Verwaltung vs. Politik
Weils gerade in Facebook aufkam, hier mal ein paar Gedanken zu dem Thema „Verwaltung“ und „Politik“.
Offiziell ist es ja so, dass die Politik die Maßgaben setzt, die von der Verwaltung umzusetzen sind.
Hört ihr das Gelächter? Ja, ich auch.
Die Realität sieht ja eher so aus, dass es Ministeriumsmitarbeiter genau gar nicht interessiert, wer gerade den Ministersessel, oder im Kleinen, den Dezernentensessel warmhält.
Es gibt hier natürlich immer wieder Ausnahmen und Leute, die es schaffen, das Ministerium in den Griff zu kriegen – aber der Regelfall lautet: Die Minister laufen solange auf, bis sie begriffen haben, dass man sich nicht gegen die Verwaltung stellt. Und ab da läuft alles reibungslos.
Ursula von der Leyen anyone?
Der Grundsatz, dass die Verwaltung durchaus ohne Minister aber nicht umgekehrt kann, ist universell in jedem Land, vielleicht (!) mit Ausnahme von Nordkorea. Selbst China wird da keine Ausnahme sein.
Demzufolge ist „politisches System“ auch nicht mit den Politikern zu verwechseln. Nach vier, vielleicht acht Jahren sind die getauscht. Es gibt dann einen neuen „Chef“, der den Sessel warmhält und am Besten die Verwaltung nicht groß stört.
Als ich Beamtin gelernt habe, gabs irgendwann eine schriftliche Anweisung des Dezernenten, die dem Sachbearbeiter nicht gepasst hat. Der guckte sich das an, schüttelte mit dem Kopf: „Was soll der scheiß denn?“ und legte das in die Ablage P.
Ich war verwirrt. „Aber das ist doch ne Anweisung? Muss gemacht werden?“ Kollege grinste nicht mal. „Das war Blödsinn. Seh ich nicht ein.“
„Kam aber doch vom Dezernenten?“
„Ja und? Was will der denn machen? Mich feuern?“ – Kollege war Beamter.
Nicht nur ist er damit durchgekommen – der Dezernent hat später eine 180°-Wendung hingelegt und die Meinung des Sachbearbeiters zu 100% übernommen. Wahlbeamter, die Wahl stand an. Der Kollege kannte viele, die diesen Menschen wählen sollten.
Es gibt in jeder Verwaltung „Königsmörder“ – Mitarbeiter, die es mühelos schaffen, den Chef in derart schlechtem Licht dastehen zu lassen, dass danach nur noch der Rücktritt bleibt. Und die tatsächlich selbst dann völlig unschuldig da stehen. Jeder weiß, was er gemacht hat. Ex-Chef inklusive, aber machen kann man wirklich gar nix.
Ab und an gönnt man dem Chef mal ein Bonbon und läßt ihn mit was durchkommen. Man ist ja kein Unmensch. So hat halt Ursel ihre neuen Gewehre bekommen. Dafür isse auch seitdem hübsch still, sieht bei Paraden gut aus und läßt das Ministerium mal machen.
Es gibt in der westlichen Welt genau einen, der das nicht nur begriffen hat, sondern auch danach handelt – mit katastrophalen Folgen.
Donald Trump.
Der „Swamp“ den er da so vielbeschworen hat – das war nicht die Politik. Die hatte er von vornherein als zahnlosen Tiger eingeschätzt und weitgehend Recht damit gehabt. Das war die in den USA in Teilen tatsächlich wuchernde Verwaltung. Donald Trump verfällt gerade aber ins andere Extrem und läßt NIX übrig, was er als „überflüssig“ erachtet.
Umweltschutz zum Beispiel. Oder irgendwelche Arbeitsschutzbehörden.
Systematisch hat Trump diese und eigentlich alle Behörden, die ihm und seiner Agenda („Geld verdienen“) im Weg waren, in den Boden gestampft und völlig handlungsunfähig gemacht. Und derzeit sieht es auch so aus, als würden genau diese Behörden einknicken. Die haben dem absolut nichts entgegenzusetzen. Es ist kein Chef da, den man skandalisieren könnte. Umweltskandale interessieren derzeit keinen.
Betsy DeVos, Rex Tillerson und wie sie alle heißen: Das waren Leute, die angetreten sind, die Behörden zu entmachten. Was sie auch *erstmal* getan haben.
Was ich hier zum erstenmal wirklich sehe, ist, dass Behörden vor der Politik kuschen. Dass die Verwaltung kein Mittel hat, was sie diesem Angriff entgegensetzen kann – außer „duck&cover“ und hoffen, dass die Midterms eine Veränderung bringen.
Wir leben, zumindest pro forma, in einer Demokratie. Die Macht des Verwaltungsapparates ist per Definition anti-demokratisch und besorgniserregend.
Wie weit das gehen kann, kann man prima am NSU-Beispiel sehen. Der Verfassungsschutz agiert völlig autark, jegliche Bemühungen, ihn zu kontrollieren, gehen sofort nach hinten los. Vor diesem Hintergrund muss man übrigens auch den Fall Edathy sehen.
Im Bericht des Untersuchungsausschusses stand ne Menge unangenehmes Zeug, das besser nicht hinterfragt werden sollte. Gleichzeitig musste man einen etwas übereifrigen Politiker abstrafen und ein mahnend Beispiel für alle anderen setzen.
Hat perfekt geklappt, würde ich sagen. Hat *einer* von euch noch den Bericht auf dem Schirm? Was da drinstand? Nein? Aber ich gehe jede Wette ein, dass ihr genau wisst, dass Edathy pädophil ist.
Isser übrigens meiner unmaßgeblichen Meinung nach nicht. Der steht auf *sehr junge* Jungs aber nach dem, was ich verfolgen konnte, waren die alle volljährig, ich lass mich da aber gerne korrigieren (bitte mit Fakten und nicht mit „das sagt der gesunde Menschenverstand“ oder „das solltest du besser wissen“, danke).
Edathy, von der Leyen, dass sind Beispiele, wie die Verwaltung die Politik kontrolliert. Und das darf nun mal nicht sein. Die Politik hat die Marschrichtung vorzugeben und die Verwaltung das umzusetzen, nicht umgekehrt. Nur: So läuft das in der Beamtenrepublik Deutschland nun mal nicht.
Auch die USA waren dafür bekannt, dass sie einen Haufen Regelungen hatten, die nicht nur nicht zielführend waren sondern teils massiv kontraproduktiv. Halt 200 Jahre rumdoktorn am Problem verschärft es nur anstatt es zu lösen. Irgendwann ist der gordische Knoten dicht und es geht nix mehr.
Trump hat es tatsächlich geschafft, das zu ändern. Was, Golfen hin oder her, tatsächlich eine Leistung ist. Nur: Die Motivation dahinter kommt einer Katastrophe gleich. Trump will Geld verdienen. Möglichst viel davon und möglichst innerhalb der Zeit, die ihm dazu bleibt.
Ich glaube nach wie vor, dass Mr. „Billionnaire“ seine Steuererklärungen nur deshalb nicht veröffentlicht, weil dann rausgekommen wäre, dass er völlig pleite ist. Die Geschwindigkeit, mit der er sich jetzt am Staatssäckel bedient, ist atemberaubend und ich glaube, ein Zeichen dafür, dass er das Geld wirklich dringend braucht.
Das ist seine primäre Motivation: Geld und Anerkennung. Das Letztere bekommt er nur unzureichend bis gar nicht also hält er sich ans Erstere. Er vertraut der CIA nicht – und hat sie völlig entmachtet. Selbst die NSA, die mit Sicherheit einen dicken Kompromatkoffer gegen Trump hat, agiert auf Katzenpfoten, wenn es um Trump geht. Die Bürger weltweit werden weiterhin fröhlich und gnadenlos transparent gemacht, aber Trump? Nada.
Wenn man Trump richtig einschätzen will, ist DAS imho einer der zentralen Punkte. Seine Deutung von „drain the swamp“ und die Umsetzung desselben.
Er ist, nach dieser Deutung, tatsächlich dabei, den Sumpf auszutrocknen. Oder das, was er als „Sumpf“ ansieht.
Nur: Ohne Verwaltung geht es nicht. Politik und Verwaltung arbeiten normalerweise Hand in Hand, aber das Gleichgewicht funktioniert zunehmend nicht mehr. Die Verwaltung arbeitet zu sehr alleine, ohne sich um irgendwelche Vorgaben zu kümmern. Aufsicht? Findet nicht statt – ist aber notwendig, siehe NSU.
Man sieht es ja auch. Bildung wird auf ein Niveau runtergefahren, dass noch nicht mal mehr einer Dorfschule in einem abgelegenen Teil der Wüsten Afrikas entspricht. Die USA werden demnächst einen großen Teil Erwachsener haben, die nahezu Analphabeten sind – perfekte Arbeitsbienen, reif zum Ausmisten.
Umweltschutz? Stört beim Geld verdienen, weg damit.
Pipelines? Werden gebaut, egal, was die Anrainer sagen.
Mountaintop coalmining? Go ahead.
Sicherheitsvorschriften für Kraftwerke oder Chemiefirmen? Können weg, stören beim Geld verdienen.
Das muss politisch gelöst werden – aber Trump tut mehr. Indem er die Verwaltung an genau diesen Stellen tötet, macht er auf Jahre hinaus jegliche Wiederaufbauarbeit unmöglich. Er zerstört Systemstrukturen, die schützen sollen, weil sie ihn beim Geld verdienen stören. Bzw. beim Umleiten von Steuergeldern in seine eigene Tasche.
Der Schaden, den er in diesem einen Jahr bereits angerichtet hat, wird auf Jahrzehnte hinaus nur schwer zu reparieren sein. Die Kinder, die nach DeVos-System „lernen“ werden tief verschuldet sein für eine Bildung, die nicht das Papier wert ist, auf das die Zertifikate gedruckt werden.
Die Umwelt wird zerstört – vieles davon unwiderbringlich. Naturdenkmäler, Nationalparks: Alles steht zur Disposition, wenn dort Rohstoffe gefunden werden. Mir kommt Trump so vor wie der Mann, dem man erzählt hat, dass in seinem Haus eine Million versteckt ist. Hektisch zerschneidet er Matratzen, zerstört Wände, reißt den Boden auf: Alles nur, damit er die Million findet.
Doch die Million gibts dort nicht. Wenn er sie endlich gefunden hat, ist das Haus unbewohnbar. Und genau das wird dort auch passieren. Die Quittung muss, wie immer, nicht der Verursacher zahlen, denn Trump wird dann lange tot sein, der Mann ist 72, fett und hat Gicht.
Sondern wir alle zahlen den Preis. Mit einer Welt, die ein Stück Schönheit verliert. Die die Luft weniger atembar macht und die Erde weniger fruchtbar. Letztlich essen wir keine Kohle oder Aluminium, sondern Feldfrüchte und Fleisch. Beides wird auf der Trumpschen Erde nicht mehr wachsen.
*seufz*
„Drain the swamp“. Man wusste das alles vorher. Und hat sich so sehr eingeredet, dass es doch schon nicht so schlimm wird. Dass er doch schon „gezügelt“ wird, von einer Verwaltung, die mächtiger ist als die Politik.
Nicht in diesem Fall.
Vielleicht auf lange Zeit nicht mehr.
Veröffentlicht am 13. Februar 2018, in Innenpolitisches, politisches. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Ein Kommentar.
Eine Verwaltung kann einem Verwaltungschef die Hölle heiß machen, mit Dingen wie Dienst nach Vorschrift und so Zeuch, aber…
… wenn der Chef/die Chefin auf Krawall gebürstet ist, werden unliebsame Mitarbeiter versetzt, an Stellen, an denen sie keinen Unsinn machen können.
Solche findet man derzeit allerdings nicht in unserer politischen Landchaft, denn alle sind auf weichgespültem Konsenskurs, alle tanzen nach Merkelchens Pfeife und alle wollen wiedergewählt werden. Leute die was anders, vielleicht gar besser, machen wollen, werden schon im Vorfeld weggebissen, die Meute aus Mitläufern kann da sehr hilfreich sein.
So bleiben dann halt die angepassten, die nur wenig Widerworte bringen und duckmäuserisch darauf bedacht sind, nichts zu tun, das ihre nächste Amtszeit gefährden könnte.
Deshalb können Dezernenten tun und lassen was sie wollen…