Mary had a little bomb


Syrien. Ein geschlagenes Land. Kriegführende Parteien, die von Mächten gesponsort werden, die alles, nur nicht syrische Interessen im Auge haben.

Russland möchte den eisfreien Hafen nicht verlieren. Die USA wollen – was eigentlich? Ich glaube, das wissen die derzeit selbst nicht mehr richtig. Saudi-Arabien würde gerne den Alewiten in Damaskus loswerden und endlich mal eine anständige islamische Regierung da installieren.

Und mittendrin steht die syrische Bevölkerung und versucht *irgendwie* zu überleben. Und die Länder drumherum werden mit dem Flüchtlingselend alleine gelassen. Jordanien und die Türkei tragen die Hauptlast – und sie sind völlig überfordert mit der Situation. Immerhin: Bundesinnenminister Hans-Wurst Friedrich hat sich bereiterklärt, das syrische Flüchtlingskontingent auf 12.000 bis diesen Monat aufzustocken. Großzügige Hilfe der EU und bereits etablierte Familienmitglieder vorausgesetzt. Sonst kommen die Flüchtlinge nicht rein. Das Boot ist voll, wissenschon.

Wann ist die Erkenntnis eigentlich wieder in den Köpfen der „Entscheider“ gereift, dass Bomben die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln ist? Obama bettelt bei der Weltgemeinschaft wie ein kleines Kind, dass einen Lolli haben möchte, dass er doch bitte ein paar Bomben auf Syrien werfen darf. Er verspricht auch, dass diesmal der „Militärschlag“ nur „begrenzt“ ist.

Doch wer Bomben wirft, schlägt nicht begrenzt. Bomben machen keine „chirurgischen Schnitte“. Bomben verwüsten flächendeckend, zerstören und töten alles, was in ihrem Explosionsbereich liegt. Die Mär der chirurgischen Schnitte und der begrenzten Militärschläge ist genau das: Ein Märchen. Aber keins mit Happy End.

Wie kann man Kinder töten wollen, um zu verhindern, dass Kinder getötet werden, Mr. Kerry? Wie kann man Bomben werfen, um jemandem beizubringen, dass Bomben werfen schlecht ist? Wie kann man aus selbstsüchtigen Gründen versuchen, ein mit Bürgerkrieg geschlagenes Land noch weiter zu zerstören, nur um von den eigenen, hausgemachten Problemen abzulenken?

Denn das ist dieser „begrenzte Militärschlag“ doch. Eine Ablenkung, die ja auch noch funktioniert. Oder seht ihr derzeit irgendwie die NSA-Affäre in den Schlagzeilen?

Selbst das Pentagon sagt offen, dass ein „begrenzter Militärschlag“ – also ein Blitzkrieg, nichts anderes ist das, was die Obama-Administration dort vorhat, keinerlei Auswirkungen auf die Dauer des Bürgerkriegs haben wird. Die Bürgerkriegskämpfer werden genug Vorwarnzeit haben, bevor die amerikanischen Cruise Missiles einschlagen. Entweder gewarnt von den eigenen Verbündeten oder durch die eigene Aufklärung. Was bleibt, sind die Anwohner, die versuchen, inmitten des Bürgerkrieges zu überleben.

Sie werden getroffen. Keine Giftgasraketen, keine Waffen, nichts. Nur Menschen und Häuser. Zerrissen vom Explosionsdruck. Kein schöner Anblick – und um keinen Deut besser als die Bilder der Giftgasattacken, von denen ich nach wie vor nicht glaube, dass Assad sie befohlen hat. Der Mann ist nicht so dumm – er wusste vorher, was ihm blüht, wenn das geschieht und dass er sich eine weitere Front nicht leisten kann.

Weltweit gehen wir mit Riesenschritten zurück in eine Zeit, die noch vor der Aufklärung liegt. Der Zweck heiligt die Mittel, Bomben dürfen wieder eingesetzt werden, um „Fehlverhalten“ zu bestrafen.

Und was „Fehlverhalten“ ist, wird dann nach Tageslaune entschieden. Guantanamo ist kein Fehlverhalten. Die Inhaftierung chinesischer Dissidenten aber sehr wohl. Chelsea Manning ist eine Verbrecherin, Chodorkowski ein Dissident.

Was jetzt gerade massiv auf die USA zurückfällt, ist deren jahrzehntelange geübte Bigotterie über „Gut“ und „Böse“. Und die Auffassung, dass es das gottgegebene Recht der USA ist, zu entscheiden, was wann böse und wann gut ist. Saddam war gut, solange er nützlich war. Als er seine Nützlichkeit verloren hatte, war er auf einmal ein Diktator und der Irak ein Schurkenstaat. Unter dem Schah von Persien war der Iran Verbündeter der USA. Unter den Mullahs ein Schurkenstaat.

Man macht Politik aber nicht nach der Minutenlage. Man kann keinen politischen Kurs fahren, der den Großen Mäander als geradlinig dastehen läßt, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Und man kann nicht jedesmal, wenn die innenpolitische Situation einen ins Schwitzen geraten läßt, Bomben und anderes Kriegsgerät auf andere Länder fallen lassen, um davon abzulenken.

Irgendwann wachen die Leute nämlich auf. Und stellen Fragen.

Und genau das ist es, was gerade in den USA geschieht. Die Leute wollen nicht mehr, dass ihre Söhne und Töchter krank, verstümmelt und psychisch krank zurückkommen. Die Leute wollen nicht mehr, dass generationenweise junge, idealistische Menschen von zynischen alten Männern als Kanonenfutter verheizt werden in Kriegen, für die es nie wirklich eine Rechtfertigung gegeben hat.

Die Menschen sind müde, dass ihre eigene Infrastruktur immer weiter zerfällt, dass pro 100.000 Einwohner derzeit 760 Menschen in den inzwischen privatwirtschaftlich organisierten Gefängnissen sitzen. Strafvollzug als Investment-Idee. Und nur volle Gefängnisse garantieren auch Profit.

Auch die amerikanischen Bürger wollen nur Leben. Ihre Familien großziehen, einigermaßen unbehelligt durchs Leben gehen und ein Auskommen haben. Sie wollen für ihre Kinder Bildung und einen Job.

Und sie sehen, dass genau das immer weniger möglich ist. Die Schulgebühren sind nahezu unbezahlbar geworden, Stipendien gibt es, aber sie sind rar. Die öffentlichen Schulen werden systematisch finanziell ausgehungert, Jobs gibt es nicht mehr. Immer mehr arbeiten in vier oder mehr Jobs, können nur 4 Stunden täglich schlafen, um genug Geld zu bekommen, damit die Kinder zu essen haben und in die Schule gehen können.

Das alles sind reale Probleme, die mit Geld zu lindern wären. Doch das Geld geht an die Geheimdienste (52 Mrd. Dollar jedes Jahr) und an das Militär (100 Mrd. Dollar). Das sind pro Jahr 152 Mrd. Dollar, die man in Infrastruktur und Schulwesen investieren könnte. Selbst ein Land, so groß wie die USA, könnte mit diesem Geld eine Menge stemmen. Und ja, ich kenne die föderale Struktur dort und die Probleme, die es macht, Bundesmittel auf States umzuschaufeln. Und? Kann man lösen. Wenn man denn will.

Der Weg, innenpolitische Probleme mit Kriegen gegen andere Länder zu kaschieren, ist ein Irrweg.

Bomben lösen weder innenpolitisch noch außenpolitisch irgendwelche Probleme.

Sie schaffen nur neue.

Veröffentlicht am 10. September 2013, in Außenpolitisches, politisches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 7 Kommentare.

  1. Da schreibst Du mir aus tiefster Seele!

  2. ein anderer Stefan

    Absolut richtig. Die bisherigen Toten waren offenbar nicht so schlimm, oder wieso ist ausgerechnet jetzt die Rote Linie überschritten? Sind nur Giftgasopfer „gute“ Opfer? Wie immer geht es um die Menschen zuletzt. Und als „Beweis“ ausgerechnet Geheimdienstinformationen zu behaupten (gesehen hat die Beweise die Öffentlichkeit ja nicht), ist spätestens seit dem Irakkrieg wohl etwas unglaubwürdig.
    Die europäische Flüchtlingspolitik in der Situation ist erbärmlich und beschämend.

  3. Geheimdienst“informationen“?
    Das ist als würde man den Brandstifter beauftragen, weitere Brände zu verhindern und die Ursache der bisherigen herauszufinden.

    Und selbst verständlich sind von Chemiewaffen getötete Menschen wertvoller, als solche welche „nur“ durch Sprengfallen oder Projektile sterben.
    Weniger wertvoll sind nur noch die Opfer von Atomwaffen, aber derer gibt es ja nicht mehr soviele… (… sagen jedenfalls die USA – und denen muss man ja einfach vertrauen 😉 )

  4. Die ehemaligen Soldaten der USA, die sogenannten Veteranen, werden aber trotz des vielen Militärgeldes nicht ordentlich versorgt

    Tonnen an Papierakten die die Gebäude einsturzgefährlich machen.
    Inkompatible Computersystem
    Und ein Backlog von 9 Monaten bis 2 Jahren.

    „Ach sie sind von den eigenen Truppen mit angegast worden, haben Golfkriegssyndrom und PTSD. Na dann kommen sie doch mal in ein paar Monaten wieder und vieleicht wissen wir dann wo ihre Akte ist“

    Wenn aber alles nur ferngelenkt gemacht wird, reduziert sich das ja auf höchstens mal ne Brille und Karpaltunnelsyndrom für die Deskjockey.

    • „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“
      Ein Soldat, der nicht mehr kämpfen kann oder will, ist für die Befehlshaber unnütz und somit nicht mehr Teil ihres Verantwortungsbereiches, zumindest aus ihrer Sicht; daher braucht man sich auch nicht mehr um ihn zu kümmern.
      Dies passt ganz gut ins Bild, welches ich von den Herrschern in den USA erhalte, allerdings trifft es auf alle Armeen der Welt zu: „Du kämpfst nicht mehr für uns, also sieh zu, wie du klar kommst.“

  5. Öhm ich glaub der Link hinter der Invenstment Idee ist kaputt.

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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