Gemaasregelt


Das Wort ist mir gestern bei Twitter über die Timeline gehuscht – und ich finds klasse. Denn wir alle sehen uns gerade mit einem Problem konfrontiert, dass uns ziemlich schnell aufzeigt, wo unsere persönlichen Grenzen der Meinungsfreiheit sind.

Das wird man doch wohl nochmal sagen dürfen…

In Deutschland gibt es einige Rechte, die hart erkämpft wurden.

Das Recht auf Demonstrationen, das bereits imho zuviel eingeschränkt wird mit all den Regeln und den teils riesigen Polizeiaufgeboten, Kesseln und anderen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ja, man darf das tatsächlich sagen, solange es nicht strafrechtlich relevant ist. Mordaufrufe oder Kopfgelder sind keine Meinungsäußerung.

Wir kommen immer dann in Konflikte, wenn diese Meinungsäußerungen uns gegen den Strich bürsten. Der Ruf nach übergeordneten Autoritäten erschallt dann schnell und laut, doch wenig reflektiert.

Man *darf* sagen, dass man Angst bekommt, wenn man sieht, wie viele Flüchtlinge ankommen. Aber man hat nicht das Recht, das unwidersprochen sagen zu dürfen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist gegenseitig – und wenn man eine Meinung vertritt, die menschenfeindlich ist, die rassistisch ist, dann muss man mit Gegenwind rechnen und den auch ertragen. Genauso wie ich das dumme Geschwätz, äh, die Meinung Rechter ertragen muss.

So funktioniert Diskurs, so funktioniert Meinungsbildung. Wenn ich diskutiere – und zwar am Argument und nicht an der Person („Du dummes Arschloch“), dann habe ich die Chance, eine Meinung zu ändern.

In letzter Zeit beobachte ich aber eine zunehmende Manie, alles „regeln“ zu wollen. Die Gesinnung spielt plötzlich wieder eine Rolle bei der Frage, was man denn alles sagen darf.

Da wird lustig jeder, der als „Rechts“ klassifiziert wird, beim Arbeitgeber angeschwärzt. Ganz ohne Scham. Denn es geht ja gegen Rechts und da darf man das.

Nein, darf man nicht.

Da wird nach dem Bundesinnenminister gerufen, dass er doch bitteschön endlich was unternehmen soll gegen diese rassistische Hetze. Dabei wird aber gerne übersehen, dass *jedes* Gesetz, dass Heiko Maas jetzt erlassen könnte, genausogut gegen Links funktioniert.

Wenn ich die freie Meinungsäußerung einschränke, weil mir die Meinung nicht passt oder ich sie sogar gefährlich finde, dann muss ich damit rechnen, dass auch meine eigene Meinungsäußerung eingeschränkt wird. Gesetze funktionieren so, da steht nicht drin, dass es nur für Rechte gilt.

Auch die ganzen Blogwarte wie die Tugendfurie, die Blogs durchsucht, um hier „widrige Gesinnungen“ anzuprangern, möglicherweise einen weiteren #Aufschrei zu provozieren und vor allem, um Twitter-Accounts, die nicht in ihr Weltbild passen, sperren zu lassen: Diese Leute sind gefährlich für unsere Grundrechte.

Es ist egal, welche Motivation man hat. Wenn man die freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht einschränken will, weil einem die Teilnehmer nicht passen, muss man damit rechnen, dass man selber dann auch nicht mehr darf.

Und dann ist der #Aufschrei plötzlich groß.

Gesinnungsstrafrecht führt IMMER in die Irre. Es gibt unterschiedliche Meinungen und eine Demokratie lebt davon, dass auch Extremmeinungen ausgehalten und im offenen Diskurs nivelliert werden, egal ob links oder rechts.

Wenn wir alle keinen Maulkorb wollen, der uns übergestülpt wird, dann sollten wir schnell unsere fünf Sinne beisammen behalten und hier eine 180°-Wende machen, wenn es nicht bereits zu spät ist.

Denn natürlich wartet die Politik nur auf sowas. Wir haben quasi den Elfmeter für die Grundrechteeinschränkung geliefert und können uns nicht beschweren, wenn die Politik jetzt auf die vielfachen Jaulereien „das düüüüüüüüüürfen die nicht“ reagiert, indem sie unsere Bürgerrechte einschränkt. Um uns zu „schützen“, natürlich.

Meinungen, die uns nicht liegen, müssen wir aushalten. Nicht unwidersprochen und sobald sie menschenfeindlich werden, ganz sicher nicht, ohne dass man aktiv gegenhält. Das wiederum müssen die Menschenfeinde aushalten.

Davon völlig unberührt bleibt ja das Strafrecht, das bereits jetzt Waffen rausgibt, mit denen man arbeiten kann. Wenn jemand zum Mord aufruft, dann bleibt das auch im Internet strafbar und die Polizei handelt hier.

Denn das Internet ist nach wie vor kein rechtsfreier Raum.

Veröffentlicht am 30. September 2015, in Innenpolitisches, politisches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 5 Kommentare.

  1. Danke dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen!
    juergen

    PS: lies dir noch mal bitte den 2. Satz vom 3-letzten Absatz durch?

  2. Hach, Tantchen trifft es wieder wie üblich…

    Ich bin selbst auch nicht soooo glücklich über diesen flüchtlings-rush und wie unsere „liebe“ politik damit umgeht. Aber herrgottnochmal – unsere altvorderen haben so hart für die rechte gekämpft und wir lassen uns alles immer mehr nehmen im namen von sicherheit und gutem gefühl!

    Fangen wir mal an:
    * TKÜV
    * Demonstrationsanforderungen
    * Kündigungsschutz

    ach, keine lust, alles rauszukramen. Aber ihr könnt vielleichtnachspüren, um was es mir geht. DE hat nach WK2 gesagt: [i]nie wieder[/i].

    Trotzdem wurde z.B. dem Militär wieder die macht gegeben, sonstwo eingesetzt zu werden.
    Trotzdem fügen wir uns willenlos in alles ein, was die amis, briten und franzosen so für spline haben.
    Trotzdem fahren wir bewußt andere nationen mit vollgas gegen die wand.
    trotzdem lassen wir unseren politikern jeden scheiß durchgehen.

    man sagt: eine nation bekommt die regierung, die es verdient.
    offensichtlich verdient deutschland noch viel mehr als was wir mit merkel und ihrem sauhaufen gerade haben. weil deutschland von außen betrachtet nach so einem guten lauf sich gerade selbst demontiert und mit allen mitteln wohl den usa nacheifern will: das erreichen einer strunz dummen bevölkerung.

    ich freu mich schon drauf… *würg*

  3. Liebe Tante Jay, ich schätze deine Standpunkte, aber ich gebe dir nicht Recht, wenn du sagst:

    In Deutschland gibt es einige Rechte, die hart erkämpft wurden.

    Diese Rechte sind nicht erkämpft. Sondern wir mussten einen Weltkrieg verlieren, damit wir sie quasi von oben aufoktruiert bekamen. (Soll jetzt nicht heißen, dass ich die Rechte nicht schätzen würde.)

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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