Es bleibt spannend
Bis jetzt kann ich nicht sehen, dass sich das Referendum für Alexis Tsipras nachteilig ausgewirkt hat. Die Opposition steht geschlossen hinter der Regierung. Mit dem Rücktritt von Ex-Premier Samaras ist einer der alten Korruptias weg und das wohl auch endgültig – Samaras hatte zuletzt keinerlei Rückhalt mehr.
Tsipras hat gespielt und bislang gewonnen. Und mal sehen, ob er das auch umsetzen kann. Denn: Ein „weiter so“ kanns nicht geben.
Es kann nicht so weitergehen, dass der Ministerpräsident eines Landes einerseits Reformen einleiten soll – und dann von Krisengipfel zu Krisengipfel zitiert wird. Hat mal einer ausgerechnet, wie lang Tsipras und auch Varoufakis insgesamt überhaupt im Amtssitz waren um *fundierte* Reformpläne zu erarbeiten?
Natürlich waren die Dinger mit der heißen Nadel gestrickt – genauso wie die Pläne der EU. Da wird „schnell schnell“ gemacht, weil der nächste Rückzahlungstermin ansteht ohne mal alles auf „STOP“ zu setzen und erstmal Bestandsaufnahme zu machen.
Ja, die griechischen Baustellen sind bekannt. Aber die der EU auch.
Insgesamt 340 Mrd. Euro sind inzwischen als Kredite gegeben worden. An 10 Mio. Griechen. Rechnet mal kurz – und dann überlegt mal ob die das *je* zurückzahlen können angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage. WENN wir hier schon Austerität einfordern, dann sollte man doch VOR der Kreditvergabe mal kurz prüfen, ob eine Rückzahlung überhaupt möglich ist. Und nicht nur gucken „och, Rating stimmt, hau raus die Kohle“
Das war übrigens Varoufakis‘ Haltung von Anfang an – keine Kohle geben, Griechenland in den geregelten Staatsbankrott gehen lassen und dann neu aufbauen. Aber nachdem mehrere Jahre gutem Geld noch schlechtes hinterhergeworfen wurde, ist diese Möglichkeit wohl ausgeschlossen. An der Stelle gestehe ich gerne Wissenslücken, ich bin kein Ökonom, ich kann mir das nur so vorstellen, dass der Staatsbankrott ausgeschlossen wurde, um den Daumen auf den Krediten zu halten.
Übrigens sind wohl nach dem, was ich gesehen hab, von den 340 Mrd. 270 Mrd. bei den Banken geblieben. Verdammt, ich such die Quelle dazu…. *grummelt*
Diese Bankenfütterung muss aufhören. Das Geld muss nicht in die Banken – das muss in die Wirtschaft fließen. Banken sind Zwischenhändler, sie produzieren nix. Sie *können* eigentlich nicht Systemimmanent sein, es sei denn, das System ist krank. Griechenland, auf der anderen Seite, steht vor einem grundlegenden Umbau. Anders als Spanien, Portugal oder auch Irland ist das Land auch dank der korrupten Eliten von PASOK und Neo Democratia auf dem Stand „Tourismus“ und „Agrar“ hängengeblieben.
Und das kann man beim besten Willen keinem Alexis Tsipras anlasten.
Es muss also ein Umbau stattfinden. Dafür muss der Chef aber auch DA sein. Und nicht irgendwo auf Krisengipfeln rumtingeln, weil die Regierungschefs so gerne mit Tsipras reden. Wie soll der Mann einen vernünftigen Reformplan erstellen, der alle Baustellen berücksichtigt OHNE die eigenen Leute mit dem Rücken an die Wand zu stellen, wenn der nie da ist, weil wieder ein „Gipfel der Regierungsschefs“ einberufen wurde? Seit Tsipras vereidigt wurde, hat man ihn auf den Zehenspitzen gehalten und keine Ruhe gegeben.
Tsipras braucht also einen validen Plan. Und hier gibts eben die Streitpunkte zwischen EU und Griechenland. Ein großer Streitpunkt z.B. ist die Anhebung der Mehrwertsteuer im Tourismussektor von 13% auf 23%. Dagegen haben Varoufakis und Tsipras übrigens am heftigsten gekämpft und das mit vollem Recht. Eine Anhebung der Mehrwertsteuer im Tourismussektor um 10% hätte das „Aus“ für den letzten einigermaßen funktionierenden griechischen Wirtschaftszweig bedeutet.
Tjooooo und nu? Ich hab keine Ahnung, derzeit sind alle Optionen offen. Vom Austritt Griechenlands aus der EU (ein „Rauswurf“ kann es nicht geben, wer immer das fordert, ist ein Idiot und offenbart, dass er keine Ahnung hat, was er da eigentlich schwafelt. Die Verträge verhindern einen wie auch immer gearteten Rauswurf) bis hin zu einem Schuldenschnitt und geregelten Staatsbankrott ist meiner Meinung nach alles drin. Durch den Rücktritt hat Varoufakis zudem weitere Verhandlungsoptionen eröffnet.
Wir werden sehen.
Leute, ganz im ernst – egal auf welcher Seite man grad steht: Das, was da grad abläuft, ist ein hochspannender Politikrimi. Er macht keinen Spaß, weil man durchaus auch ohne den Mist leben könnten. Aber: Er ist wirklich spannend.
Veröffentlicht am 7. Juli 2015, in Außenpolitisches, politisches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.
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