Hilary Clintons einsamer Kampf


Dort findet ja derzeit der US-Vorwahlkampf statt. Und der wird unerwartet spannend – und leider auch in Teilen beängstigend. Ja, auch für Europäer.

Fangen wir mal mit dem spannenden Teil an.

Demokraten im Vorwahlkampf. Hilary Clinton gegen Underdog Bernie Sanders. Und es scheint fast, als würde sich der Demokratenvorwahlkampf 2008, wo Clinton gegen Obama verlor, wiederholen.

Iowa ging zwar an Clinton, aber die Rufe, dass das nur durch Wahlfälschung möglich war, mehren sich, was Clinton weiter in Bedrängnis bringt, als sie ohnehin schon ist.

Die hat sie sich allerdings voll und ganz selbst zuzuschreiben. Als Außenministerin einen eigenen Mailserver zu nutzen, der NICHT am System des Weißen Hauses angeschlossen ist, das ist ein Verstoß so gegen ziemlich alle Vorschriften, die ja zu Recht bestehen.

Das erstaunlichste war ja, dass Clinton offenbar nicht einmal verstanden hat, warum das so wichtig ist. Das Interview war beinahe verstörend: Clinton hat tatsächlich gedacht, dass es alles gut ist, wenn sie den Mailserver rausrückt. Die Probleme hat sie nicht mal ansatzweise erfasst und offenbar war auch niemand in der Lage, ihr das zu erklären.

Social Media – mehr als einmal ist man bereits dahinter gekommen, wenn sie Dinge aufgehübscht hat, um Wählerstimmen einer bestimmten Gruppe einzuheimsen. Auch hier unterschätzt sie die Wucht von Twitter, Facebook und Co. vollständig. Ebenso wie ihr ganzes, hochbezahltes Team.

Demgegenüber Bernie Sanders. Vergesst das Foto, dass ihn angeblich mit Martin Luther King jr. auf dem Marsch nach Selma zeigt, hier ist die Echtheit nicht bestätigt. Das *kann* Bernie sein, aber auch jemand ganz anderes. Snopes ist gerade dabei, die Echtheit zu prüfen.

Bernie Sanders hat eine weitgehend konstante Politik im Laufe seiner Karriere gemacht und ist für nichts und niemandem davon abgewichen. Er zeigt Lösungen auf, wo Hilary Clinton auf persönliche Angriffe setzt, wie es im Mickey-Mouse-Wahlkampf der USA nun mal üblich ist.

Sanders verändert den Wahlkampf und das nicht nur subtil. Er weigert sich, persönlich zu werden, zeigt aber Fehler seiner Kontrahentin auf. Er konzentriert sich auf die vielen Probleme Amerikas. Infrastruktur, außer Kontrolle geratene Studiengebühren, Rassismus, staatlicher Überwachungswahn, Freihandelsabkommen, die lediglich für Großkonzerne profitabel sind.

Seine Haltung zu den Freihandelsabkommen gibt Anlass zur Hoffnung, dass, sollte er gewählt werden, die Verträge wieder gekippt werden bzw. neu verhandelt.

Kurz gesagt: Wo Hilary Clinton das korrupte politische System für sich zu nutzen versteht, an den unausgesprochenen Regeln dieses Systems nahezu blind entlangläuft, stellt sich Bernie Sanders gezielt außerhalb dieses Systems um es zu verändern.

Die Leute fangen an, das zu merken. Wer gegen Sanders ist, sieht sich tatsächlich argumentativ häufig an die Wand gedrückt. TeaPartyBaggers und Libertarians, die den Lehren Rand Pauls fordern und die Abschaffung aller Nationalstaaten, die sind weiterhin gegen Bernie Sanders.

Aber alle anderen fangen an, zuzuhören. Sie fangen an, daran zu glauben, dass es wirklich jemanden gibt, der etwas verändern kann. Der es tatsächlich so meint, wenn er sagt: „Die Leute müssen bei einer 40-Stunden-Woche von ihrem Gehalt leben können“.

Der endlich mit dem Trickle-Down der Reagan-Ära Schluß machen will und der Ayn Rand und ihre Austerität für die Monstrosität hält, die sie ist.

Es sind diese Leute, die genug haben von dem politischen System, in dem es nicht mehr um Menschen geht, sondern ums Recht haben, ums gewinnen. Die politischen Parteien in den USA arbeiten nicht mehr, um das Land irgendwie voranzubringen, sondern um zu gewinnen. Wenn man ein Gesetz der anderen verhindert, hat man gewonnen, völlig egal wie gut das Gesetz war.

Hat man sein eigenes Gesetz durchgebracht, hat man gewonnen, völlig egal wie viele Leute davon negativ betroffen sind. Man hat gewonnen – darauf kommt es im politischen Spiel der USA an. Es sind Spieler am Werk, die Menschen als Handelsware sehen.

Die Folgen sieht man täglich: Infrastruktur: Eine Katastrophe. Aber gerade die Republikaner sind groß darin, dass ohnehin knappe Budget weiter zu kürzen, weil „kein Geld“. Die Bildung der USA, selbst die der Ivy League Colleges, ist mittlerweile zur internationalen Lachnummer verkommen. Viel Geld für eine Bildung, die man in Europa umsonst bekommt, auf höherem Niveau.

Veteranen der von den Republikanern angezettelten Kriege werden im Regen stehengelassen, die Veteranenhospitäler ein einziger gigantischer Skandal, den beide Parteien zu verantworten haben. Die Republikaner haben gegen jede einzelne Verbesserung der Veteranen-Situation gestimmt. Jede. Und sei sie noch so klein. Weil sie von den Demokraten kam. Selber hat man nichts entsprechendes eingebracht.

Wenn man in den USA alt ist, hat man besser viele Kinder, die einen unterstützen können. Der Staat tut das nicht.

Die Liste der Grausamkeiten ist endlos.

Im Grunde genommen ist Bernie Sanders der griechische Yanis Varoufakis. Mit einem Unterschied: Varoufakis hat sich nicht selbst zur Wahl gestellt, sondern als Minister gearbeitet.

Doch Bernie geht kein Risiko ein – der Chef bestimmt die Politik, nicht der Minister.

Eine Binsenweisheit, die Varoufakis erst schmerzhaft lernen musste und die ihn Amt und Einflußmöglichkeiten kostete – auf Kosten der griechischen Bevölkerung.

Bernie weiß das. Und daher setzt er aufs Ganze.

Veröffentlicht am 8. Februar 2016, in Außenpolitisches, politisches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 16 Kommentare.

  1. Alles zum Wahl System in den USA findest du im Blog: usaerklärt.

    • Ich kenn das Blog…(wieso ist das eigentlich nicht in der Blogroll?), folge ihm aber momentan bewußt nicht, weil ich selbst rauskriegen will, was da läuft. Macht mehr Spaß 🙂

      Außerdem gilt bei den Artikeln wie immer: Ist meine Meinung, muss nicht zwingend die anderer sein.

  2. Danke für deine Einschätzung. Bisher habe ich den US-Wahlkampf weitestgehend ignoriert und wusste daher auch nicht, dass es einen wünschenswerten Kandidaten gibt ☺

    Clinton hat tatsächlich gedacht, dass es alles gut ist, wenn sie den Mailserver rausrückt. Die Probleme hat sie nicht mal ansatzweise erfasst und offenbar war auch niemand in der Lage, ihr das zu erklären.

    Auch diese Debatte habe ich nicht verfolgt, nur am Rande mitbekommen, das es sie gab. Ehrlich gesagt verstehe ich die Probleme auch nicht so ganz. Hast du dazu einen kompakten Lesetipp, der einen Überblick über die Situation verschaffen kann?

    edit: Zum USA Erklärt Blog, das hat sich wohl leider verabschiedet.

    • Micha, die Emailaffäre ist schnell erklärt:

      Hilary Clinton hat in ihrer Zeit als Außenministerin alle dienstlichen Emails über einen privaten Emailserver abgewickelt. D.h. ihre gesamte dienstliche Kommunikation ging nicht über die IT-Infrastruktur des Weißen Hauses sondern über ihren privat eingerichteten Server.

      Ihren_privat_eingerichteen_Server.

      Ich kann mir derzeit kein größeres Sicherheitsleck vorstellen: Höchst vertrauliche Emails über die US-Außenpolitik gehen nicht über die speziell abgesicherte Infrastruktur des Weißen Hauses, sondern über eine privat aufgebaute Serverlandschaft. HALLO?

      1. Das Weiße Haus hat Protokolle wie man im Fall eines Einbruchs mit den Daten umgeht und wie man sich zu verhalten hat. Das ist bei einem privaten Server fraglich.
      2. Sämtliche Emails des Weißen Hauses werden nach Protokoll archiviert und können auch später noch herangezogen werden. Ein privater Server bietet diese Sicherheit nicht, kann sie nicht bieten, selbst wenn ein Backup-System vorhanden ist
      3. Anweisungen sind nicht mehr nachvollziehbar wann sie wem gegeben wurden. Es kann fragmentarisch rekonstruiert werden, indem man die Server des Empfängers prüft, das geht aber nur da reibungslos, wo auch die eigene Infrastruktur genutzt wurde.

      Alles in allem ist das Email-Ding eine Katastrophe. JEDER, aber auch JEDER, der eine private Mailadresse und/oder Mailserver für dienstliche Kommunikation benutzt, wird gefeuert. Und das wird von den Gerichten bestätigt.

      Hier? Noja.
      Fefe hier auch zu:
      https://blog.fefe.de/?ts=aa09ee8f

  3. Danke für die Erklärung. Bisher hatte ich immer nur kleine Bruchstücke von der Geschichte gehört und hielt sie für nicht sonderlich relevant. Ich verstehe jedoch, dass die Affäre für Amerikaner brisant ist und Clinton eigentlich einen formalen Fehler beging, der ihr politisches aus bedeuten sollte.

    • Das war kein „formaler Fehler“, die kannst ausbügeln. Den nicht mehr.

      Frag doch mal morgen einen Admin deiner Wahl, vielleicht auf der Arbeit, was er davon hält, wenn du deinen eigenen Mailserver aufsetzt und für dienstliche Mails nutzt.

      Buddel aber vorher nen Schützengraben.

  4. ein anderer Stefan

    Sanders vs. Clinton ist noch Kindergarten. Wenn Sanders wirklich der Kandidat der Demokraten werden sollte, werden die Republikaner aus allen Rohren feuern, dann wird es wirklich bösartig werden. Ich wette, da sind jetzt schon Trüffelschweine unterwegs, die nach irgendwas verwertbarem suchen. Gemäß der Logik der US-Politik muss ja jeder ein paar Leichen im Keller haben, der in der Politik was werden will – und die werden gerade gesucht. Ich hoffe nur, dass sie bei ihm nicht viel finden – bisher sieht es nicht so aus.

    • Es gibt jemanden, der mit Dreck wirft und jemanden, der den Dreck abbekommt – lass die Republikaner werfen. Wenn jemand Argumente hat, geht das weitgehend ins Leere.

      „Wir müssen das Bildungssystem soweit verbessern, dass junge Leute da nicht hochverschuldet rauskommen“

      „Sag mal, Bernie. Wer ist eigentlich Susan?“

      Wirkt nicht 😉

  5. Das finde ich ja in der politischen Umgebung immer so verstörend:
    – In den USA mit 2 Partei-System gibt es nur „Wir oder der Feind“, wer nicht mit einem ist, ist gegen einen. Da ist es schon immer nachrichtenwürdig wenn mal beide Parteien sich zeitweise einigen konnten um was zu bewegen. Ansonsten wird der jeweilige Gegner bekämpft. Kein Platz für Kompromisse.

    – Politische Gegner werden blockiert und schlecht gemacht, siehe US Senat und der Blockade und Filibusterhaltungen.

    – Attack Ads.

    – Es gibts Unmengen von wilden Versprechen und „Plänen“. Immer dem Motto nach ‚Wählt mich, wählt mich!‘ Dazu dann: „Ich habe Pläne um dieses Problem zu lösen. Aber nur wenn ich gewählt werde, sonst halte ich meine ’narrensicheren‘ Pläne zur Weltverbesserung solange geheim bis ich gewählt werden. Sonst zählt das ja nicht, bloss weil Leute an dem Problem leiden muss ich ja nicht selbstlos helfen“ Solche Pläne sind dann meist nur irgendwelche Allgemeinplätze und Versprechen, da muss nicht unbedingt was dahinter stecken.

    – Aktuelle Blockadesituation in USA Beispiel, Richter des Obersten Gerichtshof ist verstorben. Die werden auf Lebenszeit besetzt und der jeweilige Präsident schlägt den Kandidaten vor und der Congress sollte ihn anerkennen. Jetzt wollen die Reps ein Jahr lang blockieren und den Präsidenten dran hindern den Posten zu besetzen, weil ja jetzt lam-duck-season ist, d.h. ausklingende Amtszeit von noch knapp einem Jahr und da will man natürlich nicht das der Gegner noch was macht wenn man doch eventuell die nächste Wahl gewinnt und dann mit dem liberalen/linken/konservativen/ausserirdischen Richter festsitzt bis der nächste abnippelt.

    etc. pp

warf folgenden Kuchen auf den Teller

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