Scotland the Brave
Heute entscheiden die Schotten, ob sie Teil Großbritanniens bleiben oder nicht.
Die „YES“-Seite, also die Unabhängigkeitsfraktion, hat heute nochmal ein fieses Meme gezogen und klargemacht, was Schottland blüht, wenn sie für „NO“ stimmen: Wenn sie unabhängig werden, sind sie Premier Cameron los. Wenn sie nicht unabhängig werden, haben sie ihn weiter am Hals.
Das könnte tatsächlich das Fitzelchen Information sein, was es braucht, um das Referendum positiv ausgehen zu lassen. Ja, Cameron ist tatsächlich so dermaßen verhasst dort.
Es bleibt spannend. Nicht zuletzt auch die Frage, was wird aus Europa und der EU, wenn Schottland geht und die Engländer als notorische EU-Hasser übrigbleiben.
Wir werden sehen.
Hintergrundinfos gibts bei den Nachdenkseiten.
Veröffentlicht am 18. September 2014, in Außenpolitisches, politisches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 9 Kommentare.
Das weist ja weit über Schottland hinaus.
Für die Abspaltung einzelner Teilstaaten gibt es in der EU kein Konzept. Es gibt aber zahlreiche Regionen in Europa, in denen das durchaus ein Thema ist oder noch werden kann.
Schottland ist ja mindestens territorial teilidentisch mit dem EU-Mitglied Großbritannien, sich dann einfach hinzustellen und zu sagen „Ihr kommt hier nicht rein“ halte ich für problematisch. Wenn man das sagt, kann man das genauso gut zum Rest von GB sagen. Wer hat nun Recht?
Und weiter: Flandern, Wallonien, Katalonien, das Baskenland, Norditalien – das sind die Beispiele, die mir spontan einfallen, wenn ich an zumindest latente Unabhängigkeitsbestrebungen denke. Die heutigen Staatsgrenzen sind ja in der Regel im 19/20. Jh. entstanden, und das oft nicht gerade friedlich und freiheitlich. Mit welchem Recht will man Teilen des Souveräns eines demokratischen Staates – dem Volk – die Freiheit verweigern, die Grenzen neu zu ziehen? Territoriale Integrität ist noch kein Wert an sich, sondern ein Konstrukt zum Machterhalt. Grenzen haben zudem in West- und Mitteleuropa in den letzten 20 Jahren stark an Bedeutung verloren, zum Glück. In Schottland kommt dazu, dass die Schotten sich in London ohnehin nicht mehr wirklich vertreten sehen, soweit ich gelesen habe. Selbst wenn sich Schottland heute dagegen entscheidet, ist die Frage damit alles andere als „vom Tich“, da kann keiner ernsthaft den Pofalla ziehen. Die Abstimmung heute wirft Fragen auf, auf die die EU ganz dringend Antworten finden muss – nur werden das mit der furchtbaren Riege von Kommissaren, die jetzt Juncker ernannt hat, sicher keine guten Antworten werden. Alleine der britische Bankenspezi wird das insbesondere für Schottland so teuer wie möglich machen wollen.
So, die Schotten haben sich mit 55 zu 45 gegen eine Unabhängigkeit ausgesprochen.
Jetzt wird es interessant, welche weiteren Zugeständnisse den Schotten dafür künftig gemacht werden. Ein „weiter so“ würde sicher nicht gut ankommen, dann wäre die Frage nach der Unabhängigkeit in wenigen Jahren wieder auf dem Tisch.
Trotz dem Nein ist das Referendum meines Erachtens richtungsweisend – andere Bewegungen können davon lernen, dass man, wenn man es ernst meint, durchaus was erreichen kann.
http://www.bbc.com/news/live/uk-scotland-29130277
Katrin Göring-Eckhardt, parliamentary leader of German Green Party, said: „The No victory is a huge relief for me. It prevents a further fragmentation of Europe. But the close race shows that people want more participation.“
Der Kommentar zeigt, dass es keine Antwort auf die meines Erachtens legitimen Bestrebungen nach mehr Eigenständigkeit europäischer Regionen gibt. Natürlich ist eine „Fragmentierung“ ein problematischer Prozeß, die Folgen, die für Schottland aufgezeigt wurden, machen das ja deutlich. Aber jetzt einfach zu sagen, ist ja nochmal gut gegangen, jetzt machen wir Business as usual, wird nicht funktionieren.
Nannte man die „Fragmentierung“ „Föderalismus“, dann hörte sich das ganze anders an.
Macht aber eigenartigerweise keiner.
Was eine zunehmende Zentralisierung bewirken kann, sieht man doch sehr schön an den Verwaltungsmaschinerien der EU.
Der Begriff Förderalismus steht für die Briten im europäischen Kontext bisher für MEHR Europa, nämlich für einen föderal gegliederten Bundesstaat Europa, mit einer effektiven europäischen Regierung. Deutsche schreckt man damit nicht so sehr, aber für die Briten ist das präzise das Gegenteil dessen, was dort mehrheitlich gewünscht wird.
Gelegentlich auch bekannt als das unaussprechliche „f-word“, wenngleich es davon mehrere Interpretationen gibt.
Ironischerweise kriegen sie den Föderalismus jetzt wahrscheinlich. Nicht europäisch, aber innerbritisch.
Mal sehen, was sich da jetzt entwickelt 😀
Ich wäre mir nicht sicher ob die *Briten* den Föderalismus als solchen ablehnen. Ich denke vielmehr, dass es hauptsächlich die *Engländer* sind oder es zumindest bisher waren. Allderings fordern auch die als Reaktion auf die versprochenen Autonomierechte für Schottland (sowie Wales und Nordirland) inzwischen ebenfalls ein eiogene Regionalparlament, was Cameron überhaupt nicht in den Kram passen dürfte.
Die Forderung nach Regionalparlamenten ist eine der Folgen, die ich meine – die Schotten haben vorgemacht, wies geht, nun wollen die anderen auch. Ich finde das nicht schlimm, im Gegenteil – jede Ebene mehr ist eine Chance mehr für den Bürger, sich zu beteiligen.
Schlimm ist das ganz sicher nicht.
Ich finde es nur witzig, dass die Engländer, die ja sonst eher gegen föderale Strukturen waren, jetzt auch eine eigenes Regionalparlament fordern. Allerdings glaube ich das weniger, weil sie inzwischen von den föderalen Ideen überzeugt sind, sondern weil sie Angst haben zur Abwechslung mal hinter die anderen Regionen zurücktreten zu müssen, nachdem sie die bis jetzt eher dominiert hatten.
Ich glaube auch nicht, dass die Tories plötzlich zu glühenden Befürwortern föderaler Strukturen geworden sind. Man wird mit zusammengebissenen zähnen das ein oder von dem verwirklichen, was man noch schnell versprochen hat, um die Katastrophe abzuwenden. Aber man wird schon versuchen das auf’s allernötigste zu beschränken.
Es wär schön, wenn sich meine Skepsis als übertrieben erweisen würde, und man sich wirklich zu einer grundlegenden Erneuerung durchringen könnte.
Es wird, wenn man Deinen „Optimismus“ zugrunde legt, länger dauern und weniger werden, als sich die Schotten erhoffen.
Vielleicht irren wir uns aber ja und alles wird gut.