, der dann noch eine Spur härter war als das, was bereits veröffentlicht wurde.

Die Geheimdienste sehen sich zum ersten mal mit einer wirklichen Kontrolle ihres Handelns konfrontiert und es stellt sich die Frage: Was gibt es noch für Material? Ein Hinweis sind die Reaktionen, die derzeit weltweit zu beobachten sind.

Die Geheimdienste sind dünnhäutig geworden. Empfindlich.

Spaziergänge zum Dagger-Komplex in Deutschland werden schon mal via Polizeihubschrauber und einem Großaufgebot an Polizei überwacht.

Und Carlos Miranda wird 9 Stunden am Flughafen Heathrow festgehalten und man stiehlt dort seine komplette Elektronik. Er wird gezwungen, die Passwörter herauszugeben und offensichtlich auch mit Gefängnis bedroht. Völlig ungerechtfertigt. Aber im Einklang mit dem Gesetz. Offensichtlich.

Den Beteiligten musste klar sein, dass Carlos Miranda mit den Enthüllungen seines Lebenspartners wohl nicht viel zu tun hatte. Er hatte ihm geholfen, die Unterlagen zu sichten, aber veröffentlicht hat das Glenn Greenwald.

Es handelte sich hier um die Anfänge der Sippenhaft: Kannst du den Schuldigen nicht zum Schweigen bringen, halte sich an seine Familienmitglieder, das wird ihn brechen.

Hat, Gott sei Dank, nicht funktioniert. Im Fall Greenwald/Miranda kam wohl noch ein anderes Element hinzu: Homophobie. Man wollte Greenwald als „Schwuchtel“ bloßstellen, dessen Veröffentlichungen alleine deswegen unglaubwürdig sind und ist jetzt ziemlich entsetzt, dass dieser Schuß direkt ins Gesicht des Abfeuernden explodiert.

Und dann gehen Geheimdienstmitarbeiter auf Geheiß von David Cameron hin und zwingen die Journalisten des Guardian, Festplatten und Laptops zu zerstören.

Das ist ein direkter Angriff auf die Pressefreiheit, angeordnet vom Premierminister eines demokratischen Landes und durchgeführt von den unkontrollierbaren Geheimdiensten. „Ihr hattet euren Spaß, nun muss gut sein“.

Alan Rusbridge, Glenn Greenwald, der Guardian, sie alle zählen zu der Art von Journalisten, die wir gerade jetzt dringend brauchen: Journalisten mit Rückgrat, die die Pressefreiheit vehement verteidigen. Hier in Deutschland wachen die Medien derzeit auf. Spiegel Online, Zeit, FAZ – alle großen Medienhäuser haben das gebracht.

In Großbritannien? Da rollt noch der Tumbleweed durch die Straßen. BBC hat die Zerstörungsaktion in einer Fußnote gebracht, die anderen Zeitungen gar nicht. Es war offensichtlich nicht wichtig genug.

Das ganze ist leider keine Einzelaktion, es ist ein Trend, die Regierungen rutschen alle nacheinander mehr in Richtung Autokratie und Diktatur als in Richtung Demokratie. Geheimgerichte („FISA“), Geheimverfügungen, die Anordnungen geheim zu halten. Wenn nicht: Gefängnis.

Das sind Einschüchterungsmethoden, genauso wie das Vorgehen der GHCQ gegen den Guardian ein reines Einschüchterungsmanöver war – und möglicherweise der Versuch, an die Daten heranzukommen, über die der Guardian verfügt und die noch nicht veröffentlicht sind.

Und ich glaube, nicht nur ich frage mich angesichts der zunehmend panischen Reaktionen der Geheimdienste und der Regierungen, was denn da noch alles an Enthüllungen lauert?

Ich glaube, das Ende der Fahnenstange ist in keiner Richtung auch nur annähernd erreicht.

Und wir müssen uns allmählich fragen, wie es hier weitergehen soll.

Veröffentlicht am 21. August 2013, in Allgemein. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 13 Kommentare.

  1. Tja nun, man hat den „Kinderchen“ den lolli „geklaut“ und nun sind sie pampig.
    Was alles noch in den Dokumenten drin steht wird halt tröpfchenweise herauskommen, weil’s erstens „spannender“ ist und zweitens eine Art Rückversicherung darstellt.
    Wie ich schon mehrfach erwähnt habe:
    Alles was machbar ist wird gemacht.
    Was wir brauchen sind VERANTWORTUNGSVOLLE Menschen die auch genügend Rückrat und Arsch in der Hose haben um die „Schlapphüte“ in den Senkel zu stellen.
    Es existieren genügend Gesetze und wenn’s auf’s GG zurückführt nimmt man das, welche die Unverletzbarkeit des Menschen aka Bürger GARANTIEREN !
    Die sind da und müssen nur durchgesetzt werden !
    Und genau da beißt sich die Schlange in den eigenen Schwanz …
    In einem Staat indem „Gefallensgutachter“ Menschen beliebig in Forensiken einweisen lassen können OHNE das da eine weitere Instanz angerufen werden kann während Milliarden den Bankstern und anderen organisierten Verbrechern tief in den Allerwertesten gestopft werden stimmt was mit den VERANTWORTLICHEN nicht !
    Und genau das ist das Problem die „Mächtigen“ werden NICHT zur Verantwortung gezogen QED *smileyfehlt*

  2. ein anderer Stefan

    Ich denke, das ist ein Lackmustest für einen freiheitlichen Rechtsstaat: Wenn der Zweck die Mittel heiligt, ist es kein freiheitlicher Rechtsstaat mehr, denn mit der Logik läßt sich alles begründen, einschließlich Folter und Mord. Egal ob Sippenhaft oder Frontalangriff auf die Pressefreiheit oder sonst was.

  3. Dazu ein schöner Satz:

  4. ein anderer Stefan

    Was mir dazu noch einfällt: Erst sagen, dass alle Aussagen gegen einen verwendet werden können, und dann die Aussageverweigerung unter Strafe stellen, ist natürlich ein genialer Schachzug – die Behörden können dabei nur gewinnen. (Ja, ich weiss, dass das Miranda-Urteil aus den USA kommt. Ich nehme mal an, in GB wirds ähnliche Regelungen geben.)

    • Nein, gibt es tatsächlich wirklich nicht. Die haben so etwas wie die Miranda-rights nicht. Ebensowenig wie wir übrigens. Dieses „Sie haben das Recht zu schweigen“ gibts in Deutschland nicht.

      • Stimmt nicht Du HAST ein Aussageverweigerungsrecht !
        D.h. Du mußt NICHT bei der Polizei irgendetwas aussagen, egal ob als Zeuge oder Verdächtiger.
        Siehe z.B.:
        erstens
        zweitens
        *grummel* Sein Video bzw. der Post wo die korrekten § genannt werden finde ich net ist zu lange her …
        Du mußt nicht zur Polizei wenn sie Dich „einladen“ zur Aussage.
        Zur Staatsanwaltschaft/Gericht mußt Du bei Vorladung erscheinen aber NICHTS aussagen.
        Die Gesetze in GB sind dem „Terror“ geschuldet genauso wie das „abfummeln“ in den USA.
        Gegen internationale Rechte verstoßen die zwar aber ich weiß nicht ob GB da unterzeichnet hat, die USA haben ja schon gesagt die holen „Ihre Jungs“ aus DenHaag mit Waffengewalt raus m(
        *smileysfehlen*

        • Das Aussageverweigerungsrecht sind NICHT die Miranda-Rights.

          Die Miranda-Rights ist *nur* der explizite Hinweis bei der Verhaftung, dass das Aussageverweigerungsrecht besteht.

          Und das gibt es hier nicht.

          • Nein aber wir sind ja nicht USA wo man den gegrillten Hund aus der Mikrowelle zu Klage nehmen kann.
            Müßte mal in D ein „Miranda“ klagen das er NICHT auf seine Grundrechte verwiesen worden ist.
            Achja „Alles was sie sagen kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden“ gilt in D auch nicht, Aussagen können jederzeit widerrufen werden.
            Besonders schön kommen in D vor Gericht die „Einspruch“ Schreiereien wie in den Krimis, die gibt’s hier auch nicht !
            Ergo macht es keinen Sinn Rechtssysteme von einem Staat auf einen anderen projizieren zu wollen 😛
            Wo war noch der *augenaufreissmiley* ?

            • Du wirfst viel zuviel durcheinander. Versuch zumindest mal, zu differenzieren.

              1. Die Zivilklagen haben mit den Mirandarights soviel zu tun wie die Kuh mit dem Eierlegen. Nämlich nix. Zivilklagen strengen „Zivilisten“ an. Das sind Privatrechte und gerade dein Mikrowellenbeispiel ist etwas, das zeigt, wie hoch der Verbraucherschutz dort gehängt wird: Verdammt hoch. D.h. *eigentlich* ist das ein positives Beispiel. Eigentlich.

              2. Da wir in Deutschland ein völlig anderes Verständnis von Rechtsstaat haben, *braucht* hier niemand auf seine Rechte hingewiesen zu werden, weil davon ausgegangen wird, dass die jeder kennt, weil man das bereits in der Schule lernen sollte. Dass die Realität inzwischen oft anders aussieht: Geschenkt. Die rechtliche Fiktion ist aber nach wie vor die, dass die Leute ihre Rechte kennen.

              3. Aussagen können widerrufen werden, führen aber nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot. Das heißt: Du gestehst, widerrufst dann und das Gericht kann dich *trotzdem* anhand deines Geständnisses verurteilen. Siehe den Daschner-Fall.

              4. Einsprüche kann man erheben und das tut man auch. Die heißen nur anders. Das sind Anträge zur Verhandlung. Beweisanträge etc. Und wenn ein Anwalt oder Staatsanwalt übers Ziel hinausschießt und einen Zeugen zu hart angeht, dann gibt es natürlich Interventionsmöglichkeiten.

              5. Hast du es inzwischen geschafft, mein Wortspiel ziemlich kaputtzumachen.

  1. Pingback: Zeitungskooperation in Zeiten repressiver Staaten | -=daMax=-

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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