Aufmerksamkeitsgeil


/update: Stefan Niggemeier weitaus eloquenter als ich. Muss man ihm ja lassen 😉

Frau Schumacher hat die Medien gebeten, die Familie und das Krankenhaus doch bitte endlich in Ruhe zu lassen. Sie tat das zu einem Zeitpunkt, wo relativ wenig Medienvertreter vor dem Krankenhaus warteten, weil die alle in Albertville rumscharwenzelten und dort Maulaffen feilhielten.

Und so hat die Korrespondentin des ZDF vor Ort einen berührenden Bericht verfasst.

Fazit: Sie versteht überhaupt nicht, warum Frau Schumacher sich aufregt. Eine Behinderung hätte nicht stattgefunden, der Tonfall zwischen Sicherheitskräften und Journalisten wäre „entspannt“ gewesen.

Noja, gut. Der eine Fotograf, der als Priester verkleidet Bilder von der Intensivstation abgreifen wollte – okay, das hat für „Wirbel“ gesorgt. Und am Hintereingang hätten auch Reporter versucht, Bilder zu erhaschen. Aber eine Behinderung der Klinik hat zu keiner Zeit stattgefunden.

Netterweise äußert sie Verständnis dafür, dass die Angehörigen es wohl nicht so super finden, sich erstmal durch einen Pulk von Hyänen Reportern kämpfen zu müssen um an das Bett ihres Angehörigen zu gelangen.

Der DJV rief zur Mäßigung auf und unterstrich aber gleichzeitig das Recht an der Berichterstattung:

„Michael Schumacher ist durch seine Formel-1-Erfolge außerordentlich bekannt geworden. Viele Menschen bangen seit seinem Skiunfall um sein Leben. Darüber müssen Medien berichten.“

An dieser Stelle möchte ich mal fragen, in welchem Paralleluniversum dieser Auflauf mit Übertragungswagen und Live-Ticker und Live-Reportagen die eigentlich nichts weiter aussagten als „Schumacher ist immer noch im Koma und wir wissen nix“ gerechtfertigt ist?

In welchem Paralleluniversum ist es gerechtfertigt, eine Familie derartig zu belästigen, wie es im Fall Schumacher geschieht? Wie verblendet muss man sein, dass man sowas auch noch rechtfertigt?

Wie kann man implizieren dass es – ausgerechnet – Frau Schumacher um mediale Aufmerksamkeit geht und sich noch weiter Journalist nennen? Wie kann man den Tonfall zwischen  Sicherheitskräften in einem Krankenhaus und den Journalisten „entspannt“ nennen ohne zu hinterfragen, wieso dieses Krankenhaus Sicherheitskräfte braucht?

Berichterstattung muss sein? Jo. Und zwar so:

Nachdem (!) das Management die Bestätigung rausgegeben hat: „Schumacher schwer verletzt“ => Kurzmeldung, hier auch gerne Eilmeldung für die Fans. Per Telefon (!) beim Krankenhaus anfragen.

Und dann fortführende Berichterstattung nach dem Motto: Nur was berichten, wenn sich was Neues ergibt.

Notwendigkeit für Live-Ticker: Null
Notwendigkeit für verschissene Übertragungswagen: NULL
Notwendigkeit für eine 24/7-Abdeckung vor dem Krankenhaus: Null

Michael Schumacher ist ein Sportler, der sich im Ruhestand befindet. Und wenn wir den Medien DIESE Hetzjagd auf einen hilflosen Mann durchgehen lassen, dann sind alle Dämme gebrochen. An Stelle der Familie würde ich rigoros alles verklagen, was jetzt da meint ein Recht auf ein Bild aus dem Krankenbett zu haben.

Und weil ich mit dem Dreck nicht mehr zu tun haben will als man mir aufzwingt, würden meine Anwälte eine großzügige Generalvollmacht bekommen.

Veröffentlicht am 8. Januar 2014, in Mediales. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 10 Kommentare.

  1. Veronika Kallenbach

    Jetzt muss ich doch mal nachfragen, Herr Niggemeier: Sind Sie vor Ort, dass Sie sich so über die Berichterstattung echauffieren? Schauen Sie sich doch die Auflagen der Yellowpress und die Anzahl von ebensolchen Printmedien am Markt an – offenbar herrscht großes Interesse am Klatsch. Ergo fließt auch für entsprechende Bilder Geld. Also, prangern Sie nicht Klatschreporter, sondern die Leute, die danach verlangen an. Selbt in Ihrem Forum scheint es davon genug zu geben.

    • Frau Kallenbach: Wenn sie Herrn Niggemeier ansprechen wollen, machen sie das doch auf seiner Seite und nicht hier.
      So viel Recherchefähigkeit muss man schon verlangen können.

      Es ist ja nicht die Bevölkerung die in die Redaktionen geht und sagt „Ich will alles von Schumi wissen und oben-ohne-Bilder und dies und jenes“.
      Die Redaktion bzw. der Verleger spielt Gatekeeper und kann die Berichterstattung bestimmen.
      Wenn BILD entscheidet 50 Seiten „Sensationsmeldung“ zu bringen und unters Volk zu bringen, dann ist die Zeitung/der Journalismus dafür verantwortlich was und wie gezeigt wird und nicht der Leser.

      • Veronika Kallenbach

        Hä? Hatte diese Frage auch tatsächlich auf Niggemeiers Seite an ebenden gestellt. Wie kommt denn das jetzt hier hin?

    • Es wäre vielleicht klüger, das auch bei Herrn Niggemeier anzufragen?

  2. Besonders blöd fand ich das Tage später noch mitten am Tag Sendungen für Sondermeldungen unterbrochen wurden um zu sagen, das sich nichts geändert hat.
    Na tolle Wurst, das musste ich jetzt unbedingt wissen und konnte nicht auf eine Boulevard- oder Nachrichtensendung warten.

  3. _Eine_ Meldung nach dem Unfall und eventuell eine nach den Operationen und der nachfolgenden „Pressekonferenz“ hätten meiner Ansicht nach völlig ausgereicht.

    Aber so sind die Medien hierzulande halt – wie in USA – kleinere Unglücksfälle, denn nichts anderes ist dieser Unfall, werden aufgebauscht und mit Extrasendungen und Newstickern verbreitet.

    Wirklich große Unglücksfälle, wie Vulkanausbrüche (auch drohende) oder schwierige Situationen, wie die Gefahrenzonen in Hamburg hingegen tauchen allenfalls als Fußnote auf.

    • Oder sinds „Gefahrengebiete“?
      Oder gar „Gefahrenstellen“?
      Oder „Gefahren wird immer“?
      Oder „Zu schnell Gefahren“?

      Uiuiui – verwirrt ich bin!

      😀

      • ein anderer Stefan

        Ach, Du meinst die grundrechtsfreie Zone in Hamburg? Na, die wird doch bestimmt bald nach britischem Vorbild (siehe http://blog.fefe.de/?ts=ac32dc00) auf alle Ballungszentren und überhaupt aufs ganze Land ausgeweitet. Gorleben-Proteste? Eindeutig eine Gefahrenzone! Bankproteste in Frankfurt? Die machen sich ja nicht mal mehr die Mühe, sowas vorher anzusagen, sondern machen gleich den Kessel zu. Stuttgart 21? Auf der schwäbischen Alb ist bestimmt viel Platz für eine ausgewiesene Protestzone wie in den USA oder Russland. Und Bayern versucht ja eh, mit einer flächendeckenden Kennzeichenerfassung die Leute vom Protestieren abzuhalten und einzuschüchtern.

        Aber so lange Schumi die Pofallasierung der Grundrechte übertönt im Mediengeklingel, ist ja alles gut in diesem unseren Land. Schon Helmut Kohl hat ja getönt „Wir lassen uns nicht von der Straße regieren“. Endlich setzt das mal jemand durch! Wo kommen wir denn da hin, wenn einfach jeder von seinen Grundrechten Gebrauch macht, wie es ihm gerade passt?

        Ich rege mich schon wieder auf…

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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