Fukushima ist überall


Es steigen die Versuche, die Katastrophe in Fukushima mit aller Gewalt so zu deuten, dass *wir* auch betroffen sind. Dass *wir* auch unter erhöhter Strahlenbelastung zu leiden haben.

Derzeit geistert wieder mal ein Artikel durch die Social Medias, nach dem *wir* jetzt ein Problem mit Jod131, das in Fukushima freigesetzt wird, haben.

Es wird davor gewarnt, Regenwasser zu trinken und nur die Böden zu bewässern, nicht aber die Blätter beim gießen mit Regenwasser zu benetzen. Es wäre gefährlich, aber *noch* nicht so gefährlich, das man Jodtabletten schlucken müsste.

Man kann ja anhand dieser Empfehlungen schon sehen, was die „Empfehlungen“ wert sind: Nix.

Aber ausgerechnet Jod131, freigesetzt in Fukushima, als Gefahrenquelle auszumachen, ist schlichtweg lächerlich.

Jod131 hat eine Halbwertszeit von 8 Tagen. Das Zerfallsprodukt heißt Xenon. Das heißt: 8 Tage nach dem Unglück von Fukushima war nur noch die Hälfte des ursprünglichen Jod131 da. Weitere 8 Tage hat sich die Strahlung wieder um die Hälfte reduziert. Weitere 8 Tage nochmal um die Hälfte….ihr habts jetzt?

Fukushima ist jetzt 3 Jahre her.

Jod131 ist weltweit wirklich eins der *geringsten* Probleme, die wir haben. Ganz ehrlich. Und ganz sicher hats die Strahlung nicht nach Europa „geschafft“ – das Zeug strahlt nicht mehr, wenns Jod131 war.

Es sind diese alarmistischen und gezielt desinformierenden Webseiten, die so ein großes Ärgernis sind. Denn klar ist: Atomkraft ist nicht beherrschbar. Die Risiken sind weitaus höher als die Vorteile, eine Atomwolke im dichtbesiedelten Europa wird sehr unlustig sein. Und Gebiete, die verseucht sind, kann man nicht mal eben mit dem Besen reinigen. Siehe Ukraine. Mehr als 30 Jahre nach dem Unglück: Das Gebiet ist weitgehend steril, was Mikroorganismen angeht. Bäume zerfallen nicht, weil es weder Pilze noch Bakterien gibt, die sie zersetzen können, die Liste ist nahezu endlos.

Doch Panik ist das letzte, was wir brauchen. Wir brauchen kühle, argumentierende Köpfe. Und wir brauchen das Rückgrat, um der Atomlobby genug entgegenhalten zu können.

Aber nicht so einen Mist, wie dort geschrieben steht.

Veröffentlicht am 17. Juni 2014, in Ärgerliches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 14 Kommentare.

  1. Auch nach dem eigentlichen Unglück wurde (und wird vermutlich noch in geringem Umfang) I131 produziert und freigesetzt, das hauptsächlich ins kontaminierte Wasser gelangen dürfte.

    Aber selbst *wenn* man annähme, dass immer noch im Sinne einer Gefährdung (hauptsächlich von Kindern und Jugendlichen, Erwachsene sind so gut wie nicht gefährdet) nennenswerte Mengen I131 freigesetzt werden, die ins Meer oder gar in die Luft gelangen, dauert es bis zur Ankunft in Europa doch lange genug, dass hier praktisch keine messbare I131-Aktivität mehr ankommt.

    Selbst bei Tschernobyl war I131 *hier bei uns* das geringste Problem. Eine nennenswerte Aktivität konnte man *hier* nur durch Essen sehr großer Mengen „verseuchter“ Pilze oder Wild und zwar durch durchweg langlebigerer Isotope und eben gerade nicht I131 aufnehmen.

    I131 war ein ersntes Problem für die *Kinder rund um Tschernobyl*, die tage- und wochenlang *ohne Warnung* die Milch von Kühen tranken, die das frisch mit I131 verseuchte Futter gefressen hatten, das obendrein noch über eine ganze Zeit immer wieder neu verseucht wurde, da der Reaktor fröhlich weiter radioaktives Material ausspie. Entsprechend hoch war die Erkrankungsrate an Schilddrüsenkrebs bei diesen Kindern und ist sie auch teilweise heute noch bei Menschen, die damals Kinder in den betroffenen Gebieten waren. Die Verhältnisse in Fukushima sind grundlegend anders, womit die Folgen dieser Katastrophe keineswegs kleingeredet werden sollen.

    Mit Schilddrüsenkrebserkrankungen bei uns hat Tschernobyl nichts zu tun und noch weniger wird Fukushima damit zu tun haben.

  2. Haben wir Europäer nicht genug Jod im Salz und wie soll das Jod-isotop es bis nach Europa schaffen? Iirc weht der Wind nach Osten in Richtung Amerika 1 und 2, das heißt man müsste einmal über die Rockies oder die Anden hinwegkommen.

    Ich bin mir nicht immer sicher ob das jetzt wirklich nur Dummheit iost oder falseflag. Jedenfalls gibt es den Nuklearbefürwortern nur mehr Pulver zum verschießen.

    • Deutschland ist Jodmangelland – darum gibt es ja jodiertes Speisesalz etc.

      Das hält uns aber nur *gerade eben* an den Richtwerten 😉

  3. Also ganz ehrlich, mir ist wegen Fukushima auch ziemlich unwohl. Was weiß ich denn, wo überall mein Seefisch gefangen wird, ist die Fischsoße wirklich frei von Radioaktivität und was ist mit Seetang im Sushi??? So viele Sondersendungen es zu Beginn der Katastrophe gab, jetzt gibt es nichts mehr an offiziellen Verlautbarungen, ob und welche Lebensmittel für welchen Zeitraum vielleicht besser weggelassen werden sollten. Sollte sich hier die Lebensmittellobby wieder mal durchgesetzt haben und Verbraucherschutz wird hintan gestellt??? Oder mache ich mir wirklich unnötige Gedanken???

    • Ja. Und nein.

      Fukushima ist sehr viel weiter weg als Tschernobyl. Dazwischen liegt verdammt viel Wasser und dazwischen liegen noch ein paar Kontinente, wenn du dir die Fließrichtung anguckst. Von Fukushima kommt HIER nix hin – Ukraine war damals erheblich böser und bis heute gilt: Keine wildgepflückten Pilze in Bayern essen und kein selbstgejagtes Wild.
      Hält sich kein Schwein dran. Weil die *subjektive* Gefahreneinschätzung sagt: „Datt is so lange her, das ist rum“. Gerade Tschernobyl wird aber für die nächsten 50.000 Jahre nicht „rum“ sein.

      Selbst wenn hier was nachweisbar sein sollte, was auf Fukushima zurückzuführen ist, dann allenfalls mit empfindlichsten Messgeräten aber keinesfalls in Mengen, die für uns gefährlich sind.

      Und warum du von Fukushima nix mehr hörst? Ganz einfach: Alte Neuigkeiten. Lockt keinen, bringt keine Klicks, keine Kohle, also wird nicht berichtet.

      Da hat sich keine Lobby durchgesetzt, das ist wie immer: Nachrichten sind interessant, dann weniger interessant, dann sind sie weg. Und irgendwann kommt ein „aber da war ja noch…“

      Gegenfrage: Warum sollte das bei dem Reaktorunglück in Japan anders verlaufen?

      Und was die Sorge angeht, wo dein Fisch herkommt: Da sind Herkunftsnachweise drin. Die lügen nicht, weils sonst verdammt teuer wird.

  4. Nicht nur ein Super-GAU, bzw. dessen Überreste, wie in Tschernobyl oder Fukushima, sind ein Problem, sondern der gesamte radioaktive Abfall aus allen Atomkraftwerken und Atomwaffen wird uns sicherlich noch längere Zeit beschäftigen, das heißt, natürlich nicht uns, sondern unsere Nachfahren.
    Man bedenke, was hier in Europa vor 50000 oder 100000 Jahren los war und überlege dann, was hier wohl in 50000 oder 100000 Jahren los sein könnte, denn selbst dann ist das Zeug noch gefährlich.
    Wer von denen, die dann noch leben, wird erkennen können, dass das ganze Material nicht nur giftig sondern auch strahlend ist?
    Wer wird dann noch die Warnhinweise als solche erkennen können?

    Aber auch kürzere Zeiträume bergen die Gefahr, dass die Gefahr des Mülls nicht mehr erkannt werden kann oder kann sich jemand vorstellen, dass in zwei- oder drei-, meinetwegen fünfhundert Jahren noch all das bekannt sein wird, was heute bekannt ist?

    Ich für meinen Teil jedenfalls fühle mich angesichts der Atommüllfrage unwohl und auch hilflos.

    • Schwarzes_Einhorn

      Soweit ich mal in einer Schweizer Zeitschrift gelesen habe, wird inzwischen soviel Jod nicht nur ins Salz, sondern auch in Fertiggerichte usw. gekippt, daß in Deutschland von einem JodMANGEL nicht mehr die Rede sein kann. Tatsächlich ist es inzwischen überdosiert.

      „Aber auch kürzere Zeiträume bergen die Gefahr, dass die Gefahr des Mülls nicht mehr erkannt werden“

      Haben wir ja schon – Atommüllager Asse…

      • Nein, von Überdosierung kann noch keine Rede sein. Von Jodmangelgebiet allerdings auch nur noch bedingt, glücklicherweise. Von einem Versorgungszustand wie z.B. in den USA, die aus anderen Gründen nie Jodmangelgebiet waren, sind wir allerdngs noch weit entfernt

        Nur: Bis sich eine halbwegs *normale* Jodversorgung auf die Inzidenz von Knoten in den Schilddrüsen der Durchschnittsbevölkerung messbar ausgewirkt hat, gehen Jahrzehnte ins Land, und davon sind wir ebenfalls noch weit entfernt. Und wenn die Verschwörungstheoretiker es schaffen in den Hirnen der Bevölkerung die Mähr von der Jodmafia zu verankern, werden wir ziemlich schnell wieder zum Jodmangelgebiet werden, mit den entsprechende Folgen.

        In Deutschland werden jährlich ca. 100.000 Schilddrüsenoperatioen durchgeführt. Davon sind ein erheblicher Teil diagnostische OPs, zur Abklärung der Dignität von kalten Schilddrüsenknoten. Jedoch sind nur ca. 5% der operierten kalten Knoten tatsächlich bösartig, und ein guter Teil davon wäre trotz Bösartigkeit nie klinisch relevant geworden. Zumindest die anderen 95%, denen wegen suspekter Knoten die Schilddrüse entfernt wurde, wurden aus ihrer Sicht praktisch sinnloserweise operiert. Die Einstellung einer verträglichen Substitution nach Entfernung der Schilddrüse ist beileibe nicht so unproblematisch, wie sie oft dargestellt wird (die Tante kann vermutlich ein Lied davon singen). Ein Teil der Operierten leidet zudem unter den Folgen von Komplikationen, die sich nicht immer vermeiden lassen. Leider ließen sich diese Zahlen durch bessere Vordiagnostik nur begrenzt senken, tatsächlich ist eine sichere Entscheidung über Gutartigkeit oder Bösartigkeit eben letztlich nur anhand eine OP-Präparates möglich. Eine bei weitem wirksamere Veringernung der Zahl dieser vergeblich operierten Patienten ließe sich aber schlicht durch eine Veringerung der Häufigkeit von Schilddrüsenknoten erreichen, und das geht nun mal vor allem über eine Optimierung der Jodversorgung.

  5. Lochkartenstanzer

    Und über Sellafield, Harrisburg oder Tschernobyl berichtet schon lange keiner mehr, um nur ein paar Namen zu nennen.

    Und in den Weltmeeren sind viele andere Gefahren als das Jod und die restliche Pampe aus Fukushima. Der ganze (Sonder-)Müll ist viel gefährlicher als das was auf der anderen Seite der Welt passiert ist.

    • Von der Shice, die wir hier haben oder bekommen sollen und die nicht radioaktiv ist, ganz zu schweigen…

    • Mayak, Three Mile Island und die Wismuth will ich mal dazuwerfen. Es gibt in Dresden und Umgebung Straßen da tickt dir ein Geigerzähler aus wenn du sie überquerst.

  6. Lochkartenstanzer

    Nur der Vollständigkeit halber:

    Three Mile Island ist das Kernkraftwerk bei Harrisburg, aber wie Du schon sagtest: es gibt genügend Müll noch herum, daß noch nicht sicher entsorgt wurde.

  7. PrimerDesigner

    Für einen umfassenden, wenn auch wahrscheinlich nicht ganz neutralen Überblick zu empfehlen:

    http://fukushima.grs.de/

    Gerade der Fukushima-Bericht bietet eine Menge an Informationen und eine Einschätzung der Situation vor Ort. Zudem gibt auf der Fukushima-Website der GRS (immer noch!) Wochenberichte, die einen Eindruck von der aktuellen radiologischen Situation vor Ort zusammenfassen und den Zugang zu den primären Informationsquellen vereinfachen sollen:

    http://fukushima.grs.de/content/aktuelle-entwicklungen

    Als Primärquellen werden TEPCO, die japanische Regierung, verschiedenen – auch internationalen – Regierungsorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen zitiert. Eine meßtechnische Verifikation der Aussagen der zitierten Quellen ist leider aus dem fernen Deutschland nicht möglich; d.h. die Aussagen sind mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten.

    VG
    Primer.Designer

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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