Warzone
Es gibt viele Menschen, die Sportler kritisieren – weil sie in Sotschi mitmachen. Trotz der russischen Homophobie. Aber es ist Sache der Sportler, sich für oder gegen etwas einzusetzen. Nicht unsere Sache, sie dazu zu zwingen. WIR können nur *unsere* Konsequenzen ziehen.
In meinem Fall wird das nicht mehr und nicht weniger sein, dass ich alles boykottiere, was mit Sotschi zusammenhängt.
Es gibt aber Sportler, die durchaus auch politisch engagiert sind.
Vitali Klitschko. Er steht in der ersten Reihe der Protestanten. Er versucht, zu verhandeln, Menschen zu retten, soweit es geht – zumindest nach dem, was ich sehen kann. Seine Prominenz im Westen schützt ihn dort nicht wirklich, sie gefährdet ihn eher.
Die Ukraine hat, nach ihrer ersten, orangenen Revolution, das Rennen gegen die Diktatur verloren. Janukowitsch hat Oppositionelle systematisch ausgeschaltet, Juliya Timoschenko ist im Gefängnis, es wird von einem politisch motivierten Prozess gesprochen.
Sieht man, dass ihr seit Jahren eine adäquate Behandlung ihres Bandscheibenvorfalls verweigert wird, neige ich dazu, den Kritikern recht zu geben.
Alles in allem explodiert die Ukraine gerade. Wenn es stimmt, was berichtet wird, dann versucht Vitali Klitschko verzweifelt, die aggressivsten Demonstranten im Zaum zu halten, während er gleichzeitig versucht, Janukowitsch Zugeständnisse abzuringen. Ein politisches Vabanque-Spiel, das schnell nach hinten losgehen kann.
Ein neues Land, das im Bürgerkrieg versinkt, der dort schon lange droht. Ein neuer Krieg, der nicht nach Schuld fragt. Und so, wie es aussieht, nur wenige Männer, die versuchen, das Blutvergießen, das bereits als gesetzt gilt, in letzter Sekunde zu verhindern.
Ich wünsche Vitali Klitschko das Glück, das Durchhaltevermögen und die Kraft dazu. Und die schußsichere Weste. Denn all das wird er brauchen.
Und WIR brauchen nicht noch einen Bürgerkrieg in dieser Welt. Wir haben schon genug.
Veröffentlicht am 22. Januar 2014, in Außenpolitisches, politisches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 7 Kommentare.
Ja, das Bild mit ihm und dem Feuerlöschschaum im Gesicht war durchaus beeindruckend. Ich fürchte allerdings das sich die Gegner Januskowitsch nicht mehr lange beruhigen lassen.
Und wie ich schon mal anmerkte bin ich wirklich neugierig wie die EU reagiert wenn ein Land wo lange über den Beitritt verhandelt wurde plötzlich im Bürgerkrieg versinkt.
Außer Beschwichtigungen und Mahnungen wird da von der EU nicht viel kommen.
Das Problem ist, das ich von hier aus nicht wirklich einschätzen kann, was da abgeht. Es gab heute offenbar Tote, wohl mit Schußverletzungen. Bilder von brennenden Polizisten und von Demonstranten, die sich gerade Mollies bauen und brennende Reifen stapeln, gab es heute auch. Dann wieder waren wohl auch Provokateure unterwegs. Klitschkos Ansagen, wenn sie denn zutreffend übersetzt wurden, waren auch nicht eindeutig – da war auch von Angriff die Rede. Es scheint auf beiden Seiten eine sehr harte Haltung zu geben, die sich zunehmend brutal entlädt.
Janukowitsch ist wohl jemand, der es mit Demokratie und Bürgerrechten nicht so genau nimmt, um es mal nett auszudrücken. Was da mit der Timoschenko – die ihrerseits sicher auch keine Heilige ist – läuft, scheint ein ganz krummes Ding zu sein.
Ich möchte aber auch nicht in seiner Haut stecken – was Putin dazu offiziell sagt, kann hinter den Kulissen durchaus noch ganz anders rüberkommen. Russland will offensichtlich keine antirussische Haltung vor seiner Haustür. Ein direktes Eingreifen wird sich Putin nicht leisten können – die Ukraine grenzt an vier Nato-Staaten, und die Türkei ist auch nur einen Katzensprung weit weg. Die Unruhen kommen ihm sicher sehr ungelegen, auch der Kaukasus ist nicht weit weg, und gerade in Sotschi soll natürlich Ruhe herrschen. Ich gehe davon aus, dass Putin erheblichen Druck auf Janukowitsch ausübt, damit alles so bleibt wie es ist. Und wenn man es in der Ukraine schafft, Janukowitsch wegzukriegen, könnte auch Lukaschenko anfangen zu wackeln. Dürfte beides nicht im Interesse des Kreml sein, der es eh schon unerfreulich genug findet, dass etliche seiner Vasallen sich immer mehr nach Westen orientieren. Das könnte der Grund für die offenbar sehr harte Haltung Janukowitschs sein. Und Putin ist es vermutlich herzlich egal, wenn es da eine Art Bürgerkrieg gibt, solange die prorussische Fraktion am Ruder bleibt.
(Disclaimer: auch wenn ich Putin hier als den „bösen“ male, so ist mir durchaus bewußt, dass auch der „Westen“ solche Dinge antreibt oder zumindest nicht aufhält, wenn es seinen Interessen dient. Macht korrumpiert nun mal, egal wen.)
Ziemlich exakte Analyse dessen, was ich hier sehe. Ich halte mich derzeit zurück mit „die haben recht“ – Gewaltexzesse gibts auf beiden Seiten.
Wen ich gerade anfange zu bewundern, ist Vitali Klitschko. Der versucht da offenbar gerade wirklich völlig ernsthaft, ein Blutbad zu verhindern – und das mit persönlichem Einsatz.
Ich hoffe, dass Klitschko da wirklich versucht, die Lage nicht noch weiter eskalieren zu lassen, und dass er es schafft, da Ruhe reinzubringen. Das hoffe ich auch für ihn selber – wenn es zu einem Bürgerkrieg kommt, kann man ihn auch beseitigen, dann ist es schon egal. Derzeit kann er die Opposition vielleicht noch bändigen, und vor allem wäre er ein Märtyrer, wenn man ihn jetzt beseitigt. Dann gäbe es vermutlich kein Halten mehr. Im Moment sitzt er zumindest mit vorne auf dem Kutschbock, und es hängt auch von ihm ab, ob die Gäule noch zu zügeln sind, oder ob die wilde Fahrt im Abgrund endet. Wie gesagt, alles unter dem Vorbehalt, dass wir wohl alle nicht wirklich genau wissen, was da abgeht – gut sieht es jedenfalls nicht aus, wenn man den Nachrichten trauen kann.
Vitalis Engagement ist schon beachtlich.
Wenn man bedenkt das die Brüder ja nun nicht am Hungertuch nagen und sicher überall auf der Welt sich auf ihren Erfolgen bis ans Lebensende ausruhen könnten.
Die haben es ja nicht unbedingt nötig sich einsetzen zu müssen, machen es aber trotzdem.
Wenn das jetzt kein internationaler Promi wäre, sondern ein lokaler Rummelboxer, sähe die Berichterstattung und sicher auch die Behandlung relativ anders aus.
Solange sich Persönlichkeiten nicht als agent provocateur aufspielen, sondern beschwichtigen und lenken sollen sie das ruhig machen.
Ja, nötig haben sie es sicher nicht, die brauchen beide ihren Lebtag wahrscheinlich keinen Finger mehr krummzumachen. VItali engagiert sich offenbar, weil es ihm wirklich ein Anliegen ist.