Die Nacht der langen Messer


1934 fand der Röhm-„Putsch“ statt, in deren Zuge die SA ihre politische Bedeutung verloren hat und die SS selbständig wurde. Diesem „Putsch“ folgte eine beispiellose Säuberungswelle von allen Kritikern innerhalb der NSDAP und SA. Bis zu 200 Tote hat die Nacht gefordert, unter anderem wurde die gesamte SA-Führung einschließlich Ernst von Röhms ermordet.

Die Säuberungslisten waren von langer Hand vorbereitet. 3000 Leute an einem vormittag zu verhaften erfordert Vorbereitungen – diesen Stunt pullt man nicht, wenn gerade das Chaos eines „Putsches“ herrscht.

Während die NSDAP sich mit 200 Leuten begnügt hat, gehen die Toten der letzten Nacht in der Türkei bereits in die Tausende.

Da aber immer noch die Verfassung in Kraft ist, die Kemal Atatürk erlassen hat, fehlt jetzt noch der Reichstagsbrand.

Kurden werden bereits weggebombt, ohne dass jemand einschreitet.Und Merkel? Steht fest vereint an Erdogans Seite. Ich kann nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte.

 

Veröffentlicht am 16. Juli 2016, in Innenpolitisches, politisches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 10 Kommentare.

  1. kleiner_Geist

    Ich bin mir an der Stelle nicht 100% sicher. Zu Erdogan würde auch passen: „Wir haben einen Putschversuch vereitelt. Wir haben jetzt 48 Stunden Zeit alle politischen Gegner los zu werden ohne das jemand unangenehme Fragen stellt.“

    Und ehrlich eine Liste der Gegner hat glaube ich jeder Politiker der Minister oder höher ist in der Schublade.

  2. jupp – und was hindert es, die gelegenheit beim schopf zu packen? 😀

  3. 6000 sind bereits verhaftet, darunter Richter, Staatsanwälte, auch zwei Verfassungsrichter. Erdogan bereitet Schauprozesse für diese Juristen vor, zieht vor seinen Anhängern die Todesstrafe in Erwägung (einige Putschisten wurden ja schon gelyncht).

    Also mich erinnert das Ganze an die Stalinistischen Säuberungen der 30er Jahre.

  4. ein anderer Stefan

    Es ist natürlich unklar, was da genau gelaufen ist. Es riecht allerdings verdächtig nach einer False-Flag-Operation, um die letzten Anti-Erdogan-Militärs aus der Deckung zu locken und bei der Gelegenheit gleich auch andere „unliebsame Elemente“ zu entfernen. Ja, es wird sicherlich jeder Politiker Buch darüber führen, wer Freund und wer Feind ist. Aber von jetzt auf gleich 6000 Menschen kaltzustellen? Das klingt doch sehr kommod für Herrn Erdogan. Wenn es wirklich nicht geplant war, dann hatten sie das vorbereitet und nur auf eine passende Gelegenheit gewartet.

    Irgendwo habe ich auch gelesen, dass die Flugbasis Incirlik gesperrt sei, um den Druck auf die USA zu erhöhen, diesen Prediger auszuliefern (gegen den aber wohl gar kein Haftbefehl, Urteil oder so was vorliegt – aber wenn die USA fremde Präsidenten zum Landen zwingen können, ist sowas ja auch schon egal.) Dazu habe den zynischen Kommentar gelesen, die Türkei könnte den ja einfach mittels Drohnenangriff wegbomben – macht die USA ja auch so. Aber da gilt wieder: Quod licet Jovi non licet bovi.

    Der Vergleich mit den politisch-ideologischen Säuberungen, die jedes totalitäre Regime vorgenommen hat, ist wohl nicht verkehrt. Aber da müssen wir ja nur nach Polen oder Ungarn schauen – dort lief das zwar (wohl) gewaltfrei, das Ergebnis ist aber das gleiche. Und über die Ukraine müssen wir wohl nicht reden. So langsam kriege ich das Gefühl, dass der Normalzustand der Menschheit wohl doch die Gewaltherrschaft in der einen oder anderen Form ist. Brot und Spiele und ansonsten Klappe halten. Naja, und das Kanzler zu „lupenreinen Demokraten“ halten, kennen wir ja auch schon. Realpolitik mag ja durchaus eine Notwendigkeit sein, aber es gibt Grenzen.

    • Merkel hat ein paar Stunden abgewartet, bis sie sich eindeutig auf die Seite des „lupenreinen Demokraten“ gestellt hat. Anfangs herrschte bei ihr Funkstille.

      • ein anderer Stefan

        Naja, Merkel hat sicher abgewartet, ob Erdogan sich halten kann – wenn man zu früh seine Unterstützung bekundet, könnte man es sich ja gleich mal mit den neuen Machthabern verscherzen, falls die doch Erfolg haben. Realpolitik halt.

        Ich habe gehört, Erdogan hätte den Putschversuch als „Geschenk Gottes“ bezeichnet – viel zynischer gehts kaum, angesichts von wohl ca.300 Toten. Die Polizei hat möglicherweise relativ früh Wind bekommen, dass das was läuft, und so die Putschisten zu verfrühtem Handeln gezwungen. Das wiederum war eine goldene Gelegenheit für Erdogan, seine Säuberungsaktion durchzuziehen. Insofern ist es wohl doch ein „echter“ Putschversuch gewesen, der von Erdogan und seinen Schergen dann blitzschnell ausgenutzt wurde, um die schon vorbereiteten Säuberungspläne aus der Schublade zu ziehen. Ein Musterbeispiel für einen demokratischen Rechtsstaat. Und dann noch gleich die Todesstrafe wieder einführen wollen – ich denke, einen besseren Partner kann sich die EU nicht wünschen. Soll sich doch bitte keiner mehr über Russland mokieren… Wo bleiben da eigentlich die Boykottaufrufe gegen die Türkei, angesichts massiver Verletzungen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten? Ach, ich vergaß – das ist ja ein Verbündeter… Da schweigt man ja höflich, und will ihn angesichts des Affronts mit dem armenischen Völkermord nicht noch weiter provozieren. Das ist so ein widerwärtiges und armseliges Spektakel.

  5. ein anderer Stefan

    Fefe hat dazu ein bemerkenswertes Statement des Stellv. Vorstandsvorsitzenden Zentralrat der Muslime in Deutschland, Mehmet Celebi, verlinkt:
    https://blog.fefe.de/?ts=a9727ccd
    http://www.huffingtonpost.de/mehmet-celebi/tuerkei-militaerputsch-das-volk-hat-gesiegt_b_11030126.html
    Der Zentralrat nimmt ja für sich in Anspruch, für die Muslime insgesamt in Deutschland zu sprechen. Hier zu unterstellen, die Menschen hätten sich auf eine Militärdiktatur gefreut, finde ich schon mal eine bodenlose Frechheit. Aber dann Erdogan zum Verteidiger der Witwen und Waisen zu stilisieren, ist ja mal so richtig absurd. Wenn der Hinweis in dem einen Kommentar stimmt, ist Erdogan von 18 Jahren jede politische Betätigung auf Lebenszeit verboten worden. Offenbar interessiert das niemanden mehr. Sein „Universitätsabschluss“, der eine juristische Voraussetzung für das Präsidentenamt ist (warum auch immer), ist mehr als fragwürdig. Dass der Mann sich politisch betätigt, geschweige denn Präsident ist, verstößt schon mal gegen türkisches Recht. Interessiert keinen. Da stellt sich die Frage, wie es um den türkischen Rechtsstaat insgesamt bestellt ist. Hm.
    – Pressefreiheit: nope, kritische Journalisten werden (mund-)tot gemacht.
    – Religionsfreiheit: fragwürdig, nicht-muslimische Glaubensrichtungen werden zumindest drangsaliert
    – Rechtsstaatlichkeit: Siehe sein Palast, siehe Gezi-Park, siehe Absetzung von Richtern etc: nope
    – Achtung von ausländischem Recht: Siehe Böhmermann, und jetzt die Aufforderung an die USA, Gülen auszuliefern. nope.

    Ja, er mag demokratisch gewählt worden sein. Allein das ist schon rechtswidrig, siehe oben. Sein Verhalten zeigt deutlich, dass er Rechtsstaatlichkeit mit Füßen tritt. Die Nummer, dass er erneut hat wählen lassen, damit ihm das Ergebnis genehm war, zeigt auch sein Demokratieverständnis, von der Verfolgung kurdischer Abgeordneter ganz zu schweigen.

    Ihn jetzt angesichts des gescheiterten Putsches zum Hüter der Demokratie zu machen, läßt Atatürk im Grabe verglühen vor Rotationsgeschwindigkeit.

    Die Behauptung, Gülen wäre der Drahtzieher der Putsches gewesen, erscheint mir auch fragwürdig – das traditionell eher kemalistisch orientierte Militär schließt sich mit einem Islamisten zusammen, um einen etwas gemäßigteren Islamisten wegzuputschen? Der Feind meines Feindes – klar- aber geht das so weit?

    • Lochkartenstanzer

      > Wenn der Hinweis in dem einen Kommentar stimmt, ist Erdogan von 18 Jahren
      > jede politische Betätigung auf Lebenszeit verboten worden. Offenbar interessiert
      > das niemanden mehr.

      Ihm wurde das nicht direkt verboten, sondern Straftätern, dh. denjenigen, die Gefängnisstrafen absitzen mußten, war es per Gesetz nicht erlaubt, sich politisch zu betätigen. allerdings haben seine Handlanger in der Partei durch ihre Mehrheit entsprechende Gesetze geändert, so daß das kein Hinderungsgrund war.

      Erer nimm für sich in Anspruch, daß er damals nur aus politischen Gründen verurteilt wurde und das daher nur gerecht wäre, daß er wieder politisch aktiv ist.

      Genauso läßt er inzwischen teilweise die Verfassung ändern, damit er an der macht bleiben kann.

      Und das das Militär durchgehend kemalistisch ist, stimmt so auch nciht mehr. Errdogan ersetzt seit jahrzenten kemalistische Generäle durch solche, die eher religös sind. Wenn er dabei welche erwischt hat, die der Gülen-bewegung angehören, dann köntne das druchaus sein, daß die den absetzten wollten, weil er „zu lasch“ bei der Umwandlung der Türkei in einen Gottesstaat ist. Die Gülen-Bewegung ist so ähnlich organisert wie die Scientology!

      • Der Huff-Post-Artikel zeigt eigentlich nur, dass die Spindoktoren am Werk sind.

      • ein anderer Stefan

        Ja, der Hinweis auf die Gülen-Bewegung ist schlüssig, würde auch zeitlich Sinn ergeben. MIt Gülen hat er sich vor ein paar Jahren (drei?) zerstritten – das ist eine gute Zeitspanne, so eine Säuberung (das hat der Mann tatsächlich ohne jede Ironie gesagt? Stalin läßt echt grüßen) entsprechend vorzubereiten.

        Bemerkenswert fand ich gestern, dass in der Tagesschau der religiöse Aspekt der Gülen-Bewegung wenig Erwähnung fand – wichtiger fand man es offenbar, dass diese Bewegung sehr reich sei und den Bau von Schulen finanziere. Naja, wenn eine religiöse Bewegung Schulen baut, wird die Religion dort im Unterricht auch eine Rolle spielen. Und wenn Erdogan und Gülen vergleichbare religiöse Vorstellungen haben, gefällt mir die Vorstellung, dass solche Schulen errichtet werden, nicht sonderlich. Aber der religiöse Aspekt wird bei Berichterstattungen über die Türkei oder türkische Themen generell sehr knapp behandelt, habe ich den Eindruck.

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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