Das kann man nicht vergleichen


Immer wieder, wenn man die FGM ins Spiel bringt um klarzumachen, dass die Entscheidung, ob und wann das Genital eines Kindes beschnitten werden soll, beim Kind liegt und frühestens mit dem 18. Lebensjahr getroffen werden kann, bekommt man an den Kopf geworfen:

„Aber das kann man nicht vergleichen“

Kann man nicht?

Wir reden hier von Schnitzelorgien an nicht einwilligungsfähigen Kindern. Was Erwachsene mit ihrem guten Stück machen, müssen sie selber wissen. Sie kriegen einmal ne Einweisung, dass die Idee möglicherweise ziemlich beschissen ist, aber das wars dann auch schon.

Aber Kinder?

Die Beschneidung nimmt die Vorhaut weg, damit die Nervenenden. Es ist eine Operation und jede Operation birgt Risiken. Risiken, deren Ergebnis das Kind tragen muss, das nicht gefragt wurde. Nicht derjenige der entscheidet.

Und wieso kann man das nicht vergleichen?

In Ägypten sind meines Wissens nach 90% der Frauen nach FGM Ia beschnitten. Entfernung der Klitorisvorhaut unter Erhalt der Klitoris.

Das ist verboten – und völlig zu Recht, denn Mädchen wir das Recht auf die Unverletzlichkeit des Körpers selbstverständlich zugestanden. Jungen hingegen stehen völlig im Regen.

Bei einem Säugling wird bei dieser Operation 1/3 der Penishaut weggeschnitten. Allzuoft ohne Betäubung. Die Kinder brüllen auch entsprechend – oder brüllen eben nicht, weil sie im Schock sind. Zu starke Schmerzen, mit denen der Körper nicht umgehen kann, sorgt dafür, dass der Körper in den „Minimalmodus“ umsteigt, weil das als lebensbedrohlich angesehen wird. Der Schock ist auch eine Art Schutzmechanismus, die Peripherie wird abgeschaltet, es wird auf Kernkreislauf umgestellt. Und was hören die Eltern?

„Er hat friedlich geschlafen, überhaupt nichts gemerkt“.

Ja, genau.

Wenigstens sind die Mütter bei der FGM noch „mutig“ genug, bei der Beschneidung dabeizusein. Jungen werden den Ärzten übergeben und beschnitten zurückgegeben. Kein Schaden passiert, richtig?

Die Argumente sind auf eine geradezu groteske Weise dieselben.

Um es festzuhalten: Ich rede nicht von der FGM III, der Infibulation. Das Ding hat eine eigene Kategorie in Sachen Verdrehtheit und abstoßender Widerlichkeit. Aber FGM besteht eben nicht nur aus der pharaonischen Beschneidung, wo pi mal Daumen alles weggeschnitten wird, was irgendwo übersteht und dann mit Kaktusdornen zugestochen.

Wir reden von den „kleineren“ Beschneidungen, die in so vielen Ländern nach wie vor üblich sind. Auf den Philippinen wird die Klitorisvorhaut von Mädchen regelmäßig beschnitten. In Ägypten ist diese Art der Beschneidung weit verbreitet und wird gerade von den Frauen genauso vehement verteidigt, wie die Beschneidung der Jungen von den Männern.

Das bekommt nur Sinn, wenn man mit dem Begriff Stockholm-Syndrom etwas anfangen kann. Das ist eine abgewandelte Form davon.

Es kann kein „nur Mädchen schützen“ oder „nur Jungen schützen“ geben. Zumal hierbei die Intersex-Kinder völlig hintenrüber fallen.

Was wir brauchen, ist ein umfassendes Verbot JEGLICHER chirurgischen Veränderung an kindlichen Genitalien. Was die Erwachsenen machen, ist ihr Bier. Aber an den Kindern darf nicht mehr herumgeschnitten werden. Weder Junge, noch Mädchen, noch Intersex. Gar keiner.

 

Veröffentlicht am 7. März 2014, in Ärgerliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 5 Kommentare.

  1. Ja, ja, und ja. Unbedingt ja. Leider ist die Debatte wieder ausgetrocknet und man macht weiter wie immer.

    • Bisse bei Facebook? Von wegen ausgetrocknet. Ich hab schon Beschwerden bekommen, dass es doch auch noch andere Themen gibt *g*

  2. Ausgetrocknet würde ich nicht sagen, lieber kiezneurotiker.
    Wenn man die Presse aufmerksam verfolgt, merkt man, daß hier
    seit bald 2 Jahren ein steter Strom fließt – auch, wenn es nur noch
    sehr selten, wenn überhaupt, mal zu einer größeren Schlagzeile
    reicht.
    Aber die Diskussion geht grade in den Fachkreisen weiter,
    und auch immer mehr Politiker bekennen Farbe – grade heute las
    ich, daß die Köpfe der Nachwuchs-Organisation der niederländischen
    Regierungspartei VVD ein Verbot von Kindesbeschneidungen auch
    an Jungen gefordert haben.

    Wir sind freilich auch hier in Deutschland nicht eingeschlafen. So
    findet z.B. am 6. Mai in Köln ein wissenschaftliches Symposium zu
    diesem Thema statt -> http://genitale-autonomie.de/

    Und am 7. Mai wird natürlich auch wieder der Worldwide Day of
    Genital Autonomy begangen -> http://genitale-selbstbestimmung.de/

  3. Oh sorry, dass die Debatte weitergeht, schneide ich nicht wirklich mit, was vielleicht daran liegt, dass ich weder bei Facebook noch bei Twitter bin. Danke für die Infos.

    • Das ist derzeit ein Kampf buchstäblich um jede einzelne Vorhaut. Es gibt organisierte Aktivisten, die sich in den Mami-Foren rumtreiben und den ganzen Vorhautfurien richtig Kontra geben.

      Es ist echt erschreckend wie oft du auf „ich habs bei meinem machen lassen, war kein großes Ding, heilte echt schnell ab und ist totaaaaaaaaaal sauber“.

      *kotz*

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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