Vom Beobachter zum Aktivisten


„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“

Hanns Joachim Friedrichs

Journalisten sind demnach im besten Fall Beobachter. Sie berichten von den Ereignissen auf dieser Welt und sollen umfassend informieren.

Soweit die Theorie.

Die Praxis, das wissen wir alle, sieht häufig anders aus. Journalisten sind auch Menschen. Und wenn man aus Kriegsgebieten berichten muss, dann ist es schwer, die Gefühle außen vor zu lassen und „nur“ zu berichten.

Doch auch Themen, die einem persönlich am Herzen liegen, kann man nicht immer neutral informierend rüberbringen. Im besten Fall kommt dann eine Reportage dabei heraus wie die CNN Live-Berichterstattung aus Bagdad. Im besten Fall, weil so die Grauen des Krieges direkt ins Wohnzimmer kommen und uns daran erinnert warum wir eigentlich nie wieder Krieg führen wollten.

Im schlechtesten Fall hat man eine persönliche Agenda, die man, auch gegen jede Vernunft oder Wahrheit, durchbringen möchte.

Der Journalist ist auch oft eine Art Hans Dampf in allen Gassen, seine Themen sind vielfältig, mit einem oder mehr Spezialgebieten. Niemand wird von einem Herrn Mascolo zum Beispiel geheimdienstkritische Artikel erwarten. Oder von einem taz-Journalisten ein Loblied auf die NPD. Aber im Grunde genommen ist dass das tägliche Brot: Nachrichten suchen und aufbereiten. Und kommentieren.

Mit dem Kommentar verläßt man dann den Bereich Berichterstattung und begibt sich in den Bereich Meinungsäußerung. Man wird vom Beobachter zumindest teilweise zum Akteur, denn Kommentare können Meinungsbilder durchaus beeinflussen. Ob zum positiven oder negativen hängt hierbei allein vom eigenen Standpunkt ab.

Davon abzugrenzen ist der Aktivist. Aktivisten gehen aktiv und oft leidenschaftlich gegen etwas vor, dass sie als Missstand empfinden.

Tierrechte, Menschenrechte, Bürgerrechte – es gibt viele Möglichkeiten, ein Aktivist zu werden und zu versuchen, genug öffentlichen Druck aufzubauen, um den Missstand zu beseitigen.

Manchmal gelingt das. Und manchmal nicht.

Kann man Aktivismus und Journalismus miteinander vereinigen?

Meiner Meinung nach nicht. Der Aktivist kann schon aus Selbstschutz nicht beide Seiten der Medaille neutral aufzeigen. Er kann nicht abseits seiner Meinung argumentieren. Er hat ein Narrativ und dass muss er durchsetzen, wenn er nicht seine gesamte Arbeit ad absurdum führen kann. Journalisten haben durchaus „the benefit of the doubt“ – sie können sich irren. Irrt sich der Aktivist, dann ist seine Arbeit zum Teufel.

Aber wenn doch der Aktivismus einem guten Zweck dient?

So kann er dennoch nicht neutral informieren. Aktivisten sind auf Journalisten angewiesen, damit sie ihre Botschaft verbreiten können. Aber ein Aktivist, der journalistisch arbeitet, ist leider nicht wirklich mehr ein Journalist. Sein Themenfeld ist auf eins begrenzt, nämlich das Thema seines Aktivismus. Und er kann nicht mehr „von der anderen Seite“ berichten. Einerseits, weil seine Gegner ihm kaum Munition liefern werden und andererseits, weil er wohl kaum den Ast absägen wird, auf dem er sitzt.

Wie komm ich denn jetzt schon wieder darauf?

Wie schon. Glenn Greenwald. Der Mann ist meiner Auffassung nach kein Journalist mehr. Er ist Aktivist geworden. Das ist nichts schlechtes und wir brauchen ihn und seine Kraft sehr dringend an genau dieser Stelle.

Aber er sollte dann auch korrekt benannt werden. Bürgerrechtsaktivist ist schon lange kein Schimpfwort mehr. Doch wer Glenn Greenwald nach wie vor einen Journalisten nennt, tut nichts Gutes. Denn dann wird einerseits von Greenwald weitaus mehr erwartet als er leisten kann und andererseits werden seine Veröffentlichungen weiterhin als neutral angesehen.

Was sie nicht sein können. Die Bewertung seiner Artikel findet unter falscher Flagge statt. Und das schadet auch seiner Sache auf lange Sicht. Nämlich spätestens dann, wenn die NSA einen Hebel findet, den sie nutzen kann.

Glenn Greenwald ist nicht länger Journalist des Guardian. Er ist Menschen- und Bürgerrechtsaktivist.

Das ist einer der wenigen Fälle, wo ich wirklich dafür bin, dem Mann das richtige Label draufzukleben. Alleine schon zu seinem Schutz.

/update: Gut. Der Spiegel sieht das anders. Aber das darf der auch *g*

Veröffentlicht am 29. Dezember 2013, in Mediales. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 6 Kommentare.

  1. ..dankeschön 🙂

  2. ein anderer Stefan

    Man könnte allerdings gerade in diesem Fall argumentieren, dass Journalismus durch die allumfassende Überwachung unmittelbar gefährdet ist, da in einer umfassenden Überwachung Quellenschutz ein Witz ist. So könnte man hier durchaus dazu kommen, dass Greenwald hier auch seine eigenen Interessen verteidigt.

    • Jein. Greenwald hat natürlich genau das mit einem gewissen Recht auch angesagt. Aber dennoch denke ich, dass er die Schienen des regulären Journalismus verlassen hat und mehr Aktivist als Journalist ist.

      Er berichtet nicht mehr – er nimmt Teil und ist aktiver Akteur geworden. Und das ist ein Unterschied.

      Wie ich in einem anderen Thread gesagt habe: Eigentlich macht er jetzt das gleiche wie die Bildzeitung: Unter dem Deckmantel des Journalismus wird eine knallharte Agenda verfolgt und publizistisch durchgesetzt.

      Nur weil ich die Agenda in dem einen Fall gut finde und in dem anderen nicht heißt das aber nicht, dass er dann auch der bessere Journalist ist.

      Oder anders: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

  3. ein anderer Stefan

    Du hast sicher recht, dass er die Grenze von Journalisten zum Aktivisten überschritten hat, spätestens seit sein Lebensgefährte in London festgehalten wurde. Das Beispiel mit der Bild macht aber auch deutlich, dass das im Journalismus alltäglich ist. Der Grundsatz der Neutralität, den Hajo Friedrichs so treffend wiedergegeben hat, wird von den Medien nur dann als Schutzschild vor sich hergetragen, wenn die Berichterstattung sie angreifbar macht. Schröders „Bild, BamS und Glotze“ Aussage ist ja zutreffend. Viele Medien sind zu Hofberichterstattern verkommen, die nur noch Pressemeldungen wiederkäuen. Die Grenzen zwischen neutraler Berichterstattung und eigener Agenda sind fließend, was ja dadurch deutlich wird, dass verschiedene Medien in der Regel verschiedenen politischen Lagern zugeordnet werden. Insofern ist Greenwald hier nur ein Beispiel von vielen, und meines Erachtens nicht mehr und nicht weniger kritikwürdig als andere Medienvertreter, die eine politische Agenda verfolgen. Ich denke nicht, dass ihn das angreifbarer macht als andere. Was und wie er veröffentlicht, macht ihn zum Ziel staatlicher Repressionsmaßnahmen, und zweifellos wird man versuchen, ihn zu diskreditieren und mundtot zu machen (wie ja die Übergriffe auf den Guardian in England deutlich machen.) Bei allen andere Medien ist der Konsument aber auch mit der Aufgabe allein gelassen, zwischen Berichterstattung und Agenda zu unterscheiden. Daher erschließt sich mir nicht recht, wieso das bei Greenwald verwerflicher sein sollte.

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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